Die den Ehepartnern der Betriebsrentner zur Verfügung gestellten kostenlosen Fahrtickets sind keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung [1].

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handelt es sich um betriebliche Altersversorgung, wenn dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen der Alters, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zugesagt sind. Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen und die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden. Erforderlich und ausreichend ist, dass durch die vorgesehene Leistung ein im Betriebsrentengesetz genanntes biometrisches Risiko teilweise übernommen wird. Die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken und die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken ab. Die Risikoübernahme muss in einer Versorgung bestehen. Dabei ist der Begriff der Versorgung weit auszulegen. Versorgung sind alle Leistungen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall verbessern sollen [2].
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG sind nicht nur Geldleistungen. Auch Sach- und Nutzungsleistungen sowie im Ruhestand gewährte Personalrabatte können Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sein. Es spielt keine Rolle, ob derartige Leistungen auch den aktiven Mitarbeitern gewährt werden [3]. Auch steht dem Charakter einer Leistung als betriebliche Altersversorgung grundsätzlich nicht entgegen, wenn in der für die Gewährung maßgeblichen Regelung neben Leistungen, die ein biometrisches Risiko iSd. Betriebsrentengesetzes abdecken, weitere Ansprüche oder Anwartschaften vorgesehen sind, die die Betroffenen gegen andere Risiken sichern sollen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Versorgungsregelung Bestimmungen enthält, die einer Rechtsprüfung nach dem Betriebsrentengesetz standhalten [4].
In Anwendung dieser Grundsätze ist die kostenfreie Überlassung eines Tickets 1000 mit frei wählbarer Preisstufe für die Ehegatten der Betriebsrentner keine den Arbeitnehmern des Nahverkehrsunternehmens zugesagte Leistung der betrieblichen Altersversorgung.
Die Gewährung des kostenlosen Tickets wird zwar durch ein biometrisches Ereignis ausgelöst. So hat in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Arbeitgeberin bis zum 31.12 2015 den Ehepartnern ihrer früheren Arbeitnehmer das Ticket 1000 zur Verfügung gestellt, wenn die Arbeitnehmer eine von der Arbeitgeberin zugesagte Altersrente bezogen. Damit stellt die Leistungsvoraussetzung auf einen Tatbestand ab, der – wie bei den Ehefrauen vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer deutlich wird – an den Bezug einer Betriebsrente und damit an das biometrische Risiko Alter oder Invalidität iSd. Betriebsrentengesetzes anknüpft. Dass auch die Ehegatten aktiver Arbeitnehmer Freifahrtickets erhalten, ist entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin unerheblich. Unschädlich ist auch, dass die Gewährung des Tickets erfordert, dass der Betriebsrentner verheiratet ist und mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führt. Der Arbeitgeber, der eine solche geldwerte Leistung unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellt, kann ihre Gewährung auch von weiteren Voraussetzungen abhängig machen, um seine Leistungspflichten zu begrenzen. Auch ist die Annahme, es handele sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung, entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht deshalb ausgeschlossen, weil die von ihr gewährten Betriebsrenten im ATV EVAG geregelt sind. Das schließt es nicht von vornherein aus, zusätzliche Leistungen, die den Betriebsrentnern aus Anlass des Versorgungsfalls gewährt werden, als Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einzuordnen.
Die gegenüber den Ehefrauen der Betriebsrentner zu erbringenden Leistungen dienen aber keinem Versorgungszweck der (früheren) Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Sie sichern nicht deren Lebensstandard nach ihrem Eintritt in den Ruhestand ab. Dem steht entgegen, dass die Tickets 1000 personenbezogen sind und daher nur von den Ehepartnern, nicht aber von den Versorgungsempfängern genutzt werden können. Der Versorgungsempfänger selbst erhält insoweit keine unmittelbare Leistung zur Absicherung seines Lebensstandards im Ruhestand. Mit dem Ticket, das die unentgeltliche oder vergünstigte Nutzung aller Verkehrsmittel des ÖPNV im VRR durch den Ehepartner ermöglicht, wird, anders als bei einem Strom- bzw. Gasdeputat oder einer Energiebeihilfe [5], kein beim Betriebsrentner erwartungsgemäß bestehender Bedarf gedeckt. Er profitiert allenfalls mittelbar.
Das Bundesarbeitsgericht ließ es dabei dahinstehen, ob die Betriebsparteien, soweit die BV 2015 nach § 1 Nr. 1.2, § 2 Nr. 2 verschlechternde Regelungen für den Bezug von Tickets durch bereits ausgeschiedene und im Ruhestand befindliche Arbeitnehmer trifft, regelungsbefugt waren. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, wäre die BV 2015 nicht insgesamt nichtig, sondern nach § 139 BGB nur teilnichtig [6].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Juni 2019 – 3 AZR 455/17
- zutreffend BAG 30.01.2019 – 5 AZR 442/17, Rn. 83 ff. mwN[↩]
- BAG 14.12 2010 – 3 AZR 799/08, Rn. 23; 16.03.2010 – 3 AZR 594/09, Rn. 23 mwN, BAGE 133, 289[↩]
- BAG 14.12 2010 – 3 AZR 799/08, Rn. 24 mwN[↩]
- BAG 16.03.2010 – 3 AZR 594/09, Rn. 30, BAGE 133, 289; 19.02.2008 – 3 AZR 61/06, Rn. 40[↩]
- dazu etwa BAG 16.03.2010 – 3 AZR 594/09, Rn. 31 ff., BAGE 133, 289[↩]
- ausführlich BAG 30.01.2019 – 5 AZR 442/17, Rn. 88[↩]
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