Auf eine Verletzung von ausländischem Recht kann weder die Revision noch die Rechtsbeschwerde nach dem FamFG gestützt werden; nur eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

Fehlerhafte Anwendung des ausländischen Rechts
Unter der Geltung von § 27 FGG wurde angenommen, dass der Bundesgerichtshof auch die Anwendung ausländischen Rechts nachzuprüfen habe; der Zugang zum Bundesgerichtshof war allerdings nur im Rahmen einer Divergenzvorlage eines Oberlandesgerichts gegeben (§ 28 Abs. 2 Satz 1 FGG)1. Dagegen stand für § 545 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung außer Frage, dass das ausländische Recht anders als das Internationale Privatrecht – zu dem nicht revisiblen Recht zählte; es bestand Einigkeit darüber, dass zwar eine rechtsfehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts mit der auf eine Verletzung von § 293 ZPO gestützten Verfahrensrüge angegriffen werden konnte, die Anwendung des ausländischen Rechts als solche aber nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterlag2.
Seit dem 1.09.2009 kann die Rechtsbeschwerde nach dem FamFG ebenso wie die Revision (§ 545 Abs. 1 ZPO n.F.) darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer „Verletzung des Rechts“ beruht (§ 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Ob auch ausländisches Recht als „Recht“ im Sinne dieser Normen anzusehen ist, ist umstritten; der Bundesgerichtshof hat diese Frage für das Revisionsverfahren bislang offengelassen3.
Teilweise wird geltend gemacht, sowohl im Revisionsverfahren als auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach dem FamFG sei die Anwendung ausländischen Rechts durch den Tatrichter nunmehr zu überprüfen. Der Wortlaut sei eindeutig; die Rechtsqualität des ausländischen Rechts stehe wie schon nach dem zuvor geltenden Verfahrensrecht außer Frage4.
Dagegen wird eingewendet, dass der Begriff „Recht“ nur im Sinne von „Bundes- und Landesrecht“ zu verstehen sei. Der Wortlaut der Normen sei zu weit geraten. Dies ergebe sich aus § 560 ZPO und der Entstehungsgeschichte der Reform5.
Die letztere Auffassung trifft zu.
Richtig ist zwar, dass der Wortlaut des § 72 Abs. 1 FamFG der Einbeziehung ausländischen Rechts nicht entgegenstünde. Ausländische Rechtsnormen sind für deutsche Gerichte Rechtssätze, nicht Tatsachen6. Schon aus der Zusammenschau mit § 560 ZPO der gemäß § 72 Abs. 3 FamFG entsprechend anzuwenden ist – ergibt sich aber, dass unter „Recht“ nur das inländische Recht zu verstehen ist; anderenfalls hätte § 560 ZPO keinen Anwendungsbereich, und die Verweisung wäre sinnlos, weil es aufgrund der Revisibilität des gesamten inländischen Rechts keine nicht revisiblen Gesetze im Sinne dieser Norm mehr gäbe.
Bestätigt wird dies durch die Gesetzgebungsgeschichte. Der Regierungsentwurf zu § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG sah zunächst den Begriff „Bundes- oder Landesrecht“ vor. Die Gesetzesbegründung hielt – im Hinblick auf die in § 72 Abs. 3 FamFG angeordnete entsprechende Anwendung von § 560 ZPO – ausdrücklich fest, „dass das Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts über das Bestehen und den Inhalt (…) ausländischen Rechts gebunden ist„7. Erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde aus „Bundes- oder Landesrecht“ der Begriff „Recht“; einzige Begründung hierfür war die sprachliche Angleichung an § 545 Abs. 1 ZPO8. Erklärtes Ziel der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO war die Beseitigung der eingeschränkten Revisibilität von Landesrecht9. Revisibel waren zuvor nur solche Bestimmungen, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckte; dies erschien infolge der Öffnung der Revisionsinstanz für Berufungsurteile (auch) der Landgerichte durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.200110 nicht mehr sachgerecht. Mit der Revisibilität ausländischen Rechts hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO dagegen nicht befasst11. Dies wäre aber schon wegen der weitreichenden Folgen zu erwarten gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, die Überprüfung ausländischer Rechtsnormen im Revisionsverfahren zu erweitern12.
Die einschränkende Auslegung von § 72 Abs. 1 FamFG und § 545 Abs. 1 ZPO steht mit dem beschränkten Zugang sowohl zu der Revision als auch zu der Rechtsbeschwerde nach dem FamFG in Einklang. Insbesondere die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der grundsätzlichen Bedeutung wären auf die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts nicht ohne weiteres übertragbar13. Denn inländische Gerichte haben ausländisches Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet14. Aus diesem Grund wären ungeklärte Fragen des ausländischen Rechts von grundsätzlicher Bedeutung nicht klärungsfähig, wie es der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert15; auch eine richtungsweisende Klärung für die Zukunft zur Fortbildung des Rechts könnte der Bundesgerichtshof nicht herbeiführen16. Denn die endgültige Klärung derartiger Rechtsfragen wäre in jedem Fall der ausländischen Rechtspraxis vorbehalten; die Instanzgerichte könnten sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres verlassen, sondern müssten die aktuelle Rechtslage im Ausland stets aufs Neue überprüfen17.
Schließlich verstößt die Irrevisibilität des ausländischen Rechts nicht gegen das in Art. 18 Abs. 1 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot18. Eine offene oder versteckte – Diskriminierung von Unionsbürgern im Verhältnis zu Inländern liegt darin schon deshalb nicht, weil die eingeschränkte Überprüfbarkeit ausländischen Rechts nicht allgemein an die Staatsangehörigkeit der Rechtssuchenden anknüpft (bzw. an die Staatszugehörigkeit einer juristischen Person19). Sie ergibt sich vielmehr aus der durch das Internationale Privatrecht vorgegebenen Anwendung ausländischen Rechts, die Inländer gleichermaßen betrifft, sofern deren Rechtsbeziehungen ausländischem Recht unterliegen20.
Soweit das Bundesarbeitsgericht ausländisches Recht als revisibel ansieht21, beruht dies auf der Auslegung von § 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Diese Norm ist mit den in § 545 Abs. 1 ZPO und § 72 Abs. 1 FamFG getroffenen Regelungen jedenfalls aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte nicht vergleichbar; einer Vorlage an den Gemeinsamen Bundesgerichtshof der obersten Gerichtshöfe (§ 2, § 11 RsprEinhG) bedarf es aus diesem Grund nicht.
Fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts
Das Verfahren zur Ermittlung ausländischen Rechts richtet sich nach inzwischen fast einhelliger Ansicht auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 293 ZPO22. Nach anderer Auffassung ist die in § 26 FamFG normierte Amtsermittlungspflicht maßgeblich23. Welcher der beiden Ansichten der Vorzug gebührt, kann offenbleiben, weil sie insoweit übereinstimmen, als eine Überprüfung der Ermittlung des ausländischen Rechts durch das Rechtsbeschwerdegericht nur auf eine Verfahrensrüge hin erfolgen kann (§ 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG)24.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Juli 2013 – V ZB 197/12
- Eichel, IPRax 2009, 389, 390 f.; Keidel/Kuntze/Winkler/MeyerHolz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 21 mwN[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 20.07.2012 – V ZR 135/11, JZ 2013, 305 Rn. 16 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 03.02.2011 – V ZB 54/10, BGHZ 188, 177 Rn. 14; BGH, Urteil vom 12.11.2009 – Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 21[↩]
- für § 72 Abs. 1 FamFG: Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 2. Aufl., § 72 Rn. 10; BeckOK-Einl. IPR/Lorenz, Edition 27, Rn. 87; Eichel, IPRax 2009, 389 ff.; Hau, FamRZ 2009, 821, 824; für § 545 Abs. 1 ZPO: Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 293 Rn. 28; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 2601; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 334 ff.; Hess/Hübner, NJW 2009, 3132 ff.; Aden, RIW 2009, 475 ff.[↩]
- zu § 72 Abs. 1 FamFG: Keidel/MeyerHolz, FamFG, 17. Aufl., § 72 Rn. 4; Roth, JZ 2009, 585, 590; zu § 545 ZPO: MünchKomm-ZPO/Krüger, ZPO, 4. Aufl., § 545 Rn. 11 f.; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 545 Rn. 7 f.; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 545 Rn. 6; HK-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 545 Rn. 10 ff.; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 34. Aufl., § 545 Rn. 8 f.; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 545 Rn. 8; BeckOKZPO/KessalWulf, Edition 9, § 545 Rn. 7; Althammer, IPRax 2009, 381, 389; Sturm, JZ 2011, 74 ff.[↩]
- Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 293 Rn. 14 mwN; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., § 31 I 1[↩]
- BT-Drucks. 16/6308, S. 210[↩]
- BT-Drucks. 16/9733 S. 290[↩]
- BT-Drucks. 16/9733 S. 301 f.[↩]
- BGBl. I S. 1887[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/9733 S. 301 f.[↩]
- Sturm, JZ 2011, 74, 75 f.[↩]
- Sturm, JZ 2011, 74, 76 f.; aA Hess/Hübner, NJW 2009, 3132, 3134[↩]
- st. Rspr., BGH, Urteile vom 25.10.2006 – VII ZB 24/06, MDR 2007, 487 f.; vom 22.06.2003 – II ZR 305/01, NJW 2003, 2685, 2686; näher Kropholler, aaO, § 31 I 2[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1944, insoweit in BGHZ 154, 288 ff. nicht abgedruckt[↩]
- Sturm, JZ 2011, 74, 76 f.[↩]
- so aber Flessner, ZEuP 2006, 737, 738 ff.; Gotsche, Der BGH im Wettbewerb der Zivilrechtsordnungen (2008), S. 161 ff.[↩]
- vgl. v. Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU-Recht, Art. 18 AEUV Rn. 29 mwN[↩]
- Sturm, JZ 2011, 74, 78; i.E. ebenso Mankowski in Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl., § 37 Rn. 76; Heinze, EuR 2008, 654, 687 Fn. 235[↩]
- BAGE 27, 99 ff.[↩]
- BayObLG, StAZ 1990, 69, 71; OLG Köln, StAZ 2012, 339, 340; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 26 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 293 Rn. 15; Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl., § 26 Rn. 18 ff.; § 30 Rn. 18[↩]
- Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 26 Rn. 26 ff.; für § 27 FGG: OLG Köln, Rpfleger 1989, 66 f.[↩]
- für § 293 ZPO st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 20.07.2012 – V ZR 135/11, JZ 2013, 305 Rn. 16 mwN; für § 26 FamFG: Keidel/Sternal, aaO, § 26 Rn. 36, § 72 Rn. 24[↩]