Der Veranstalter eines Reit- und Springturniers haftet für die infolge der Verwendung ungeeigneter Fangständer eingetretene Verletzung eines Reitpferdes, wie jetzt der Bundesgerichthof entschied: Der Veranstalter schuldet gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 276, 278 BGB in Verbindung mit §§ 661, 657 BGB wegen einer von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung Schadensersatz in Höhe des Wertes des verletzten Reitpferdes.

Die Veranstaltung des Reit- und Springturniers ist als Preisausschreiben – einen Unterfall der Auslobung – einzuordnen (§§ 661, 657 BGB). Diese rechtliche Qualifizierung ist für sportliche Wettkämpfe, bei denen Preise verliehen werden, mithin auch für die Durchführung von Reit- und Springturnieren, weithin anerkannt1.
Zwar handelt es sich bei einem Preisausschreiben (Auslobung) um ein einseitiges Rechtsgeschäft2. Unbeschadet dessen bestehen zwischen dem auslobenden Turnierveranstalter und den Teilnehmern jedoch schon im Vorfeld der eigentlichen Sachentscheidung durch das Preisgericht Rechtsbeziehungen im Sinne einer schuldrechtlichen Sonderverbindung, aus der (Neben-)Pflichten hinsichtlich der sorgfältigen und ordnungsgemäßen Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbs und hinsichtlich des Schutzes der Teilnehmer vor Gefahren, mit denen sie nicht zu rechnen brauchen, erwachsen (§ 241 Abs. 2 BGB)3.
In diesem Zusammenhang können nach den anerkannten allgemeinen Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch Schutzpflichten gegenüber Dritten begründet werden; ein „echtes Vertragsverhältnis“ ist für einen solchen Drittschutz nicht erforderlich, eine schuldrechtliche Sonderverbindung genügt (vgl. § 311 Abs. 2 BGB)4. Somit begegnet die Annahme, dass der Kläger als Eigentümer des verletzten Pferdes „F. “ in den Schutzbereich des zwischen der Tochter des Klägers (als Turnierteilnehmerin) und dem das Turnier veranstaltenden beklagten Verein bestehenden Rechtsverhältnisses einbezogen worden sei, keinen Bedenken.
Der Veranstalter eines Reit- und Springturniers ist verpflichtet, eine geeignete Wettkampfanlage zur Verfügung zu stellen, die keine Gefahren aufweist, die über das übliche Risiko hinausgehen und mit denen die Turnierteilnehmer nicht zu rechnen brauchen5. Dabei sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind6.
Nach diesen Maßgaben ist eine Pflichtverletzung des Beklagten darin zu sehen, dass der bei dem betroffenen Kombinationshindernis aufgestellte Fangständer in seiner konkreten Verwendung nicht den Anforderungen an eine geeignete Wettkampfanlage gerecht geworden und hierdurch ein für die Turnierteilnehmer nicht vorhersehbares Sicherheitsrisiko geschaffen worden ist.
Dabei sind der Parcourschef und der Turnierrichter als Erfüllungsgehilfen des das Turnier veranstaltenden beklagten Vereins im Sinne von § 278 BGB einzuordnen.
§ 278 BGB findet anerkanntermaßen auf jede rechtliche Sonderverbindung, also auch auf Schuldverhältnisse außerhalb „echter Verträge“, Anwendung. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verpflichtung als seine Hilfsperson tätig wird; im Gegensatz zum Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB kommt es hierbei nicht auf die Bindung an Weisungen des Schuldners an7. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kommt demnach auch ein Preisrichter als tauglicher Erfüllungsgehilfe des Auslobenden (Wettbewerbsveranstalters) in Betracht8. Entsprechendes gilt für den bei der Turniervorbereitung und Turnierdurchführung eingesetzten Parcourschef. Der Einwand, der Veranstalter sei bei dem Einsatz dieser Personen an die Vorgaben der Reitverbände gebunden gewesen und habe insoweit nur über einen sehr eingeschränkten Spielraum verfügt, steht der Anwendung von § 278 BGB nicht entgegen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. September 2010 – III ZR 246/09
- BGH, Urteil vom 06.04.1966 – Ib ZR 82/64, MDR 1966, 572 [Galopprennen]; OLG Köln, VersR 1997, 125, 126 [Reitturnier]; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 661 Rn. 1; Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl., § 661 Rn. 1; Staudinger/Bergmann, BGB [2006], § 661 Rn. 9[↩]
- BGH, Urteil vom 23.09.1982 – III ZR 196/80, NJW 1983, 442, 443; OLG Köln, aaO; Palandt/Sprau, aaO § 657 Rn. 1; MünchKommBGB/Seiler, 5. Aufl., § 657 Rn. 4; a.A. Staudinger/Bergmann aaO § 657 Rn. 13 f und § 661 Rn. 4 [Vertrag][↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 23.09.1982, aaO; und vom 09.06.1983 – III ZR 74/82, NJW 1984, 1118; OLG Köln, aaO; Palandt/Sprau aaO § 661 Rn. 4; Seiler aaO § 661 Rn. 11, 12; Bergmann aaO § 661 Rn. 14, 22; Ehmann aaO § 661 Rn. 1[↩]
- siehe zur Anwendbarkeit auf vorvertragliche Rechtsbeziehungen etwa BGH, Urteile vom 28.01.1976 – VIII ZR 246/74, BGHZ 66, 51, 56; und vom 13.02.2003 – IX ZR 62/02, NJW-RR 2003, 1035, 1036; Palandt/Grüneberg, aaO, § 328 Rn. 15; zur Anwendbarkeit auf öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnisse: BGH, Urteil vom 14.12.2006 – III ZR 303/05, NJW 2007, 1061, 1062 Rn. 9 f[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 03.06.2008 – VI ZR 223/07, NJW 2008, 3775, 3776 Rn. 10; OLG Köln, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2008, aaO Rn. 9 m.w.N.[↩]
- siehe etwa BGH, Urteile vom 08.02.1974 – V ZR 21/72, BGHZ 62, 119, 124 f [Notar]; vom 09.10.1986 – I ZR 138/84, BGHZ 98, 330, 334 [Steuerberater]; und vom 24.11.1995 – V ZR 40/94, NJW 1996, 451 [Makler] m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 23.09.1982, aaO; Seiler, aaO § 661 Rn. 12[↩]
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