Nichtigkeit der Prüfungsanordnung bei einer Auftragsprüfung

Die Prüfungsanordnung des beauftragten Finanzamts ist hinreichend begründet, wenn sie die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts maßgebenden Erwägungen enthält. Eine Prüfungsanordnung ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig, wenn für den Steuerpflichtigen der Regelungsgehalt nicht ernsthaft zweifelhaft sein kann. Das vorübergehende Bestehen von zwei Prüfungsanordnungen, die sich inhaltlich nicht widersprechen, führt nicht zu deren Nichtigkeit.

Nichtigkeit der Prüfungsanordnung bei einer Auftragsprüfung

Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Sie können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO). Die beauftragte Finanzbehörde darf anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen; sie ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, aus der sich die Ermessenserwägungen für den Auftrag ergeben müssen, wozu es auch gehört, über einen Einspruch zu entscheiden1. Die maßgebenden Erwägungen für eine Auftragsprüfung ergeben sich aus den §§ 13 bis 18 BpO. Danach finden Prüfungen zusammenhängender Unternehmen unter einheitlichen Gesichtspunkten und einheitlicher Leitung statt2.

Das im vorliegenden Streitfall für die Besteuerung des Klägers nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 AO zuständige Finanzamt war zunächst das Finanzamt A. Durch innerdienstliches Schreiben vom November 2009 hatte dieses das Finanzamt mit der Durchführung der Außenprüfung bei dem Kläger beauftragt. Dem Auftrag lag eine Ermessensentscheidung der beauftragenden Finanzbehörde zugrunde.

Die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lässt. Diese Erwägungen müssen sich aus dem betreffenden Verwaltungsakt ergeben (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO). Sie können allerdings –unter den Einschränkungen des § 102 Satz 2 FGO bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens– nachgeholt werden (§ 126 Abs. 2 AO).

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Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Prüfungsanordnung nicht zu beanstanden. Sie enthält die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts –des Finanzamts A– maßgebenden Erwägungen der einheitlichen Prüfung des Klägers im Konzernbereich des Z-Konzerns. Aus der Prüfungsanordnung ergeben sich der Steuerpflichtige (der Kläger), der Prüfungsumfang (Einkommensteuer und gesonderte Feststellungen sowie Umsatzsteuer 2002 bis 2004) und die tragenden Ermessenserwägungen für die Auftragsprüfung (einheitliche Prüfung des Z-Konzerns). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bedurfte es keiner weiteren Ausführungen, „aus welchem Grund diese unternehmerische Betätigung“ des Klägers einen Bezug zum Z-Konzern aufweist. Dieser Bezug war nämlich für alle Beteiligten klar und vom Finanzamt überdies nochmals in seiner Einspruchsentscheidung ausgeführt: Die Aufsichtsratstätigkeit im Zusammenhang mit den sonstigen Firmen der „Z-Gruppe“.

Es kommt nicht auf die Formulierung der Bitte des Finanzamt um Erteilung des Prüfungsauftrags an. Abgesehen davon suggeriert dieses behördeninterne Schreiben, anders als die Vorinstanz meint, kein gemeinsames Unternehmen des Klägers zusammen mit seiner Ehefrau. Die Ausführungen in diesem Schreiben sind im Kontext der Akten und der Vorprüfungen so zu verstehen, wie sie schließlich in der Prüfungsanordnung in Gestalt der Einspruchsentscheidung umgesetzt wurden. Auch der entscheidende Akt des Prüfungsauftrags nimmt keinen Bezug auf ein gemeinsames Unternehmen der Eheleute, sondern überträgt die Befugnis zur Prüfung beider Steuerpflichtiger –der Eheleute (des Klägers und seiner Ehefrau)– auf das Finanzamt.

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Eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung scheidet ersichtlich aus:

Die streitige Prüfungsanordnung vom 01.12.2009 sollte „neben die Prüfungsanordnung … vom 11.12.2006“ treten, die vom Finanzgericht mangels Zuständigkeit des Finanzamt mit Urteil in EFG 2009, 1182 aufgehoben worden war. Zwar ist das Urteil des Finanzgericht erst mit BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 605, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamt zurückgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden. Das vorübergehende gleichzeitige Bestehen beider Prüfungsanordnungen führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung gemäß § 125 AO, da sich die beiden Prüfungsanordnungen in ihrem Regelungsgehalt hinsichtlich des Prüfungszeitraums (2002 bis 2004), des Steuerpflichtigen und der zu prüfenden Steuerarten (Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer) nicht widersprochen haben. Allein der Umstand, dass das Finanzamt seine Zuständigkeit für die Außenprüfung in der zweiten Prüfungsanordnung auf die Beauftragung durch das Finanzamt A gemäß § 195 Satz 2 AO gestützt hat, führt nicht dazu, dass die Prüfungsanordnung aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen konnte (§ 125 Abs. 2 Nr. 2 AO). Denn die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist nicht Bestandteil des Regelungsgehalts der Prüfungsanordnung i.S. des § 118 AO, sondern Voraussetzung für deren formelle Rechtmäßigkeit, die im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Die Prüfungsanordnung ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit nach § 125 AO nichtig. Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht gemäß § 119 AO so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Der Regelungsinhalt einer Prüfungsanordnung (§ 196 AO) besteht darin, dass dem Steuerpflichtigen aufgegeben wird, die Prüfung in dem in der Anordnung näher umschriebenen Umfang zu dulden3. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt der Prüfungsanordnung aus der Sicht des Klägers als dem Empfänger dieses Verwaltungsakts4.

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Danach konnte für den Steuerpflichtigen der Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung vom 01.12.2009 nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Prüfungsgegenstand war Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002 bis 2004 mit Ausnahme der „Sachverhalte …, welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 06.03.2009 abgedeckt“ wurden. Dass das Finanzamt in der Prüfungsanordnung in diesem Zusammenhang den Begriff der „Tat im prozessualen Sinne“ verwendet hat, konnte bei dem Kläger, der aufgrund seiner Selbstanzeige und dem Schreiben der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts C den Umfang des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens kannte, keine wirklichen Verständnisschwierigkeiten auslösen, da für alle Beteiligten klar ersichtlich war, dass es sich um die vom Kläger bis zur Selbstanzeige nicht erklärten Kapitaleinkünfte ausländischer Herkunft handelte.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. August 2013 – VIII R 15/12

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 15.05.2013 – IX R 27/12, BFHE 241, 21, BStBl II 2013, 570, m.w.N.[]
  2. eingehend dazu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 195 AO Rz 44[]
  3. BFH, Urteil vom 13.10.2005 – IV R 55/04, BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404[]
  4. BFH, Urteil vom 31.10.1991 – X R 28/89, BFH/NV 1992, 435[]