Die Klage auf künftige Räumung von Gewerberäumen

Der auf künftige Räumung verklagte Mieter von Gewerberäumen ist zur Vermeidung der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gehalten, sich auf eine Aufforderung des Vermieters zu seiner Bereitschaft zu erklären, die Mieträume bei Vertragsende an den Vermieter herauszugeben. Allein durch sein Schweigen auf eine solche Aufforderung des Vermieters gibt er noch keine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO.

Die Klage auf künftige Räumung von Gewerberäumen

Abweichend von der allgemeinen Kostenregelung in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, trifft den erfolgreichen Vermieter gemäß § 93 ZPO die Kostenlast, wenn der Beklagte den klageweise geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und er durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klage gegeben hat. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkter Überprüfung unterliegt1.

So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im hier entschiedenen Fall2 die Voraussetzungen des § 93 ZPO ohne Rechtsfehler bejaht. Es ist zunächst beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass die Mieter das innerhalb der zweiwöchigen Notfrist zur Abgabe einer Verteidigungsanzeige (§ 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO) abgegebene Anerkenntnis sofort im Sinne des § 93 ZPO erklärt haben3. Auch die Würdigung, die Mieter hätten durch ihr Schweigen auf die zweimalige Aufforderung der Vermieter, ihre Bereitschaft zur Herausgabe der Mieträume bei Ende der Mietzeit zu bestätigen, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO gibt der Beklagte dann, wenn sein Verhalten vor dem Prozess aus Sicht des Vermieters bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Diese Beurteilung bedarf einer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und ist allgemeiner Beurteilung nicht zugänglich4.

An diesen Maßgaben gemessen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Veranlassung zur Klageerhebung durch die Mieter zu Recht verneint.

Richtig hat das Oberlandesgericht zunächst angenommen, dass der Schuldner im Allgemeinen vor Fälligkeit des Anspruchs grundsätzlich nicht verpflichtet oder zur Vermeidung eigener Kostennachteile gehalten ist, sich zu seiner Leistungsbereitschaft zu erklären5. bb)) Durchgreifende Gründe, dies für das gewerbliche Mietrecht anders zu beurteilen, bestehen nicht.

Teilweise wird insoweit allerdings in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, der Mieter gebe jedenfalls bei erkennbar begründeter Kündigung Veranlassung zur Klage, wenn er seine Bereitschaft, das Mietobjekt bei Ablauf der Mietzeit geräumt an den Vermieter herauszugeben, auf Aufforderung des Vermieters nicht erkläre6. Zur Begründung wird angeführt, der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse, frühzeitig zu wissen, ob die Mieträume sofort nach Ende der Mietzeit für eine Weitervermietung oder Bau- oder Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung stünden7.

Nach anderer Meinung, der sich das Oberlandesgericht angeschlossen hat, gibt der Mieter nicht allein deshalb Veranlassung zur Klageerhebung, weil er sich auf Nachfrage des Vermieters vor Fälligkeit des Räumungs- und Herausgabeanspruchs nicht zu seiner Erfüllungsbereitschaft erklärt. Vielmehr bedürfe es insoweit eines aktiven Verhaltens des Mieters, aus dem der Vermieter den Schluss ziehen könne, dass der Mieter seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts bei Ende der Mietzeit nicht nachkommen werde8.

Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.

Das Verfahren nach § 257 ZPO soll dem Gläubiger des Räumungsanspruchs zwar eine frühzeitige Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung seines erst künftig fällig werdenden Anspruchs eröffnen. Ihm soll aber das Kostenrisiko, das sich nach § 93 ZPO aus einem vom als Räumungsschuldner in Anspruch genommenen Besitzer gegebenenfalls erklärten sofortigen Anerkenntnis ergibt, nicht abgenommen werden. Gerade für Verfahren nach § 257 ZPO, mit denen über die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus Ansprüche auf künftige Räumung von nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten und Grundstücken schon vor Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht werden können, stellt die Regelung in § 93 ZPO ein wichtiges gesetzliches Korrektiv zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Schuldners dar.

Da der Räumungsschuldner bei einem Vorgehen des Gläubigers nach § 257 ZPO schon vor Fälligkeit einem Rechtsstreit über seine Räumungsverpflichtung ausgesetzt ist, ohne dass er hierzu Anlass gegeben haben müsste und ohne dass er einen solchen Rechtsstreit effektiv hätte vermeiden können, kommt der durch § 93 ZPO eröffneten Möglichkeit des Mieter, durch ein sofortiges Anerkenntnis eine nachteilige Kostenfolge abzuwenden, besondere Bedeutung zu. Insbesondere ist nur durch die Kostenregelung in § 93 ZPO, die dem Räumungsgläubiger das Kostenrisiko eines anlasslosen Rechtsstreits zuweist, den Interessen beider Parteien angemessen Rechnung getragen. Bei der Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO gegeben hat, kann es dabei im Verfahren nach § 257 ZPO von vornherein nur auf das Verhalten des Mieter vor Fälligkeit des Anspruchs ankommen. Da aber erst der Fälligkeitszeitpunkt entscheidend für die Leistungserbringung durch den Schuldner ist und es sich bei § 257 ZPO um eine Ausnahmeregelung zu Gunsten des Gläubigers handelt, die jedoch die Bedeutung des Fälligkeitszeitpunkts nicht außer Kraft setzt, dürfen zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Räumungsschuldners an dessen Verhalten in der Zeit vor Fälligkeit keine überhöhten Anforderungen gestellt werden9.

Weil der Schuldner Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO nur dann gegeben hat, wenn aus seinem Verhalten darauf zu schließen war, dass er seine Verpflichtungen bei Fälligkeit nicht erfüllen wird4, bedarf es aus ex ante-Sicht des Gläubigers und späteren Vermieters konkreter, aus dem Verhalten des Schuldners abzuleitender Anhaltspunkte dafür, dass dieser bei Fälligkeit nicht leisten werde. Ohne derartige Anhaltspunkte besteht dagegen gerade vor Fälligkeit des Anspruchs regelmäßig kein Grund für Misstrauen an einem pflichtgemäßen Verhalten des Schuldners und damit für eine Klage zur vorsorglichen Durchsetzung des Anspruchs. Allein aus dem Schweigen des Mieters auf eine Aufforderung des Vermieters, sich über seine künftige Vertragstreue und Leistungsbereitschaft zu erklären, ergeben sich derartige Anhaltspunkte grundsätzlich nicht. Zwar liegt bei einem ungestörten Vertragsverhältnis nach allgemeinen Gepflogenheiten nahe, dass die Vertragspartner auf Fragen des anderen Vertragsteils in irgendeiner Weise reagieren, und sei es nur mit der Mitteilung, dass die Frage (derzeit) nicht beantwortet werden könne. Aus dem Ausbleiben einer Reaktion kann dennoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf eine fehlende Erfüllungsbereitschaft geschlossen werden, weil dieses auf vielfältigen Gründen beruhen kann. Mangels einer Verpflichtung des Schuldners, sich zu seiner Erfüllungsbereitschaft zum Fälligkeitszeitpunkt zu erklären, ist das bloße Schweigen auf eine derartige Anfrage mithin im Regelfall nicht als Ausdruck des Fehlens der Erfüllungsbereitschaft zu deuten. Anlass, für das gewerbliche Mietrecht von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht nicht.

Zwar hat der Vermieter regelmäßig schon mit Blick auf eine mögliche Anschlussverwendung des Mietobjekts ein nachvollziehbares Interesse daran zu wissen, ob sich der Mieter vertragstreu verhalten und seine Pflichten bei Ende der Mietzeit erfüllen wird oder ob es zur Durchsetzung seines Herausgabeanspruchs eines gerichtlichen Vorgehens bedarf. Ein solches Interesse des Vermieters ist anzuerkennen, auch wenn die Erklärung des Mieters, er akzeptiere die Kündigung und sei grundsätzlich bereit, das Mietobjekt bei Ende der Mietzeit geräumt an den Vermieter herauszugeben, keine vollständig sichere Planungsgrundlage für den Vermieter bietet, weil nicht gewährleistet ist, dass die Haltung des Mieters bis zum Mietende unverändert bleibt. Eine Erklärung des Mieters über seine Herausgabebereitschaft ist für den Vermieter schon deshalb von Wert, weil dieser im Fall einer erkennbaren Verweigerungshaltung des Mieters frühzeitig ohne eigenes Kostenrisiko eine Räumungsklage nach §§ 257, 259 ZPO erheben kann. Allerdings unterscheidet sich das Interesse des Vermieters an einer Planungsgrundlage nicht wesentlich von demjenigen der Gläubiger anderer Schuldverhältnisse, denen ein Interesse an einer Planungsmöglichkeit regelmäßig ebenfalls nicht gänzlich abgesprochen werden kann. Zudem ist auch ein Interesse des Mieters anzuerkennen, die Berechtigung der Kündigung des Vermieters und die Möglichkeit der Beschaffung von Ersatzräumlichkeiten gründlich zu prüfen und sich nicht frühzeitig zur Berechtigung des Herausgabeverlangens des Vermieters und der eigenen Räumungsbereitschaft äußern zu müssen. Dem Interesse des Vermieters, pünktlich zum Mietzeitende wieder in den Besitz der Räumlichkeiten zu kommen, ist vor diesem Hintergrund mit der durch § 257 ZPO eröffneten Möglichkeit, vor Fälligkeit des Herausgabeanspruchs mit eigenem Kostenrisiko Klage auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts zu erheben, hinreichend Rechnung getragen.

Das Oberlandesgericht hat dem Verhalten der Mieter danach mangels hieraus abzuleitender konkreter Anhaltspunkte für das Fehlen einer Rückgabebereitschaft zum Vertragsende rechtsfehlerfrei nicht die Bedeutung beigemessen, dass sie aus der maßgeblichen Sicht der Vermieter Zweifel an ihrer Bereitschaft, die Mieträume pünktlich bei Ende der Mietzeit geräumt an die Vermieter zurückzugeben, geweckt hätten.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28. Juni 2023 – XII ZB 537/22

  1. BGH Beschluss vom 21.03.2019 – IX ZB 54/18 NJW 2019, 1525 Rn. 5 mwN[]
  2. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2022 – I24 W 39/22, WuM 2023, 50 ff.[]
  3. vgl. zu den Anforderungen BGHZ 168, 57 = FamRZ 2006, 1189 ff.[]
  4. st. Rspr.; vgl. BGH Beschluss vom 20.09.2022 – XI ZB 4/22 WM 2022, 2147 Rn. 27 mwN[][]
  5. vgl. OLG Hamm ZMR 1996, 449; OLG Stuttgart WuM 1999, 414; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 257 Rn.19; Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 257 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Assmann ZPO 5. Aufl. § 257 Rn. 30 mwN; BeckOK ZPO/Jaspersen [Stand: 1.03.2023] § 93 Rn. 33a; BeckOGK/Zehelein [Stand: 1.04.2023] BGB § 546 Rn.202 mwN; Saenger/Saenger ZPO 9. Aufl. § 257 Rn. 7; Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 257 Rn. 14 mwN[]
  6. vgl. OLG Nürnberg MietRB 2004, 203 f. mit Anm. von Bieber mwN; OLG Stuttgart WuM 1999, 414; Guhling/Günter/Geldmacher Gewerberaummiete 2. Aufl. 16. Teil Kap. 3 Rn. 27 mwN; Lützenkirchen/Lützenkirchen Mietrecht 3. Aufl. § 546 BGB Rn. 24a und b mwN [zu § 259 ZPO]; Saenger/Gierl ZPO 9. Aufl. § 93 Rn. 15[]
  7. vgl. z.B. OLG Stuttgart WuM 1999, 414; Henssler NJW 1989, 138, 142; Lützenkirchen/Lützenkirchen Mietrecht 3. Aufl. § 546 BGB Rn. 24a mwN[]
  8. vgl. OLG Karlsruhe NJW 1984, 2953 [zur Wohnraummiete]; OLG Hamm ZMR 1996, 449; Breckerfeld NZM 2000, 328; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 257 Rn.19; Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 257 Rn. 14; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 15. Aufl. § 546 BGB Rn. 128; Saenger/Saenger ZPO 9. Aufl. § 257 Rn. 7; Staudinger/Rolfs BGB [2021] § 546 Rn. 56 mwN [zu § 259 ZPO]; BeckOGK/Zehelein [Stand: 1.04.2023] BGB § 546 Rn.202 mwN[]
  9. vgl. auch MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 257 Rn.19[]

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