Verjährungshemmung per Güteantrag

Ein Güteantrag vermag die Verjährung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs bereits dann zu hemmen, wenn die Vertragsparteien, das Vertragsverhältnis, die Pflichtverletzung und das Begehren hinreichend zu erkennen sind. Einer Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs bedarf es ebenso wenig wie eines detaillierten Sachvortrags.

Verjährungshemmung per Güteantrag

Schadenersatzansprüche verjähren, wenn nicht Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit betroffen sind, spätestens zehn Jahre nach ihrer Entstehung, § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Maßgeblich für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ist die Entstehung des Anspruchs. Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung und Verletzung von Aufklärungspflichten aus Beteiligungsverträgen entstehen nach ständiger Rechtsprechung bereits mit dem Erwerb der Anlage1.

Die Verjährung wird jedoch durch Eingang des Güteantrags des Gläubigers bei der Gütestelle gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wirksam gehemmt.

Die Anforderungen, die an einen Güteantrag zu stellen sind, damit er wirksam die Verjährung hemmen kann, sind umstritten. Grundsätzlich muss der mit der Klage geltend gemachte Anspruch Gegenstand des Güteverfahrens gewesen sein. Demnach muss im Güteantrag ein bestimmter Streitgegenstände benannt werden, eine Hemmung pauschal aller denkbaren Ansprüche zwischen den Parteien ist nicht möglich2. Soweit daraus freilich der Schluss gezogen wird, der Streitgegenstand des Güteverfahrens müsse so genau bezeichnet sein, wie in der Klage und dies setze einen bezifferten Antrag und die konkrete Darstellung eines Lebenssachverhalts (hier: einer konkreten, individualisierten Pflichtverletzung) voraus, kann dem nicht gefolgt werden3.

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Die Anforderungen an die Darstellung des Streitgegenstandes sind im Rahmen der Verjährungshemmung nach § 204 BGB nicht an § 253 ZPO zu messen4.

Grundsätzlich grenzt das Begehren des Gläubigers den Streitgegenstand ein. Die Hemmung erfasst sämtliche Ansprüche, auf die das Begehren des Antragstellers/Klägers gestützt werden könnte. Die für diese Ansprüche entscheidungserheblichen Tatsachen müssen jedoch nicht sogleich schlüssig behauptet und substantiiert vorgetragen werden5. Auch im Vergleich mit anderen Hemmungstatbeständen sind keine höheren Anforderungen an einen Güteantrag zu stellen. So hemmt auch eine unzulässige, unschlüssige oder unsubstantiierte Klage die Verjährung6. Es reicht – entsprechend dem Mahnverfahren – eine Bezeichnung und Individualisierung des Rechtsverhältnisses oder des zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes insoweit aus, als für den Schuldner erkennbar ist, welcher Anspruch gegen ihn überhaupt geltend gemacht wird7.

Der Güteantrag muss lediglich die in der einschlägigen Verfahrensordnung vorgesehenen Formalien wahren8. Nach § 3 Abs. 1 der hier einschlägigen Güteordnung bedarf der Güteantrag einer kurzen Darstellung der Streitsache, des Gegenstands des Streites und des Begehrens. Außerdem wird auf § 130 Nr. 1 ZPO verwiesen, wonach der Schriftsatz neben den Parteien und dem Gericht die Bezeichnung des Streitgegenstandes enthalten soll. Auf Nr. 2 der Vorschrift, wonach auch ein Antrag angegeben werden soll, wird hingegen nicht verwiesen.

Im vorliegenden Fall werden im Güteantrag die Parteien bezeichnet, die begehrte Rechtsfolge (Schadensersatz) und der Anspruchsgrund (fehlerhafte Anlageberatung). Es werden die beiden streitgegenständlichen Beteiligungen genannt, und spezifiziert, dass der Kläger so gestellt werden wolle, als habe er die Beteiligungen nie getätigt. Damit macht er sein negatives Interesse geltend. Die Rolle der Beklagten wird dargestellt (Anlageberatung durch Mitarbeiter). Fehler der Beratung und des Prospektes werden benannt (fehlende Risikohinweise, kein Hinweis auf eine Rückvergütung). Dass der Sachverhalt nicht in seiner tatsächlichen Gestaltung dargestellt wurde, ist unschädlich, denn der Umfang der Darlegung und Substantiierung richtet sich nach dem Umfang des Bestreitens der Beklagten und kann zunächst pauschal erfolgen. Sowohl das Ziel als auch der tatsächliche Vorgang sind soweit bezeichnet, dass die Beklagte – unter Hinzuziehung weiterer Informationen aus ihrem Geschäftsbereich – erkennen kann, was Gegenstand des Verfahrens ist. Damit sind die Voraussetzungen eines wirksamen Güteantrages erfüllt.

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Einer Bezifferung des Begehrens bedarf es nicht. Wenn bereits ein unschlüssiger oder schlicht fehlerhafter Antrag die Verjährung zu hemmen in der Lage ist, ist es eine wenig einleuchtende Förmelei, überhaupt auf einem bezifferten Antrag zu bestehen. Es reicht die Erkennbarkeit der begehrten Rechtsfolge und die Bestimmbarkeit der vom Beklagten/Antragsgegner zu erbringenden Leistung9.

Zwar führt eine Bezifferung eines Zahlungsanspruchs zur Hemmung der Verjährung nur in dieser Höhe, unabhängig davon, ob es sich um eine (auch verdeckte) Teilklage handelt10, weil sich aus der Sicht des Schuldners der Wille des Gläubigers zur Rechtsverfolgung auf diesen Betrag beschränkt. Wird aber keine Betrag angegeben, so kommt es zu einer Hemmung hinsichtlich des gesamten Anspruchs. Das gilt ohne weiteres dort, wo ein unbezifferter Antrag in zulässiger Weise gestellt wird. Da es aber im Bereich des § 204 BGB auf die Zulässigkeit der Klage nicht ankommt, gilt nichts anderes dort, wo es unzulässig war, den Antrag unbeziffert zu lassen11. Eine Bezifferung des Begehrens zu Beginn des Verfahrens, soweit ein Zahlungsanspruch geltend gemacht wird, ist schließlich auch nicht im Hinblick auf die Bestimmung des Umfangs der Verjährungshemmung notwendig. So ist unstreitig, dass auch eine Stufenklage die Verjährung des Leistungsanspruch hemmt – jedenfalls in dem Umfang, in dem er schließlich zur Entscheidung gestellt wird12.

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Die Zustellung des Güteantrags erfolgte im hier entschiedenen Fall auch „demnächst“ im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Zwar kam es bei der Bearbeitung der Güteanträge aufgrund ihrer großen Zahl zu längeren Verzögerungen, so dass der Antrag erst im Frühjahr 2012 bei der Beklagten einging. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bekanntgabe „demnächst“ im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB veranlasst worden ist, kann jedoch auf die zu § 167 ZPO entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Verzögerungen bei der Bekanntgabe des Güteantrags, die auf einer Arbeitsüberlastung der Gütestelle beruhen, sind dem Antragsteller grundsätzlich nicht zuzurechnen13. Damit war der Antrag wirksam und rechtzeitig gestellt, um den Lauf der Verjährungsfrist zu unterbrechen. Dass die Klage noch innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 BGB nach Beendigung des Güteverfahrens erhoben wurde, ist vorliegend unstreitig.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 30. Dezember 2014 – 9a U 12/14

  1. BGH NJW 2005, 1579, 1580; BGH NJW-RR 2010, 1623; BGH NJW 2012, 2113, 2116; Palandt/Ellenberger, 73. Aufl.2014, § 199 Rn. 15; MünchKomm- BGB, 6. Aufl.2012, § 199 Rn. 4, Rn. 23[]
  2. OLG München WM 2008, 733[]
  3. so aber OLG München a.a.O.; OLG Frankfurt WM 2014, 2361[]
  4. so auch OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2007 – 22 U 117/06 – Rz. 152[]
  5. s. BGH NJW-RR 1996, 1409[]
  6. Palandt/Ellenberger, 73. Aufl.2014, § 204 Rn. 5[]
  7. Palandt/Ellenberger, 73. Aufl.2014, § 204 Rn.18.[]
  8. s. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl.2014, § 204 Rn.19[]
  9. vgl. die Parallelwertung bei der Fristsetzung im Leitungsstörungsrecht BGH NJW 2009, 3153[]
  10. s. BGH NJW 2009, 1950[]
  11. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb.2014, § 204 Rn.19[]
  12. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb.2014, § 204 Rn. 15[]
  13. BGH NJW 2010, 222[]
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