Hinsichtlich des Vorwurfs des Betrugs zum Nachteil einer tarifvertraglichen Zusatzversorgungskasse (hier: für das Gerüstgewerbe) wird das neue Tatgericht die Gültigkeit der tarifrechtlichen Normen in den Blick zu nehmen haben.

In derartigen Fällen stützt sich der Betrugsvorwurf darauf, dass die Arbeitgeber es unterlassen haben, Beiträge auf die Schwarzlohnzahlungen gegenüber der Sozialkasse für das Gerüstbaugewerbe anzumelden. Dies hätte aber aufgrund des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über die Sozialkassenverfahren vom 20.01.1994 idF des Änderungstarifvertrages vom 11.01.20021 (VTV – Gerüstbau) erfolgen müssen.
Nach den mit Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.20162 niedergelegten Grundsätzen könnte diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Hinblick auf die erforderliche Ministerbefassung unwirksam sein.
Soweit der Gesetzgeber mit § 15 des Zweiten Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetzes (SokaSiG2) vom 01.09.20173 den Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt hat, um einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung bereits vorab entgegenzutreten, ist dies unerheblich, da hierdurch die Strafbarkeit aus § 263 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB nicht begründet werden kann. Solche strafbarkeitsbegründenden Pflichten müssen im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG im Zeitpunkt der geforderten Handlung rechtlich wirksam bestanden haben. Als strafrechtlich bedeutsame Pflichten können sie nicht rückwirkend begründet werden4.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 1 StR 616/17