Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO erfüllt nicht diese Voraussetzungen.

Voraussetzung für den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich, soweit die Parteien darin zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines sonstigen Feststellungsrechtsstreits über den Fortbestand oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine Einigung erzielen1.
Der gerichtliche Vergleich, mit dem die Parteien zur Beilegung einer Rechtsstreitigkeit ein befristetes oder auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbaren, unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs. Dem Gericht als Grundrechtsverpflichteten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG obliegt im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Aufgabe, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Diese aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Schutzpflicht erfüllt das Gericht nicht nur durch ein Urteil, sondern auch im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits. Schlägt das Arbeitsgericht zur Beendigung des Verfahrens über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vor, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, ist das im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden ist, um dem Arbeitnehmer grundlos den gesetzlichen Bestandsschutz zu nehmen2.
Der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs setzt neben der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus3. Dafür ist erforderlich, dass die Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere muss der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber muss es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen4.
Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Dies ist – anders als bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich – nicht der Fall, da es an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts fehlt5.
Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG unterscheidet zwar nicht zwischen den beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO. Der Wortlaut der Vorschrift erweist sich jedoch insoweit unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte als unergiebig, da es die in § 278 Abs. 6 ZPO getroffene Regelung im Zeitpunkt der Verkündung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 21.12 2000 noch nicht gab. Bis Ende 2001 musste ein den Prozess beendender Vergleich vor Gericht abgeschlossen und nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 ZPO protokolliert werden. Aus der Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG6 ergibt sich allerdings, dass der Gesetzgeber den gerichtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für eine Befristung anerkannt hat, weil das Gericht die Möglichkeit und die Obliegenheit hat, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt – auch unter Berücksichtigung der Prozessaussichten in dem beigelegten Rechtsstreit – die Schutzinteressen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden7. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich von dem Erfordernis der gerichtlichen Mitwirkung an dem Vergleich Abstand genommen hat. Aus dem Zweck der zum 1.01.2002 in Kraft getretenen und zum 1.09.2004 erweiterten Regelung in § 278 Abs. 6 ZPO, den Abschluss eines Prozessvergleichs zu vereinfachen, folgt nicht der Wille des Gesetzgebers, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu erleichtern.
Die erforderliche Mitwirkung des Gerichts ist bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleich gewährleistet. Durch einen Vergleichsvorschlag nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO wirkt das Gericht am Inhalt des Vergleichs verantwortlich mit. Das gilt auch, wenn das Gericht sich einen von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den Parteien unterbreitet8. Demgegenüber fehlt es bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO an der verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleich. Bei einem solchen Vergleich ist der gerichtliche Beitrag – abgesehen von der Prüfung von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen §§ 134, 138 BGB – von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt9.
Die Differenzierung ist auch unionsrechtlich geboten10. Nach § 5 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, eine oder mehrere der in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer oder mehreren dieser Maßnahmen, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu gewährleisten11. Es ist Aufgabe der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen12. Dies geschieht bei dem in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG geregelten Sachgrund durch das Erfordernis der verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleichsschluss13.
Institutioneller Rechtsmissbrauch?
ie Gerichte dürfen sich auch bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken14. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen15. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen16.
Eine unionsrechtlich gebotene Prüfung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ist nicht dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die zuletzt vereinbarte Befristung als Element einer Kette aus befristeten Arbeitsverträgen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigt ist17.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Prüfung des institutionellen Rechtmissbrauchs nicht nur erforderlich, wenn die streitgegenständliche Befristung auf den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gestützt wird, sondern auch dann, wenn diese aus anderen Sachgründen gerechtfertigt ist. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung hängt nicht ausschließlich davon ab, welcher Sachgrund für die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Befristungsabrede vorliegt18. Zwar dürfte eine auf dem Wunsch des Arbeitnehmers beruhende Befristungsabrede nicht rechtsmissbräuchlich sein. Der Vergleich über die befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG beruht jedoch nicht allein – und in der Regel nicht in erster Linie – auf dem Wunsch des Arbeitnehmers. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an einer Dauerbeschäftigung interessiert ist, sich aber im Hinblick auf sein Prozessrisiko durch Vergleich auf eine befristete Beschäftigung einlässt19.
Die Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs ist keine abschließende Sicherheit dafür, dass sich die für sich betrachtet nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigte Vergleichsbefristung bei einer umfassenden Gesamtabwägung nicht (doch) als rechtsmissbräuchlich erweist. Liegen nach der Einschätzung des Gerichts die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Befristungskette vor, wird es von sich aus den Parteien keine Vergleichsbefristung vorschlagen. Geht in einem solchen Fall der Vergleich über die zeitlich beschränkte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf eine Anregung der Parteien zurück, kann ein gerichtlicher Hinweis erfolgen, dass sich die Befristung trotz des Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG möglicherweise als rechtsmissbräuchlich darstellen könnte. Letztlich liegt es allerdings auch bei einem gerichtlichen Vergleich in der Verantwortung der Parteien, ob und in welcher Weise sie sich verständigen und damit ggf. das Folgerisiko einer unzulässigen Befristungskette in Kauf nehmen. Eine rechtsmissbräuchliche Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen wird nicht ohne weiteres dadurch legitimiert, dass die letzte Befristung in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart wird20.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Januar 2015 – 7 AZR 2/14
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn.13, BAGE 140, 368; 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 13[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 13, BAGE 140, 368; 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, Rn. 55, BAGE 120, 251[↩]
- vgl. BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 13[↩]
- BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 13, BAGE 140, 368[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 25, BAGE 140, 368[↩]
- BT-Drs. 14/4374 S.19[↩]
- BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 24, BAGE 140, 368[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 17, BAGE 140, 368; 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, Rn. 55 f., BAGE 120, 251[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 25, aaO[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 17, BAGE 140, 368[↩]
- vgl. EuGH 23.04.2009 – C-378/07 ua. – [Angelidaki ua.] Rn. 94, 95 mwN, Slg. 2009, I-3071[↩]
- vgl. EuGH 23.04.2009 – C-378/07 ua. – [Angelidaki ua.] Rn. 106, aaO; 7.09.2006 – C-53/04 – [Marrosu und Sardino] Rn. 56, Slg. 2006, I-7213; 7.09.2006 – C-180/04 – [Vassallo] Rn. 41, Slg. 2006, I-7251[↩]
- vgl. BAG 15.02.2012 – 7 AZR 734/10, Rn. 17, aaO[↩]
- BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 27[↩]
- EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40[↩]
- grundlegend BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09, Rn. 40, BAGE 142, 308 und – 7 AZR 783/10, Rn. 33[↩]
- BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 30[↩]
- BAG 13.02.2013 – 7 AZR 225/11, Rn. 36[↩]
- BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 31[↩]
- BAG 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, Rn. 32 ff.[↩]