Bei Übermittlung eines Prozesskostenhilfeantrags durch Telefax muss ein Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshof lag ein „missglücktes“ Berufungsverfahren zugrunde: Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist zur Berufungsbegründung hatte die Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und einen – ausdrücklich so bezeichneten und nicht von der Prozessbevollmächtigten unterschriebenen – Entwurf einer Berufungsbegründung per Telefax beim Berufungsgericht eingereicht. Zugleich hat sie für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das ausgefüllte Formular mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin fehlte allerdings bei dem Fax und ist erst einige Tage später zusammen mit dem Originalschreiben der Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen.
Das Berufungsgericht lehnte daraufhin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ab und verwarf die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig. Zu Recht, wie der Bundesgerichtshof befand:
Die Berufung ist nicht fristgemäß begründet worden, weil am letzten Tag der Frist zur Berufungsbegründung lediglich ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und ein – ausdrücklich so bezeichneter und nicht vom Prozessbevollmächtigten unterschriebener – Entwurf einer Berufungsbegründung per Fax eingereicht worden ist.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte nicht erfolgen, weil die Frist zur Begründung der Berufung nicht unverschuldet versäumt worden ist. Unterbleibt die fristgerechte Rechtsmittelbegründung wegen wirtschaftlichen Unvermögens, ist die Frist unverschuldet versäumt, wenn die Partei bis zu deren Ablauf einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag einreicht oder der ohne Verschulden der Partei unvollständige Antrag innerhalb der Frist des § 234 ZPO ergänzt wird1.
Der Berufungskläger hat die zu einem vollständigen Prozesskostenhilfeantrag gehörende Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 117 Abs. 2, 4 ZPO) nicht bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt, sondern den Prozesskostenhilfeantrag ohne Beifügung einer solchen Erklärung an das Gericht gefaxt.
Der vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt auch nicht die Annahme, dass ihn an der verspäteten Vorlage kein Verschulden trifft, denn dem Kläger ist gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Ein Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass der Prozesskostenhilfeantrag vollständig mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der entsprechenden Belege innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Bei Übermittlung eines Prozesskostenhilfeantrags durch Telefax muss er durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass eine Überprüfung erfolgt, ob der Antragsschriftsatz mit den erforderlichen Anlagen auch wirklich vollständig übermittelt worden ist2. Über die konkrete Übermittlung muss ein Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden3.
Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand, die sich aus dem Sendebericht ergebenden Seitenzahlen mit denen der Originalvorlagen zu vergleichen oder dass insoweit eine Einzelanweisung an die damalige Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Dieser hat vielmehr insoweit nur vorgetragen, dass diejenige Mitarbeiterin, die zur Fristwahrung die Schriftsätze an das Gericht faxte und/oder per Gerichtspost versandte, vorher abschließend zu prüfen hatte, ob diese vollständig und alle Anlagen beigefügt waren. Dies beinhaltet nicht die Kontrolle, ob nach den im Sendeprotokoll angegebenen Seitenzahlen dem Telefax tatsächlich die entsprechenden Unterlagen beigefügt waren oder – wie hier unstreitig – nur eine Übersendung des Prozesskostenhilfeantrags ohne Anlagen erfolgt ist. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die unvollständige Vorlage des Prozesskostenhilfeantrags auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen ist, da bei einer entsprechenden Kontrolle des Sendeprotokolls festgestellt worden wäre, dass die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers nicht mit übersandt worden ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Juni 2010 – VI ZA 3/09
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 21.02.2002 – IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180; vom 31.08.2005 – XII ZB 116/05, NJW-RR 2006, 140, 141; vom 22.02.2007 – VII ZA 7/06, FamRZ 2007, 809[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.03.2001 – V ZB 5/01, NJW-RR 2001, 1072; vom 22.02.2007 – VII ZA 7/06, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1994 – V ZR 62/93, NJW 1994, 1879 f.; Beschlüsse vom 13.06.1996 – VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513; vom 08.03.2001 – V ZB 5/01, aaO; vom 07.05.2001 – II ZB 16/00, BGH-Report 2001, 809; vom 22.02.2007 – VII ZA 7/06, aaO[↩]