Ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht als Anlieger die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, ist regelmäßig nicht aus dem Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 1 BGB verpflichtet, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.

Entsprechendes gilt für die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers aus § 823 Abs. 1 BGB.
Dem Besucher eines Mieters, der auf einem nicht geräumten Zuweg ausrutscht, stehen in einem solchen Fall daher gegen die Grundstückseigentümerin keine Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld – weder aufgrund einer Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten (§ 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 253 BGB) noch wegen einer Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten (§ 823 Abs. 1, § 253 BGB) – zu. Denn die Grundstückseigentümerin (Vermieterin) ist nicht verpflichtet, den nicht geräumten Streifen des Gehwegs im Bereich des Grundstückseingangs zu räumen und zu streuen.
Dabei geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Besucher in den Schutzbereich des zwischen der Grundstückseigentümerin und der Mieterin geschlossenen Mietvertrags miteinbezogen war [1], so dass grundsätzlich neben deliktischen Ansprüchen wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht auch entsprechende vertragliche Schadensersatzansprüche (§ 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1 BGB) in Betracht kommen.
Vertragliche Ansprüche des Besuchers scheitern aber – ebenso wie deliktische Ansprüche – daran, dass der Grundstückseigentümerin eine Pflichtverletzung nicht zur Last fällt.
Allerdings ist der Vermieter aus dem Mietvertrag heraus verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zur Mietsache zu gewähren [2]. Die dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht erstreckt sich auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile wie Zugänge und Treppen [3] und insbesondere darauf, dass sich diese Räume und Flächen in einem verkehrssicheren Zustand befinden. Dazu gehört es grundsätzlich, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum in den Wintermonaten zu räumen und zu streuen [4].
Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks im Übrigen auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung eines Verkehrs etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten.
Vorliegend ist der Besucher indes nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter einer Wohnung gegenüber seinen Mietern obliegende Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich jedoch grundsätzlich auf den Bereich des Grundstücks des Vermieters [5]. Entsprechendes gilt für die allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde nicht auf die Eigentümer (Anlieger) übertragen worden ist. Insoweit war im vorliegenden Fall aber rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen hier allein bei der Stadt und nicht bei der insoweit vom Winterdienst befreiten Grundstückseigentümerin lag.
Im hier entschiedenen Fall meinte der Besucher aber, dass für den nicht geräumten schmalen Streifen des Gehwegs im unmittelbaren Eingangsbereich (Hoftor) zum Grundstück der Grundstückseigentümerin etwas anderes zu gelten habe. Die Grundstückseigentümerin müsse jedenfalls ihren Mietern und den in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogenen Personen den sicheren Zugang zu und von der vermieteten Wohnung gewährleisten. Hieraus folgert die Revision, dass die Grundstückseigentümerin auch den von der Streithelferin nicht geräumten Teil des öffentlichen Weges an der Grundstücksgrenze hätte räumen und streuen müssen [6]. Die Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers könne nicht an der Grundstücksgrenze enden, vielmehr müssten auch „Zugänge auf öffentlichen Flächen“ gewissermaßen „als Bestandteile des Grundstücks im Sinne der Verkehrssicherungspflicht“ angesehen werden, auf die sich die Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers und insbesondere des Vermieters regelmäßig erstrecke.
Damit drang er vor dem Bundesgerichtshof jedoch nicht durch. Er verkennt, dass der Vermieter bezüglich des öffentlichen Gehwegs weder eine vertragliche Schutzpflicht übernommen noch eine – eine deliktische Verkehrssicherungspflicht auslösende – Gefahrenquelle geschaffen hat. Zuständig für die Sicherheit des öffentlichen Gehwegs ist hier allein die Gemeinde, die diese Pflicht nicht an den Anlieger und Vermieter delegiert hat. Vor diesem Hintergrund kann eine Ausweitung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters über die Mietsache hinaus allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher – hier nicht gegebener – Umstände in Betracht kommen.
Zwar hat das Reichsgericht in einer Entscheidung [7] eine Ausdehnung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters in einem Fall angenommen, in dem das vermietete Gebäude auf einem noch nicht erschlossenen Grundstück errichtet worden war und für die Mieter mangels eines auch nur behelfsmäßigen Zugangs vom Grundstück zur nächstgelegenen Straße eine besondere Gefahrenlage bestand.
An einer solchen – zudem vom Vermieter verursachten – gesteigerten Gefahrenlage fehlt es hier aber. Insoweit stellte der Bundesgerichtshof darauf ab, dass der Besucher vom Grundstück der Grundstückseigentümerin lediglich einen schmalen Streifen des Gehwegs überqueren musste, um zu dem geräumten Bereich zu gelangen, also mit entsprechender besonderer Vorsicht allenfalls wenige Schritte zu gehen hatte. Dass dies als zumutbar angesehen und eine „ergänzende“ Räumungspflicht der Grundstückseigentümerin für das „Anschlussstück“ des Gehwegs verneint wird, ist für den Bundesgerichtshof aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Diese vom BGH abgelehnte Ansicht verkennt im Übrigen, dass der Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht uneingeschränkt danach auszurichten hat, jedwede Gefahr des Ausgleitens für Fußgänger unter allen Umständen völlig auszuschließen. Die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, enthebt den Fußgänger nicht der eigenen Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen [8]. Bezüglich des erforderlichen Umfangs des Winterdienstes sind neben der Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges und der Gefährlichkeit und Stärke des Verkehrs auch Gesichtspunkte der Zumutbarkeit für die Sicherungspflichtigen zu berücksichtigen [9].
So ist es bei Gehwegen von der Rechtsprechung seit jeher als ausreichend erachtet worden, einen Streifen von 1 bis 1, 20 m zu räumen, sofern nicht besondere Gefahrenstellen oder stark frequentierte Stellen wie Haltestellen und Bahnhöfe betroffen sind [10]. Insbesondere ist es regelmäßig nicht erforderlich, den Gehweg bis zum Gehwegrand (und damit bis zur Grenze des sich daran anschließenden Grundstücks) zu räumen [11]. Hieraus ergibt sich, dass ein Fußgänger im Einzelfall auch eine kurze Distanz auf einem nicht geräumten Teil des Gehwegs zurücklegen muss [12]. Lässt er hierbei nicht die von ihm zu verlangende Sorgfalt walten, verwirklicht sich insoweit sein allgemeines Lebensrisiko [13].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Februar 2018 – VIII ZR 255/16
- vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 10.01.1968 – VIII ZR 104/65, MDR 1968, 402 unter A 1 a[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 15.06.1988 – VIII ZR 183/87, NJW-RR 1989, 76 unter 3 a mwN; vom 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, NJW 2009, 143 Rn. 13[↩]
- BGH, Urteil vom 19.10.1966 – VIII ZR 93/64, NJW 1967, 154 unter 2 a; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 46/06, NJW 2007, 146 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 22.12 1964 – VI ZR 212/63, VersR 1965, 364 unter 3; vom 12.07.1968 – VI ZR 134/67, VersR 1968, 1161 unter – II 1; vom 26.01.1977 – VIII ZR 208/75, VersR 1977, 431 unter II; vom 15.06.1988 – VIII ZR 183/87, aaO; vom 22.01.2008 – VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rn. 11[↩]
- vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 13. Aufl., § 535 BGB Rn. 139; RGZ 165, 155, 159[↩]
- so wohl auch Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 535 Rn. 350[↩]
- RGZ 165, 155[↩]
- BGH, Urteil vom 09.10.2003 – III ZR 8/03, NJW 2003, 3622 unter 4 c aa[↩]
- BGH, Urteile vom 23.07.2015 – III ZR 86/15, VersR 2016, 63 Rn. 10; vom 12.06.2012 – VI ZR 138/11, NJW 2012, 2727 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. zum Ganzen nur BGH, Urteile vom 13.07.1967 – III ZR 165/66, VersR 1967, 981 unter – II 1 b; vom 27.01.1987 – VI ZR 114/86, NJW 1987, 2671 unter – II 2 a; vom 09.10.2003 – III ZR 8/03, aaO; OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 23; vgl. ferner BGH, Urteil vom 22.11.1965 – III ZR 32/65, NJW 1966, 202, 203[↩]
- vgl. OLG Nürnberg, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.11.1965 – III ZR 32/65, aaO; siehe auch BayObLG VersR 1991, 666, 667[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2006 – VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326 Rn. 7 f. [zum Austausch eines Glasausschnitts einer Zimmertür]; vgl. auch BGH, Urteil vom 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, aaO Rn. 18 [zur Inspektion von Elektroleitungen][↩]
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