Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes1. Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen2.

Auslegung und Anwendung der §§ 114 f. ZPO obliegen dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Verfassungsrecht wird jedoch dann verletzt, wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen. Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird.
Hiernach dürfen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können3. Zwar muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann4. Ist dies nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit hingegen nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten4. Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen5.
Die Erfolgsaussichten werden im Fall einer ungeklärten Rechtslage auch dann in verfassungswidriger Weise verneint, wenn das Fachgericht im Prozesskostenhilfeverfahren der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen Norm nur deshalb keine Bedeutung für die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren beimisst, weil es irrtümlich davon ausgeht, die verfassungsrechtliche Frage könne im Hauptsacheverfahren einer Klärung im Wege des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht nicht zugeführt werden. Spricht das Fachgericht der für die Erfolgsaussicht des Begehrens erheblichen Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Norm die fachgerichtliche Entscheidungsrelevanz in der unzutreffenden Annahme ab, die Verfassungswidrigkeit sei aus verfassungsprozessrechtlichen Gründen ohnehin nicht feststellbar, trifft es die fachrechtlich gebotene, überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht auf fehlerhafter Grundlage. Damit wird der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und darauf hinzuwirken, dass er von dort gegebenenfalls im Wege des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vor das Bundesverfassungsgericht gebracht wird.
Danach hätte das Oberlandesgericht der Beschwerdeführerin die Verfahrenskostenhilfe nicht mit der gewählten Begründung verweigern dürfen.
Das Oberlandesgericht nimmt aufgrund unzutreffender Erwägungen an, die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen könnten mangels prozessualer Klärungsmöglichkeit schon deshalb nicht im Sinne der Beschwerdeführerin entschieden werden, weil eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht möglich sei. Zwar geht das Oberlandesgericht zu Recht davon aus, dass schlichtes gesetzgeberisches Unterlassen nicht Gegenstand einer Vorlage sein kann6. Dagegen ist eine Vorlage aber möglich, wenn der Gesetzgeber auf einem Rechtsgebiet bereits tätig geworden ist und ein Gericht die geschaffenen Vorschriften angesichts einer grundrechtlichen Schutzpflicht für unzureichend hält7. Entsprechend hält das Bundesverfassungsgericht Vorlagen auch dann für zulässig, wenn das vorlegende Gericht die unterlassene Einbeziehung weiterer Tatbestände in eine begünstigende Regelung als Verletzung staatlicher Schutzpflichten betrachtet8.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruht auf dem Verstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht bei Beachtung der sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG ergebenen Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Soweit die Beschwerdeführerin außerdem eine Verletzung ihres durch das Grundgesetz und die Europäische Konvention für Menschenrechte garantierten Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht darlegt, inwiefern sie durch die Versagung der Verfahrenskostenhilfe ausnahmsweise in diesem Recht verletzt sein könnte. Insoweit wird sie auf das vorrangige fachgerichtliche Hauptsacheverfahren verwiesen, mit dem sie ihren Anspruch auf rechtsfolgenlose Klärung ihrer Abstammung verfolgt und das, soweit aus den Akten ersichtlich, noch nicht abgeschlossen ist.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 1 BvR 2004/10
- vgl. BVerfGE 9, 124, 131; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, 357[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14.07.1993 – 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, S. 241, 242[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 347, 359[↩][↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10.08.2001 – 2 BvR 569/01 -, DVBl 2001, S. 1748, 1750; BVerfGK 8, 213, 217; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060, 1061[↩]
- vgl. E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl.2012, § 24 Rn. 790; Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 80 Rn. 45[↩]
- vgl. Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 80 Rn. 46 f.; Ulsamer, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 80 Rn. 140 ff., Februar 2012[↩]
- vgl. nur BVerfGE 112, 74; 117, 316; 127, 263[↩]