Ein anwaltliches Organisationsverschulden liegt vor, wie der Bundesgerichtshof aktuell nochmals betont, wenn ein Rechtsanwalt einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet, aber nicht anordnet, dass die Eingaben in diesen Kalender jeweils durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über einen Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls kontrolliert werden.

Der Anwalt hat grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen1. Nach diesen strengen Maßstäben ist bereits zweifelhaft, ob ein gewissenhafter Anwalt eine Computersoftware verwenden darf, bei der die Fristen für die Berufung und Berufungsbegründung nicht gleichzeitig, sondern separat einzutragen sind und eine Fehlermeldung unterbleibt, wenn das Personal zunächst ein richtiges, dann aber ein falsches Zustellungsdatum des angefochtenen Urteils eingibt. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es aber im vorliegenden Streitfall nicht entscheidend an, weil die für die Berufungsbegründung zuständige Anwältin ohnehin ein Verschulden trifft, das der Kläger sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung darf die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Ein anwaltliches Organisationsverschulden ist danach darin zu sehen, dass Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden2. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen, zumal der Ausdruck dem Schriftstück, das dem Rechtsanwalt vorzulegen ist, beigeheftet werden kann3.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Februar 2010 – XI ZB 23 und 24/08
- siehe etwa BGH, Beschluss vom 10.10.1991 – VII ZB 4/91, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 22 m.w.N.[↩]
- siehe BGH, Beschlüsse vom 20.02.1997 – IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 12.10.1998 – II ZB 11/98, BB 1998, 2603 und vom 12.12.2005 – II ZB 33/04, MDR 2006, 539, 540 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005, aaO, S. 540[↩]