Der durch Insolvenzeröffnung unterbrochene Rechtsstreit – und seine Aufnahme

Die Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreits über eine Insolvenzforderung ist nur wirksam, wenn die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen für eine Forderungsfeststellungsklage gegeben sind.

Der durch Insolvenzeröffnung unterbrochene Rechtsstreit – und seine Aufnahme

Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist1. Das Erfordernis des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens ist nicht abdingbar; es handelt sich vielmehr um eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung sowohl im Falle einer neu erhobenen Feststellungsklage2 als auch bei der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits3.

Fehlt es an der Durchführung des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens, ist die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses durch den Gläubiger nicht wirksam4. Dabei setzt eine wirksame Aufnahme nicht nur voraus, dass die Forderung in einem Prüfungstermin (§§ 176, 177 InsO) geprüft worden ist. Unwirksam ist die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses auch, wenn es an einer wirksamen Anmeldung der Forderung fehlt.

§ 180 Abs. 2 InsO ordnet an, dass die Feststellung einer Insolvenzforderung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben ist, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig war. Die Bestimmung dient dazu, den Kosten- und Zeitaufwand eines selbständigen Insolvenzfeststellungsprozesses zu vermeiden, die bisherigen Prozessergebnisse zu erhalten und den anhängigen Prozess zu einem Ende zu bringen5. Aus dieser Zielsetzung folgt, dass die Bestimmungen über das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren – soweit sie insbesondere hinsichtlich der Anmeldung der Forderung und der Prüfung der Forderung im Prüfungstermin Sachurteilsvoraussetzungen sind – zugleich Voraussetzungen für die wirksame Aufnahme eines gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses sind. Andernfalls käme es entgegen der Zielsetzung des Gesetzes dazu, dass bisherige Prozessergebnisse allein wegen Mängeln des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens verloren gingen. Dies widerspräche gerade bei behebbaren Mängeln der Prozessökonomie. Es bliebe – wie im Streitfall ungeklärt, ob die angemeldete Forderung in der Sache besteht. Um die bisherigen Prozessergebnisse eines gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses zu erhalten und eine Sachentscheidung in diesem Prozess zu ermöglichen, ist die Wirksamkeit einer Forderungsanmeldung im Rahmen der Frage zu prüfen, ob die Aufnahme des Prozesses wirksam war. Dies gilt auch für die Frage, ob die Forderungsanmeldung den Anforderungen des § 174 InsO entspricht.

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Rechtsschutzüberlegungen stehen der Einordnung als Voraussetzung einer wirksamen Aufnahme eines unterbrochenen Prozesses nicht entgegen. Besteht Streit über die Wirksamkeit der Aufnahme, ist hierüber durch Zwischenurteil gemäß § 303 ZPO zu entscheiden; im Beschwerdeverfahren ergeht die Entscheidung entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss6. Hält das Gericht die Aufnahme für unwirksam, ist das Zwischenurteil wie ein Endurteil anfechtbar7. Indem das Gericht die Aufnahme eines gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Prozesses für unwirksam erklärt, versagt es der Partei, als Kläger aufzutreten, und hält sie so von der Prozessführung fern. Wegen dieser Wirkungen steht ein solches Zwischenurteil einem Endurteil gleich8.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19

  1. BGH, Urteil vom 03.07.2014 – IX ZR 261/12, ZIP 2014, 1503 Rn. 9[]
  2. BGH, Urteil vom 27.09.2001 – IX ZR 71/00, WM 2001, 2180 f; vom 23.10.2003 – IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2431; vom 05.07.2007 – IX ZR 221/05, BGHZ 173, 103 Rn. 12; vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08, WM 2009, 468 Rn. 16 f[]
  3. BGH, Urteil vom 03.07.2014 aaO Rn. 10 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 03.07.2014 – IX ZR 261/12, ZIP 2014, 1503 Rn. 13[]
  5. MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 180 Rn. 3, 15 mwN; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 180 Rn. 5[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 31.10.2012 – III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 5 mwN[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 08.06.2004 – IX ZR 281/03, WM 2004, 1656; vom 10.11.2005 – IX ZB 240/04, WM 2006, 202, 203 zur Feststellung der Unterbrechung[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 08.06.2004, aaO[]
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