Eine große Verspätung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück und befreit damit von der Verpflichtung zu einer Ausgleichsleistung, wenn sie durch dem Luftverkehrsunternehmen in der gegebenen Situation (hier: nach Startabbruch infolge Vogelschlags) mögliche und zumutbare Maßnahmen nicht vermieden werden konnte. Das Luftverkehrsunternehmen muss Art, Umfang und zeitlichen Ablauf der konkreten Maßnahmen darlegen, die es nach dem Eintritt des Ereignisses getroffen hat, um den Flug so bald wie möglich durchzuführen.

Ein durch Vogelschlag verursachter Turbinenschaden, der den Abbruch des Starts oder die Notlandung des Flugzeugs erzwingt, ist geeignet, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu begründen, die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ausschließen können. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden [1].
Gegebenheiten wie der in Rede stehende Vogelschlag begründen nur dann außergewöhnliche Umstände, auf die die Annullierung oder große Verspätung zurückgeht, wenn das Luftverkehrsunternehmen trotz Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen die Annullierung oder große Verspätung nicht verhindern kann oder sie auch mit diesen Maßnahmen nicht hätte verhindern können [2].
Zu Art und Umfang in Betracht kommender zumutbarer Maßnahmen hat sich der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen vom 12.06.2014 [3] geäußert. Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich danach nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen [4]. Es kommt zum einen darauf an, welche Vorkehrungen ein Luftverkehrsunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs geringfügige Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im Wesentlichen einzuhalten. Zum anderen muss das Luftverkehrsunternehmen, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung tatsächlich eintritt oder erkennbar einzutreten droht, alle ihm in dieser Situation zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass hieraus eine Annullierung oder große Verspätung resultiert. Hingegen begründet die Fluggastrechteverordnung keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von Ersatzflugzeugen zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können [5].
Die dem Luftverkehrsunternehmen möglichen Maßnahmen stehen nicht zur Darlegungslast des Fluggastes. Vielmehr muss das Luftverkehrsunternehmen Art, Umfang und zeitlichen Ablauf der konkreten Maßnahmen darlegen, die es nach dem Eintritt des Ereignisses, das außergewöhnliche Umstände begründen kann, getroffen hat, um eine drohende große Verspätung des Flugs zu vermeiden. Nur dann kann der Fluggast hierzu Stellung nehmen und das Gericht beurteilen, ob das Luftverkehrsunternehmen die im Einzelfall gebotenen Maßnahmen getroffen hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. September 2014 – X ZR 102/13
- BGH, Urteil vom 24.09.2013 – X ZR 160/12, NJW 2014, 861 = RRa 2014, 25 mwN[↩]
- EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 22; BGHZ 194, 258 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteile vom 12.06.2014 – X ZR 121/13, MDR 2014, 1130; und – X ZR 104/13[↩]
- EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia Rn. 40, 42; Urteil vom 12.05.2011 C294/10, NJW 2011, 2865 = RRa 2011, 125 Egl?tis und Ratnieks/Air Baltic Rn. 30[↩]
- im Einzelnen hierzu BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 21 bis 25[↩]