Mit dem Feststellungsinteresse bei einer Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in einem sogenannten Dieselfall hatte sich erneut1 der Bundesgerichtshof zu befassen:

Der Feststellungsantrag ist zwar trotz seiner weiten Formulierung hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil er sich unter Heranziehung der Klageschrift dahingehend auslegen lässt, dass es um die Ersatzpflicht der Autoherstellerin für Schäden geht, die daraus resultieren, dass die Autoherstellerin den in das Fahrzeug des Autokäufers eingebauten Motor mit der vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 als unzulässig beanstandeten Abschalteinrichtung herstellte und in den Verkehr brachte2.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Autokäufer ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ein solches Interesse ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn dem konkreten vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Autokäufers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Es fehlt, wenn dem Autokäufer eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist und sie das Rechtsschutzziel erschöpft. Trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, ist eine Feststellungsklage aber zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, ein Teil des Schadens bei Klageerhebung also schon entstanden, die Entstehung weiterer Schäden aber noch zu erwarten ist, kann der Autokäufer in vollem Umfange Feststellung der Ersatzpflicht begehren. Der Autokäufer kann in einem solchen Fall nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden. Er ist also nicht gehalten, sein Klagebegehren in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufzuspalten. Der Autokäufer muss dann auch nicht nachträglich seinen Feststellungsantrag in einen Leistungsantrag abändern, wenn dies aufgrund der Schadensentwicklung im Laufe des Rechtsstreits möglich würde, weil sich der Anspruch beziffern ließe. Welche weiteren Schäden zu befürchten sind, hat der Autokäufer darzulegen3.
Gemessen daran ist der Feststellungsantrag des Autokäufers im hier entschiedenen Fall unzulässig:
Die pauschale, auf § 256 Abs. 1 ZPO bezogene Aussage des Oberlandesgerichts Stuttgart in seinem Berufungsurteil4, der vom Autokäufer geltend gemachte Schaden sei von Anfang an und noch immer in der Entwicklung begriffen, genügt für die Annahme des Feststellungsinteresses nicht5. Denn das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und gegebenenfalls welche Schadenspositionen der Autokäufer geltend macht, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist oder bei Klageerhebung noch nicht abgeschlossen war.
Der Autokäufer kann sein Feststellungsinteresse auch nicht darauf stützen, dass er sich wie noch mit der Revisionserwiderung ausdrücklich vorgetragen die Wahl offenhalten möchte, ob er von der Autoherstellerin den sogenannten großen oder kleinen Schadensersatz verlangt. Denn diese Entscheidung war ihm bei Klageerhebung zumutbar6.
Das Feststellungsinteresse kann der Autokäufer entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht darauf stützen, dass im Rahmen einer Leistungsklage die Bezifferung des großen oder kleinen Schadensersatzes unmöglich oder unzumutbar wäre.
Den großen Schadensersatz könnte der Autokäufer, soweit er auf die Erstattung des Kaufpreises gerichtet ist, ohne Weiteres beziffern, auch wenn er sich insoweit im Rahmen des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungsvorteile von dem zu erstattenden Kaufpreis abziehen lassen muss. Denn für die Bestimmtheit eines auf den großen Schadensersatz gerichteten Klageantrags würde es genügen, wenn der Autokäufer die Bewertung der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsvorteile in das Ermessen des Gerichts stellte und lediglich die tatsächlichen Grundlagen der Ermessensausübung angäbe7.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des kleinen Schadensersatzes. Denn insoweit genügt es den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Autokäufer die Höhe des geforderten Minderwerts in das Ermessen des Gerichts stellt und zugleich einen Mindestbetrag sowie die tatsächlichen Grundlagen für die Schätzung des Schadens vorträgt, wobei der Autokäufer den Mindestbetrag selbst schätzen kann, etwa auf einen Prozentsatz des Kaufpreises8.
Auch die unbestimmte Erwartung des Autokäufers in der Revisionserwiderung, die Autoherstellerin würde aufgrund eines rechtskräftigen Feststellungsurteils ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, vermag ein Feststellungsinteresse des Autokäufers nicht zu begründen. Denn durch ein Feststellungsurteil wäre lediglich die Haftung dem Grunde nach festgestellt, während die Schadenshöhe nicht auf der Hand liegt9. Zudem hält das Berufungsgericht selbst weiteren Streit über die Höhe und die als Schadensersatz geltend gemachten Positionen ausdrücklich für wahrscheinlich.
Ein Feststellungsinteresse kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, weil der Autokäufer mehrfach darauf hingewiesen habe, dass bei Klageerhebung der Eintritt weiterer noch nicht bezifferbarer Schäden möglich gewesen sei. Denn die Revisionserwiderung vermag nicht aufzuzeigen, welche weiteren Schäden der Autokäufer konkret vorgetragen hätte.
Dabei ergibt sich Vortrag zu einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung insbesondere auch nicht aus einem Schriftsatz, dessen Inhalt sich auf eine Aufzählung von Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einen Feststellungsantrag für zulässig erachtet haben. Soweit diese Gerichtsentscheidungen darauf abstellen, dass die Entwicklung steuerlicher Aufwendungen und gewöhnlicher Unterhaltskosten noch nicht abgeschlossen sei, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Denn Aufwendungen für gewöhnliche Unterhaltskosten (Verbrauchsmaterialien, Kraftstoff, Inspektions- und Wartungskosten, Reparaturen) sind nicht ersatzfähig10. Die weiter angeführten Steuernachforderungen könnte der Autokäufer jedenfalls nicht als Schaden ersetzt verlangen, wenn er den sogenannten kleinen Schadensersatz geltend machen sollte11. Ob und inwieweit solche Aufwendungen im Rahmen des großen Schadensersatzes ersatzfähig wären, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auf eine diesbezügliche Schadensentwicklung könnte der Autokäufer sein Feststellungsinteresse schon deshalb nicht stützen, weil er sich nicht für die Geltendmachung des großen Schadensersatzes entschieden hat, obwohl ihm diese Entscheidung möglich und zumutbar war12.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Mai 2022 – VIa ZR 122/21
- im Anschluss an BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 12 f.; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 15 ff.; Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 455/20, NJW 2022, 1093 Rn. 11 ff.[↩]
- OLG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2021 – 4 U 359/20[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 29[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 16 ff.; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 22; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2021 – VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 10; Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 23[↩]
- BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 32 mwN; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 14[↩]
- BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 17, 33; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 14[↩]
- BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 33; Urteil vom 08.02.2022 – VI ZR 24/20 14[↩]