Die Bestellung einer Grunddienstbarkeit gibt nur in besonderen Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung einer Baulast.

Denkbar ist insoweit ein Anspruch aus einem durch die Bestellung der Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB. Ein entsprechender Anspruch ist nur dann gegeben, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen einen Vorrang der Interessen des die Baulast begehrenden Teiles, hier der Nachbar, ergibt1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zwecke bestellt wurde,
- das Grundstück baulich zu nutzen,
- dass die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist,
- dass eine Befreiung vom Baulastzwang nicht in Betracht kommt,
- ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen, und
- ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen.
Die Grunddienstbarkeit muss zu dem Zweck bestellt worden sein, dass den Nachbarn gehörende Flurstück baulich zu nutzen.
Vorliegend wurde das ursprüngliche Wegerecht aus dem Jahr 1955 war bestellt, um eine bauliche Nutzung zu ermöglichen. Eine Bebauung mit einem Einfamilienhaus ist auch entsprechend erfolgt. Die weitere Grunddienstbarkeit, das Leitungsrecht aus dem Jahr 2009, wurde jedoch schon nicht mehr zum Zwecke der baulichen Nutzung bestellt. Etwas anderes haben die Nachbar jedenfalls nicht hinreichend dargelegt. Der Grundstückseigentümer hat insoweit behauptet, die Grunddienstbarkeit sei nicht zum Zwecke der baulichen Nutzung bestellt worden. Denn das fragliche Grundstück sei bereits mit einem Einfamilienhaus bebaut gewesen und habe nicht erst erschlossen werden müssen. Die Voreigentümerin habe lediglich auf Hinweis ihres Maklers eine weitere Absicherung durch eine Grunddienstbarkeit hinsichtlich der Ver- und Entsorgungsleitungen erlangen wollen, um das Grundstück besser verkaufen zu können. Die Nachbarn haben insoweit in Übereimstimmung mit dem Vortrag des Grundstückseigentümers angegeben, der Voreigentümerin bewusst nicht gesagt zu haben, was sie mit dem Haus vorhatten. Sie hätten zwar von Anfang an eine Neubebauung vorgesehen, wollten dies aber der alten Dame, die viele Jahre in dem Haus gelebt habe, nicht sagen. Abzustellen ist aber auf die Kenntnis der Voreigentümerin. Wenn diese von den Bauplänen der potentiellen Käufer nichts gewusst hat, fehlt es bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit 2009 schon an dem Erfordernis einer Bestellung zum Zwecke der (weiteren) baulichen Nutzung.
Aus der ursprünglichen Grunddienstbarkeit aus dem Jahr 1955 können die Nachbar indes keine Rechte zur Bewilligung einer Baulast herleiten. In den vom Bundesgerichtshof bisher zu entscheidenden Fällen kam es auf eine besonders vorgesehene Art der baulichen Nutzung nicht an2. Gleichwohl ist im Rahmen einer Interessenabwägung und einer Entscheidung im Rahmen des § 242 BGB, der einen Anspruch nur in Ausnahmefällen zulässt, zu differenzieren, welche Art der Bebauung die Vertragsparteien, d.h. die Parteien der Bestellung der Grunddienstbarkeit, vor Augen hatten. Das Wegerecht aus dem Jahr 1955 mag zwar zum Zwecke der baulichen Nutzung bestellt worden sein. Entsprechend wurde das Grundstück auch mit einem Einfamilienhaus bebaut. Eine spätere bauliche Nutzung des Grundstücks für die Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus (statt eines Einfamilien- oder Zweifamilienhauses) war jedoch weder 1955 noch 2009 für die Rechtsvorgänger des Grundstückseigentümers erkennbar. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Nachbar haben auch nichts anders vorgetragen. Allein aus der Tatsache, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte unmittelbar angrenzend an die Grundstücke der Parteien eine Bebauung mit Mehrfamilienhäusern stattgefunden hat, kann nicht auf den entsprechenden Willen und die Zustimmung der Rechtsvorgänger des Grundstückseigentümers auf Bewilligung eines Wege- und Leitungsrechts zum Zwecke der Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus, geschlossen werden. Eine Wohnraumverknappung in der Stadt, die ein vermehrtes Bedürfnis nach der Entstehung von Mehrfamilienhäusern entstehen lässt, dürfte als Motiv für die Rechtsvorgänger nicht ausschlaggebend gewesen sein.
Im Übrigen fehlt es aber auch an den weiteren für einen Anspruch aus § 242 BGB erforderlichen Voraussetzungen.
Weitere Voraussetzung für einen Anspruch aus § 242 BGB ist nämlich, dass die Übernahme der begehrten Baulast zwingende Voraussetzung für eine Bebauung des Grundstücks der Nachbar ist. Auch daran fehlt es hier. Denn eine Bebauung mit einem Zweifamilienhaus ist unstreitig auch ohne Bestellung einer Baulast möglich. Lediglich der Bau eines Mehrfamilienhauses erfordert die Bestellung einer Baulast.
Schließlich bestand für die Voreigentümer bei der Bestellung der Grunddienstbarkeiten auch ausreichend Anlass, die Übernahme einer Baulast in Erwägung zu ziehen. Nur wenn kein Anlass bestand, eine Baulast zu bestellen, wie in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, in denen die Grunddienstbarkeiten vor Einführung des Rechtsinstituts der Baulast (in Niedersachsen 1973) bestellt worden waren, könnte eine solcher Anspruch gegeben sein. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Anlässlich der Bestellung der Grunddienstbarkeit 2009 hätte durchaus Anlass bestanden zugleich eine Baulast zu bestellen. Das Rechtsinstitut der Baulast war bekannt und auch das Bedürfnis von Käufern und Bauherren Grundstücke möglichst mit Mehrfamilienhäusern zu bebauen. Gleichwohl ist eine Baulast nicht bestellt worden. Bei entsprechenden Überlegungen und Planungen hätte ausreichend Anlass bestanden auch eine Baulast einzutragen. Die Rechtsvorgänger des Grundstückseigentümers durften daher zu Recht davon ausgehen, dass für die Erforderlichkeit einer Baulast kein Bedürfnis besteht und haben deshalb auch nur der Bestellung einer Grunddienstbarkeit zugestimmt haben. Diese jetzt im Nachhinein dergestalt zu erweitern, dass der Rechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer, der Eintragung einer Baulast zustimmen muss, erscheint nicht interessengerecht und würde einseitig zu Lasten des Grundstückseigentümers gehen.
Schließlich erscheint die Bewilligung einer Baulast dem Grundstückseigentümer im Rahmen einer Interessenabwägung auch nicht zumutbar. Zwar ist die unmittelbare Umgebung um das Haus des Grundstückseigentümers durch eine Mehrfamilienhausbebauung geprägt. Auch soll das Grundstück bei der Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus weiterhin für Wohnzwecke genutzt werden. Gleichwohl ist die Beeinträchtigung des Grundstückseigentümers durch die Errichtung eines Mehrfamilienhauses nicht unerheblich. Das geplante Mehrfamilienhaus steht im Süden des Grundstücks des Grundstückseigentümers, so dass von dem geplanten Haus eine erhebliche Beschattung ausgehen dürfte. Zwar ist grundsätzlich eine Zweifamilienhausbebauung auch ohne Bewilligung einer Baulast möglich und ein solches zulässiges Haus wäre nach dem Vortrag der Nachbar nur einen Meter niedriger als das geplante Mehrfamilienhaus. Bei der Beschattung eines relativ kleinen Grundstücks kann ein um einen Meter höheres Haus jedoch bereits eine erheblich nachteilige Rolle spielen. Zugleich ist bei einem Mehrfamilienhaus mit mehr Unruhe zu rechnen, als bei einem Zweifamilienhaus. Dies stellt im Vergleich zu den eher wirtschaftlichen Einschränkungen der Nachbar bei der Ausnutzung des Grundstücks im Rahmen einer Interessenabwägung eine unzumutbare Mehrbelastung für den Grundstückseigentümer dar.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 10. Januar 2014 – 11 U 66/13