Haftung eines Fluggastes für Schäden eines anderen Fluggastes

Es besteht keine Haftung des Fluggastes für körperliche Beschwerden und Folgeaufwendungen eines anderen Fluggastes, der wegen des fahrlässigen Fehlverhaltens des Fluggastes (hier: das Öffnen des Notausstieges eines Flugzeugs) eine Gesundheitsbeeinträchtigung erleidet und den Flug nicht durchführt.

Haftung eines Fluggastes für Schäden eines anderen Fluggastes

Im Sinne der Äquivalenztheorie (Gleichwertigkeit aller in Betracht kommender Ursachen) war zwar das Handeln des Beklagten für die Aufregung des Klägers kausal, aber bereits bei der die Haftung begrenzenden Adäquanzbetrachtung ist problematisch, ob im Alltag ein unvorsichtig Handelnder damit rechnen muss, dass allein das Handeln des Beklagten und das Betroffensein des Klägers als Mitreisender, hier: Verzögerung des Fluges um 5½ Stunden, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe legt, dass ein Mensch sich über diesen Vorgang so aufregt, dass er fluguntauglich wird.

Das Gericht hat hieran große Zweifel. Bei der weiteren, die Haftung begrenzenden, wertenden Betrachtung, nämlich ob ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem fahrlässigen Hantieren des Beklagten in der Nähe des Auslösungsmechanismusses der Notrutsche und der daran anschließenden Gesundheitsverschlechterung des Klägers besteht, ist festzustellen, dass das Jedermann einsichtige Verbot, sich nicht mit dem Auslösungsmechanismus hantierend zu beschäftigen, bevor ein Notfall eingetreten ist, nicht den Schutz bezweckt, einen unter einem labilen Gesundheitszustand leidenden Mitreisenden (was die anderen Mitreisenden nicht wissen) davor zu bewahren, dass der Mitreisende sich über dieses Tun aufregt und keinerlei Herzbeschwerden erleidet.

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Würde das Gericht die von dem Kläger gewünschte Haftung bejahen, würde die dem deutschen Schadensrecht eigene Begrenzung der erstattungsfähigen Schäden aufgebrochen, die Haftung jedes Einzelnen bei fahrlässigem Handeln in Alltagssituationen würde ins Unermessliche steigen.

Amtsgericht Nürtingen, Urteil vom 24. Januar 2011 – 11 C 2077/10

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