Haftet ein Waldbesitzers für die Verletzung eines Spaziergängers, der von einem herabstürzenden Ast getroffen worden war? Der Bundesgerichtshof verneint dies: das Betreten des Waldes geschieht auf eigene Gefahr.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nimmt die Klägerin die Beklagten wegen eines Unfalls bei einem Waldspaziergang auf Schadensersatz in Anspruch. Als die Klägerin im Juli 2006 bei sehr warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch ein Waldgrundstück der Beklagten zu 1 ging, brach von einer circa 5 m neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt eine schwere Hirnschädigung. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig.
Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Landgericht Saarbrücken hat die Klage abgewiesen1. Auf die Berufung der Klägerin hat dagegen das Saarländische Oberlandesgericht den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben2. Nach seiner Auffassung ist auch ein privater Waldbesitzer, der weiß, dass sein Wald von Erholungssuchenden frequentiert wird, zumindest eingeschränkt verkehrssicherungspflichtig. Er sei gehalten, in gelegentlichen Begehungen die am Rande der Erholungswege stehenden Bäume zu kontrollieren und einzuschreiten, wenn sich ihm konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung böten. Diese Voraussetzungen hat das Saarländische Oberlandesgericht im Streitfall bejaht, da von dem unfallverursachenden Baum schon lange eine akute Gefahr ausgegangen sei. Diese hätte ein geschulter Baumkontrolleur bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus erkennen müssen.
Auf die Revisionen der Beklagten hat nun der Bundesgerichtshof das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof verneint eine Haftung der Beklagten: Nach den im Einklang mit § 14 BWaldG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (hier: § 25 des Waldgesetzes für das Saarland) ist das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschieht jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden muss, sollen dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er haftet deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs ist dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11
- LG Saarbrücken, Urteil vom 03.03.2010 – 12 O 271/06[↩]
- Saarl. OLG, Urteil vom 09.11.2011 – 1 U 177/10-46[↩]
Bildnachweis:
- Notizbuch: Free-Photos | CC0 1.0 Universal