Ein Grundstückseigentümer kann gegenüber einem Jugendlichen, der sich auf einer auf dem Grundstück befindlichen Baumschaukel verletzt, schadensersatzpflichtig sein.

In dem hier vom Landgericht Lübeck entschiedenen Fall hatte der Grundstückseigentümer das Haus nebst Garten für Fortbildungen zur Verfügung gestellt.Zwei Auszubildende schaukeln auf einer Baumschaukel, die an dem Ast einer Rotbuche hängt. Der Ast bricht ab und verletzt eine der Auszubildenden schwer. Die Krankenkasse verlangt von dem Grundstückseigentümer Ersatz der Heilbehandlungskosten. Das Landgericht hat den Grundstückseigentümer zur Übernahme der Kosten für die Heilbehandlung verurteilt:
Der Baum sei zwar regelmäßig kontrolliert worden, aber nur von ungeschultem Personal. Es wäre jedoch nötig gewesen, den Baum jährlich von geschultem Personal oder gar Fachleuten überprüfen zu lassen, vor allem, weil der Baum als Spielgerät eine größere Gefahr dargestellt habe.
Grundstückseigentümer müssen dafür sorgen, dass von ihrem Grundstück keine Gefahren ausgehen. Denn wer eine Gefahrenquelle schafft bzw. unterhält, muss Schäden für die Allgemeinheit vermeiden (sogenannte Verkehrssicherungspflicht). Die Anforderungen an Sicherungsmaßnahmen hängen dabei vom Einzelfall ab. Grundstückseigentümer müssen ihren Baumbestand daher regelmäßig überprüfen, unter Umständen durch geschulte Baumpfleger.
Die Grundstückseigentümerin hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Wer auf seinem Grundstück einen Verkehr eröffnet und zulässt, haftet grundsätzlich für dessen Verkehrssicherheit. Allerdings müssen nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, die im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren liegen und geeignet sind, solche Gefahren abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen1. Demgemäß hat der Eigentümer eines Grundstücks im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, dass von den dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit oder Herabfallens von Ästen gesichert ist2. Hierbei muss der Sicherungspflichtige die nach dem jeweiligen Stand der Erfahrungen und Technik als geeignet und genügend erscheinenden Sicherungen treffen, d.h. einerseits denjenigen Gefahren vorbeugend Rechnung tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und andererseits diejenigen Maßnahmen ergreifen, die zur Gefahrbeseitigung objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Dies schließt es ein, den Baumbestand in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu untersuchen und solche Pflegemaßnahmen vorzunehmen, welche für das Beibehalten der Standfestigkeit notwendig sind. Wie oft und in welcher Intensität Baumkontrollen durchzuführen sind, lässt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind vom Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig. Hierbei können sich die Sicherungspflichtigen im Regelfall an der vom Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. entwickelten Baumkontrollrichtlinie (FLL-Richtlinie) orientieren, welche als Orientierungshilfe anerkannt wird3. Nach dieser muss die Regelkontrolle einmal jährlich durch fachlich geschultes Personal durchgeführt werden, welches in der Lage ist, die auf eine Schädigung hindeutenden Symptome zu erkennen, nach deren Art und Umfang ihr Gefährdungspotenzial einzuschätzen und den weiteren Handlungsbedarf festzulegen4. Wer für die Verkehrssicherheit von Bäumen verantwortlich ist, selbst aber nicht über entsprechende Fachkenntnisse oder sachkundiges Personal verfügt, muss solche Kräfte hinzuziehen5. Inhaltlich gefordert ist eine sorgfältige äußere Besichtigung, also eine visuelle Gesundheits- und Zustandsprüfung, die sich auf den gesamten oberirdisch sichtbaren Baum, mithin vom Stammfuß bis zur Krone, erstreckt6. Werden bei der Regelkontrolle Anzeichen erkannt, die nach der Erfahrung auf eine besondere Gefahr durch den Baum hinweisen, ist unverzüglich eine eingehende Untersuchung durch Fachkräfte vorzunehmen; solche Anzeichen können trockenes Laub, dürre Äste oder verdorrte Teile, Pilzbefall, äußere Verletzungen oder Beschädigungen, hohes Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung und sein statischer Aufbau sein7.
Nach diesen Grundsätzen hat die Grundstückseigentümerin ihre Verkehrssicherungspflicht bereits dadurch verletzt, dass sie ungeschultes Personal mit jährlichen Baumkontrollen ihrer Grundstücke beauftragt hat. Vielmehr waren nach den FLL-Richtlinien jährliche Sichtkontrollen durch fachlich geschultes Personal durchzuführen. Hierzu wäre die Grundstückseigentümerin als Kirchengemeinde, vergleichbar einer staatlichen Gemeinde, mit mehreren in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken mit Baumbestand auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten verpflichtet gewesen. Das ihr zumutbare Maß hinsichtlich des Aufwandes geht im Hinblick auf die für ihre Gemeindemitglieder geöffneten Verkehrsflächen deutlich über das hinaus, was einem gewöhnlichen Privateigentümer eines durchschnittlichen Einzelgrundstücks zumutbar wäre. Selbst aber, wenn man bei privaten Grundstückseigentümern eine Baumkontrolle durch geschultes Personal generell für nicht zumutbar hielte8, wäre sie vorliegend zu einer fachlich qualifizierten Kontrolle des unfallursächlichen Astes der Rotbuche aufgrund der an ihm angebrachten Schaukel verpflichtet gewesen. Insoweit war zu berücksichtigen, dass es sich hier eben nicht nur um einen Baum/Ast als solchen gehandelt hat, sondern um ein Spielgerät, eine Schaukel, die an ihm angebracht war. Dies barg aber ein weitaus größeres Gefährdungsrisiko und Schädigungspotenzial für Menschen als ein ohne weitere Funktion in einem Garten stehender Baum. Das Maß dessen, was einem Verkehrssicherungspflichtigen zumutbar ist, richtet sich insoweit auch nach der Größe des Schadens, der einzutreten droht und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit9. Der Bruch des Astes aufgrund der angehängten Schaukel ist indessen bedeutsam wahrscheinlicher als der Bruch ohne Belastung mit dem Gewicht eines erwachsenen Menschen, für den auch der Verkehr eröffnet war, durch bloße Zersetzung oder Sturm. In gleicher Weise war die erhebliche Schädigung des Benutzers der Schaukel durch Abbruch des sich in 4,5 m Höhe über dieser befindlichen Astes viel wahrscheinlicher als die Schädigung einer Person, die zufällig in einem Moment, in dem der Ast aufgrund bloßer Naturvorgänge nach unten fällt, sich unter diesem befindet. Generell sind bei Spielgeräten gesteigerte und besonders strenge Anforderungen an ihre Verkehrssicherheit zu stellen10. Diese erfasst gerade auch den Schutz vor Miss- und Fehlgebräuchen. Ungeschicklichkeiten, Leichtsinn und Unfähigkeit im Umgang mit dem Spielgerät dürfen im Normalfall keine schwerwiegenden Folgen haben11. Dabei besteht die Verkehrssicherungspflicht zum einen so weit, wie der Verkehr für das Spielgerät eröffnet wird, zum anderen haftet der Spielplatzbetreiber aber grundsätzlich auch für einen durch unbefugte Benutzung der Spielgeräte durch einen Erwachsenen entstandenen Schaden12. Die unbefugte Benutzung kann erst im Rahmen des Mitverschuldens berücksichtigt werden und führt nicht bereits zu einer Entlastung des Sicherungspflichtigen dem Grunde nach12.
Zwar hat kein Mitglied/Beschäftigter der Grundstückseigentümerin die Schaukel aufgehängt, sondern ein dort Ehrenamtlich Tätiger. Indessen haftet der für sein Grundstück Sicherungspflichtige auch für Fehlverhalten Dritter, wenn dies vorhersehbar oder durch ihn kontrollierbar ist13. Dem von der Grundstückseigentümerin mit der Kontrolle beauftragten Ehrenamtler war die an dem Ast der Rotbuche befestigte Schaukel bekannt. Der Grundstückseigentümerin war auch ganz generell die bereits am Eingang angebrachte Schaukel sowie deren grundsätzliches Gefährdungspotenzial bekannt, da sie besonderen Wert auf ein Hinweisschild zur Benutzung auf eigene Gefahr14 Wert gelegt hatte. Dieses Schild war allerdings nicht ausreichend sichtbar, um der Verkehrssicherungspflicht durch eine bloße Warnung vollständig zu genügen. Ausweislich der Ermittlungsakte war ein solches Schild allenfalls im Gras verdeckt und nur nach entsprechendem Suchen nach dem Unfall ersichtlich. Angesichts des beschriebenen Gefährdungspotenzials und des nur 12 cm bis 13 cm dicken Astes zweiter Ordnung, an dem die Schaukel befestigt war, hätte bei der Kontrolle Anlasse bestanden, die Tragfähigkeit des Astes näher abzuklären oder zur Sicherheit schlicht die Abnahme der selbigen veranlassen müssen. Hierbei hatte er in Rechnung zu stellen, dass der Verkehr im Hinblick auf das gesamte Grundstück und somit auch für die an der Rotbuche angebrachte Schaukel, generell auch – wenn nicht sogar vorrangig – für Erwachsene eröffnet war. Bei der Schaukel handelte es sich nicht um eine reine Kinderschaukel, die erkennbar nur für (leichtgewichtige) Kinder vorgesehen war, sondern um eine solche, die auch – wenngleich auch nur für eine Person – einem Erwachsenen Platz bot. Ebenso war der (Fehl-)Gebrauch dadurch, dass sich eine Person auf den Schoß einer bereits auf der Schaukel Platz genommenen Person setzte, als nicht ganz fernliegend zu berücksichtigen. Eine derartige Benutzung als bloßer Sitz ohne Ingangsetzen der Schaukel kommt insbesondere, wenn es an weiteren Sitzgelegenheiten fehlt, vor.
Die Verletzung der vorstehend aufgezeigten Verkehrssicherungspflicht war – in sämtlichen aufgezeigten Varianten – auch ursächlich für die schwerwiegende Gesundheitsverletzung der Geschädigten. Eine fachlich geschulte Person hätte auch bei der zunächst nur veranlassten jährlichen Sichtkontrolle bereits in 2013 sowohl im unbelaubten als auch im belaubten Zustand der Rotbuche die Schädigung des Astes anhand der um die eingewachsenen Metallschellen herum befindlichen Aufwallungen, die Zeichen der Verletzung des Astes waren, welche letztlich zu 80 % sein Absterben bedingt hätte, mit der geforderten Sichtkontrolle erkannt und veranlasst, die Schaukel zu sperren bzw. sogar Ast und Schaukel zu entfernen. Selbst wenn letzteres nicht der Fall gewesen wäre, hätte ein fachlich geschulter Mensch bei der Sichtkontrolle zumindest die Aufwallungen wahrgenommen und diese als Verletzungen des Baumastes durch die Metallschellen erkannt, was ihn bei sorgfaltsgemäßem Handeln dazu veranlasst hätte, einen Baumfachmann mit eingehenderen Untersuchungen hinzuzuziehen. Dieser hätte sodann die Sperrung der Rotbuche und die Abnahme der Schaukel angeordnet.
Die ursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung geschah auch gem. § 276 BGB schuldhaft. Entweder die objektive Sorgfaltswidrigkeit folgte bereits aus dem Einsatz eines fachlich nicht geschulten Baumkontrolleurs durch die Grundstückseigentümerin selbst bzw. dessen Vorstand, sodass sich ein Verschulden aus der unmittelbaren Anwendung von §§ 31, 89 Abs. 1 BGB, die auch für eine Kirchengemeinde Anwendung finden15, ergibt. Oder das Verschulden ergibt sich aus dem sorgfaltswidrigen Handeln des mit der Kontrolle betrauten Ehrenamtlers, der in Ansehung der Schaukel sowie der für einen gewissenhaften Menschen objektiv vorhersehbaren Benutzung der Schaukel durch Erwachsene keine nähere Überprüfung der Tragfähigkeit des Astes anordnete. Letzteres muss sich die Grundstückseigentümerin entsprechend §§ 31, 89 Abs. 1 BGB als eigenes Handeln/Unterlassen zurechnen lassen. Den Begriff des satzungsmäßigen Vertreters legt die Rechtsprechung weit aus16. Es ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit des Vertreters in der Satzung vorgesehen ist. Er braucht auch keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zu besitzen. Es genügt, dass ihm durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen der juristischen Person bzw. öffentlichen Körperschaft zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er diese insoweit repräsentiert. Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis ist unschädlich17.
Die Krankenkasse muss sich nicht gem. §§ 412, 404, 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden der Geschädigten bei der Entstehung des Schadens entgegenhalten lassen. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt ein Mitverschulden vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig hätte erkennen können, dass Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehen, und er die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen18. Dies war hier nicht der Fall. Der Geschädigten wird vorliegend von den Beklagten vorgeworfen, sich mit einer anderen Person gemeinsam auf die Schaukel gesetzt zu haben, nicht dagegen, die Schaukel darüber hinaus durch gemeinsames Schaukeln stark belastet zu haben. Es erscheint nicht ohne Weiteres sorgfaltswidrig, sich zu zweit auf eine Schaukel zu setzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Personen nicht stark übergewichtig sind. Wegen der starken Belastungen durch Schaukelschwünge, die selbst bei bestimmungsgemäßer Benutzung durch eine einzelne Person auftreten, spricht einiges dafür, dass die Geschädigte vielmehr darauf vertrauen durfte, Schaukel und Ast könnten das Gewicht zweier normalgewichtiger Personen tragen19. Ebenso sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Schaukel – für die Beklagten erkennbar – nur für leichtgewichtige Kinder vorgesehen war. Sie befand sich nicht auf einem Kinderspielplatz, das Gelände wurde auch nicht offenkundig überwiegend von Kindern benutzt. Zwar schaukeln Kinder in der Regel häufiger als Erwachsene, ein Erfahrungssatz, wonach Schaukeln grundsätzlich für Erwachsene nicht vorgesehen und geeignet sind, existiert aber nicht20. Insofern kann die – ohne Grundlage im konkreten Fall – von den Beklagten aufgestellte Behauptung, beide Seminarteilnehmerinnen hätten jeweils 60 kg und somit zusammen 120 kg gewogen, zu ihren Gunsten als richtig unterstellt werden. Denn keine der beiden war mit einem Gewicht von 60 kg erkennbar übergewichtig. Es erschließt sich auch nicht, wie die Geschädigte hätte erkennen können, wie viel die Seminarteilnehmerin, auf deren Schoß sie sich in der Mittagspause setzte, wog.
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf die Einrede der Verjährung gem. § 214 Abs. 1 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist nicht abgelaufen. Maßgeblich hierfür ist, dass die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass dann, wenn innerhalb einer regressbefugten Berufsgenossenschaft mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig sind – nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem verunglückten Mitglied und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten – es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung ankommt. Das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unmaßgeblich21. Im Streitfall kann letztlich offenbleiben, wann der zuständige Mitarbeiter der Regressabteilung von dem Schadensfall Kenntnis erlangt hat, oder ob es ausnahmsweise aufgrund eines unterlassenen Informationsaustausches, eines Organisationsmangels oder eines Verstoßes gegen die Organisationsregeln es auf die Kenntnis der Leistungsabteilung ankommt. Denn auch wenn man dies zugunsten der Beklagten unterstellte, wäre Verjährung nicht eingetreten. Wann mittelbar Geschädigte, zum Beispiel anspruchsberechtigte Sozialversicherungsträger, hinreichend zuverlässig Aufschlüsse für eine Rechtsverfolgung gegen den Schädiger gewonnen haben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es reicht im Allgemeinen nur eine solche Kenntnis aus, die dem Sozialversicherungsträger die Erhebung einer Schadensersatzklage mindestens in Form der Feststellungsklage Erfolg verspricht; begründete Zweifel an dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen dürfen hiernach nicht mehr bestehen22. Hier war sowohl für die Leistungs- als auch in dieser Folge der Regressabteilung unklar, ob die Krankenkasse als Berufsgenossenschaft überhaupt eintrittspflichtig war, weil ihre Leistungsabteilung ihre Eintrittspflicht gegenüber der Geschädigten mit Bescheid vom 14.10.2016 abgelehnt hatte und hieran auch mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 17.07.2015 festhielt. Wenn die Krankenkasse bzw. ihre Leistungsabteilung selbst sich nicht für eintrittspflichtig hielt, was beinhaltete, dass auch die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Forderungsübergang nach § 116 SGB X nicht gegeben waren, war ihr nicht zumutbar, durch ihre Regressabteilung gegen ihre Überzeugung mit gegenteiliger Begründung verjährungshemmend Feststellungsklage gegen die Beklagten zu erheben. Dies hätte für sie bereits von vornherein das Risiko beinhaltet, auf jeden Fall einen Rechtsstreit mit entsprechender Kostenlast zu verlieren. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Unzumutbarkeit der Klageerhebung zur Verjährungshemmung sich aus einem Widerspruch des Gläubigers zu dem eigenen Verhalten ergeben kann23. So hat der BGH den Grundsatz der Unzumutbarkeit widersprüchlichen Parteiverhaltens auch auf das Bereicherungsrecht übertragen und angenommen, dass es einer Bank, die sich dem Bereicherungsanspruch eines Darlehensnehmers aus einem nichtigen Darlehensvertrag ausgesetzt sieht, nicht zuzumuten ist, den Bereicherungsanspruch gegen einen Dritten als Zahlungsempfänger der Darlehensvaluta aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Fall 2 BGB geltend zu machen, bevor ihre eigene Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem (vermeintlichen) Darlehensnehmer feststeht24. Das BAG hat es für unzumutbar gehalten, dass der Arbeitgeber seinen vermeintlichen freien Mitarbeiter vor der sozialgerichtlichen Feststellung des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auf Rückzahlung von Bezügen in Anspruch nimmt25. Diese Entscheidungen lassen sich zwanglos auf den hiesigen Fall übertragen, sodass der Lauf der Verjährungsfrist erst mit dem endgültigen rechtskräftigen Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens im Jahr 2023, mithin mit Ablauf des 31.12.2023, begann und Verjährung überhaupt erst mit Ablauf des 31.12.2026 enden könnte.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 17. Januar 2025 – 9 O 112/23
- BGH, Urteil vom 21.02.1978, VI ZR 202/76, NJW 1978, 1629; BGH VersR 2002, 247, BGH VersR 2006, 803[↩]
- BGH, Urteil vom 21.03.2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733 m.w.N.; Urteil vom 02.07.2004, V ZR 33/04[↩]
- OLG Dresden, Urteil vom 06.03.2013, 1 U 987/12, BeckRS 2014, 18505; OLG Köln, Urteil vom 29.07.2010, 7 U 31/10; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 05.09.2007, 4 U 71/07, jeweils zitiert nach juris[↩]
- OLG Dresden, a.a.O.; LG Hildesheim, Urteil vom 16.08.2016, 5 O 26/16, BeckRS 2016, 137431; LG Koblenz, Urteil vom 15.10.2015, 1 O 175/14, BeckRS 2015, 134397 Rn. 15[↩]
- LG Hildesheim, a.a.O.; LG Koblenz, a.a.O.[↩]
- LG Hildesheim, a.a.O.[↩]
- vgl. dazu insgesamt OLG Dresden, a.a.O.[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.07.2013, I-9 U 38/13[↩]
- MünchKomm-BGB /Wagner, 9. Aufl., § 823 Rn. 530 m.w.N.[↩]
- vgl. OLG Celle, VersR 1985, 345 für Schaukel; generell: BeckOGK/T. Voigt, 1.11.2024, BGB § 823 Rn. 484-485.5[↩]
- OLG Hamm, Urteil vom 19.03.2009, 6 U 157/08 33[↩]
- OLG Hamm, a.a.O.[↩][↩]
- vgl. BeckOGK/T. Voigt, 01.11.2024, BGB § 823 Rn. 425; MünchKomm-BGB/Wagner, a.a.O., Rn. 540[↩]
- für außenstehende Kinder[↩]
- BGH VersR 1975, 42: für Verkehrssicherungspflicht[↩]
- BGHZ 49, 19[↩]
- BGHZ 49, 19; BGHZ NJW 1998, 1854, 56; BGH NJW 1977, 2259; RGZ 162, 166[↩]
- MünchKomm-BGB/Oetker, a.a.O., § 254 Rn. 47[↩]
- vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 09.12.2019, 11 W 36/19, Anlage K 10[↩]
- OLG Schleswig, a.a.O.[↩]
- BGH, Urteil vom 09.03.2000, III ZR 198/99, NJW 2000, 1411 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 24.06.1999, IX ZR 363/97, NJW 1999, 2734, 2735 m.w.N., NJW-RR 2005, 69, 70[↩]
- BeckOGK/Piekenbrock, 1.12.2024, BGB § 199 Rn. 125 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 13.01.2015, XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 41 f. = NJW 2015, 1948; BGH BeckRS 2015, 2840 Rn. 34 f.; BeckRS 2015, 3384 Rn. 41 f.[↩]
- BAGE 167, 144 Rn. 45 = NZA 2019, 1558[↩]
Bildnachweis:
- Baumschaukel: Anja