Eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags an einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist durch Eigenkündigung beendet, ist unangemessen und daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall schloss die Arbeitgeberin mit dem Arbeitnehmer Ende März 2021 einen Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage er ab dem 1.05.2021 für die Arbeitgeberin tätig war. Das Arbeitsverhältnis kam durch Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande. Die Arbeitgeberin zahlte an ihn eine Vermittlungsprovision. Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers enthält im Hinblick hierauf folgende Regelung:
§ 13 Sonstige Vereinbarungen
Die Arbeitgeberin leistet zur Vermittlung des/der Arbeitnehmers/in eine Vermittlungsprovision in Höhe von insgesamt EUR 6.695,40 an eine Drittfirma (C) – aufgeteilt zu zwei Dritteln nach Abschluss des Arbeitsvertrages (EUR 4.461,60) und zu einem Drittel nach Ablauf der Probezeit (…). Bei dieser Zahlung handelt es sich um einen Vertrauensvorschuss der Arbeitgeberin auf die zu erwartende Betriebstreue des/der Arbeitnehmers/in.
Der/die Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, der Arbeitgeberin die tatsächlich angefallenen Beträge zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht und aus vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Gründen vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin selbst, der Arbeitgeberin oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.
Die Arbeitgeberin verpflichtet sich ihrerseits, die Zahlung der Vermittlungsprovision in diesem Fall nachzuweisen. Dem/der Arbeitnehmer/in ist seinerseits/ihrerseits der Nachweis gestattet, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht oder nicht in der hier angegebenen Höhe bei der Arbeitgeberin entstanden sind.
Der Ausgleichsbetrag ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des/der Arbeitnehmers/in aus dem Arbeitsverhältnis fällig und kann gegen pfändbare finanzielle Ansprüche des/der Arbeitnehmers/in aufgerechnet werden.
Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der – vertraglich vereinbarten – sechsmonatigen Probezeit fristgerecht zum 30.06.2021. Der Anlass hierfür ist zwischen den Parteien streitig. Die Arbeitgeberin behielt – im Hinblick auf § 13 des Arbeitsvertrags – von dem für den Monat Juni 2021 abgerechneten Entgelt des Arbeitnehmers einen Betrag in Höhe von 69,21 € netto sowie den vereinbarten Verpflegungszuschuss in Höhe von 740,00 € netto ein.
Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer die Zahlung der ausstehenden Nettobeträge in Höhe von insgesamt 809,21 € geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags sei unwirksam, weil sie ihn unangemessen benachteilige. Die Arbeitgeberin verlangte widerklagend die Zahlung von 3.652,39 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2021. Sie hat die Ansicht vertreten, die Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags sei wirksam. Der Arbeitnehmer werde durch die Erstattungspflicht nicht unangemessen benachteiligt. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, die für die Vermittlung gezahlte Provision nur dann endgültig aufbringen zu müssen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist tätig gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag des Arbeitnehmers stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Arbeitgeberin ist insoweit vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erfolglos geblieben1. Die Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht als unbegründet zurückgewiesen:
Der Arbeitgeberin steht gegen den Arbeitnehmer kein Anspruch auf Erstattung der von ihr an den Personaldienstleister gezahlten Vermittlungsprovision in Höhe von 4.461,60 € aus § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags zu. Das Bundesarbeitsgericht konnte offenlassen, ob die Vertragsbedingung insgesamt unwirksam ist. Jedenfalls soweit sie eine Zahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien deshalb nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht, weil der Arbeitnehmer es aus von ihm „zu vertretenden Gründen“ selbst gekündigt hat, hält sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und ist unwirksam. Schon aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis beendet hat.
Bei § 13 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine Einmalbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift sind bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher § 305c Abs. 2 und §§ 306, 307 bis 309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind Verbraucherverträge im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB2.
Zugunsten der Arbeitgeberin kann das Bundesarbeitsgericht davon ausgehen, dass die Vertragsbedingung in § 13 des Arbeitsvertrags nur zur einmaligen und nicht – wie für Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB erforderlich, zur mehrfachen Verwendung bestimmt sein sollte. Der Arbeitnehmer konnte aufgrund der Vorformulierung der Klausel durch die Arbeitgeberin auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen.
Dem Verbraucher ist es möglich, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen, wenn der Verwender die Vertragsbedingung im Kerninhalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit einräumt, damit dieser seine Interessen wahren kann. Das setzt zumindest voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dem Verwendungsgegner dies bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich dabei auf die konkrete Klausel beziehen, deren Anwendbarkeit oder Auslegung im Streit steht. Ist streitig, ob eine Einflussnahme möglich war, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten. Er hat konkret darzulegen, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aufgrund welcher Umstände darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe sie freiwillig akzeptiert3.
Ausgehend hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, bei § 13 des Arbeitsvertrags handele es sich um eine von der Arbeitgeberin vorformulierte Vertragsbedingung, auf deren Inhalt der Arbeitnehmer keinen Einfluss nehmen konnte. Sowohl aus dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags als auch aus dem Vortrag der Arbeitgeberin ergibt sich, dass sie die Klausel vorformuliert hat. Soweit die Arbeitgeberin geltend gemacht hat, dem Arbeitnehmer sei die Regelung ausführlich erläutert worden, er habe dafür Verständnis gehabt und sie aus freien Stücken akzeptiert, lässt dies weder erkennen, dass die Arbeitgeberin deren Inhalt ernsthaft zur Disposition gestellt hätte, noch dass der Arbeitnehmer auf ihre Bereitschaft hätte schließen können, etwa von ihm gewünschte Änderungen vorzunehmen.
Entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers scheidet ein Anspruch der Arbeitgeberin auf Erstattung der gezahlten Vermittlungsprovision allerdings nicht schon deshalb aus, weil die Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB und daher nicht Bestandteil des Vertrags geworden wäre. Ob die genannte Norm wegen des eingeschränkten Verweises in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB überhaupt auf Einmalbedingungen Anwendung findet, kann dahinstehen4. Die Vertragsbedingung ist nicht überraschend.
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Regelung voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte5. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Regelung besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben6.
Danach fehlt es zumindest an einem subjektiven Überraschungsmoment. Ein solches ist nicht gegeben, wenn der Verwender seinen Vertragspartner vor Vertragsschluss besonders auf die Klausel hinweist7. Das war hier der Fall. Nach dem – unwidersprochen gebliebenen – Vorbringen der Arbeitgeberin wurde die Klausel dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss eingehend und ausführlich erläutert und mit ihm besprochen.
Die Arbeitgeberin kann die Erstattung der von ihr gezahlten Vermittlungsprovision aber deswegen nicht verlangen, weil die Bedingung in § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags jedenfalls insoweit unwirksam ist, als sie eine Zahlungspflicht des Arbeitnehmers an eine von ihm aus „zu vertretenden Gründen“ erklärte Eigenkündigung knüpft. Dies benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
§ 13 des Arbeitsvertrags unterliegt der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Allgemeine Geschäftsbedingungen und – aufgrund der Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB – vorformulierte Einmalbedingungen der in § 307 Abs. 1 BGB vorgesehenen Inhaltskontrolle, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Aus Gründen der Vertragsfreiheit sind damit vor allem Abreden zu den Hauptleistungspflichten von einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen8.
§ 13 des Arbeitsvertrags gestaltet nicht die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten der Parteien. Die Einmalbedingung betrifft nicht das unmittelbare Gegenleistungsverhältnis von Arbeit und Entgelt. Sie regelt vielmehr eine Pflicht des Arbeitnehmers, der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss getätigte Aufwendungen zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund eines der in der Klausel aufgeführten Beendigungstatbestände nicht über den dort genannten Zeitpunkt hinaus fortbesteht. Durch den mit der Zahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck wird die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt9. Damit handelt es sich um eine kontrollfähige Nebenabrede.
§ 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags benachteiligt den Arbeitnehmer zumindest insoweit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, als die Klausel seine Erstattungspflicht an den Ausspruch einer – aus von ihm „zu vertretenden Gründen“ erfolgenden – Eigenkündigung bindet.
Nach der vertraglichen Klausel soll der Arbeitnehmer zum Ersatz der von der Arbeitgeberin an einen Dritten gezahlten Vermittlungsprovision verpflichtet sein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des 30.06.2022 von ihm selbst, der Arbeitgeberin oder im gegenseitigen Einvernehmen aus vom Arbeitnehmer „zu vertretenden Gründen“ beendet wird. Da sich diese Formulierung nicht nur auf eine Kündigung der Arbeitgeberin, sondern auch auf eine Eigenkündigung und eine einvernehmliche Vertragsbeendigung der Parteien bezieht, beschreibt sie erkennbar kein schuldhaftes und daher notwendigerweise an eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers anknüpfendes Verhalten iSd. § 276 BGB. Ein „zu vertretender Grund“ ist vielmehr schon dann gegeben, wenn der Auslöser, Anlass oder die Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitnehmers und damit ausschließlich aus seiner Sphäre stammt. Der Arbeitnehmer soll – soweit die Tatbestandsvariante der Eigenkündigung betroffen ist – nur dann nicht mit der Vermittlungsprovision belastet werden, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens der Arbeitgeberin als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen durfte. Entscheidet er sich hingegen ausschließlich aus freien Stücken, das Arbeitsverhältnis vor oder spätestens zu dem vereinbarten Zeitpunkt zu kündigen, soll – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – eine Erstattungspflicht eintreten.
Diese Vorgaben benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen.
Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzu Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender; vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen10.
Die Vertragsbedingung beeinträchtigt den Arbeitnehmer in seinem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dazu gehört bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners11. Neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung ist daher auch der Wille des Einzelnen geschützt, die Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Diese Freiheit schränkt § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ein. Da der Arbeitnehmer verpflichtet ist, im Fall einer vom ihm selbst veranlassten Kündigung mit Wirkung zu einem vor dem 1.07.2022 liegenden Zeitpunkt die von der Arbeitgeberin gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, löst die Regelung einen Bleibedruck aus.
Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin wird diese Beeinträchtigung nicht durch ihr Interesse aufgewogen, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für eine bestimmte Dauer auch tatsächlich in Anspruch nehmen zu können, damit sich ihre im Hinblick auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses getätigte „Investition amortisiert“ oder sogar „rentiert“. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hat grundsätzlich der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm, zumal aus eigenem Antrieb – getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung nachträglich nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis während oder nach der Probezeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse eines Arbeitgebers, solche Kosten auf einen Arbeitnehmer zu übertragen, der von seinem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht. Zwar hat die Arbeitgeberin an sich ein anerkennenswertes Interesse daran, dass ein Arbeitnehmer, für dessen Vermittlung sie einem von ihr beauftragten Personaldienstleister eine vertraglich vereinbarte Provision gezahlt hat, möglichst lange im Unternehmen bleibt und für sie tätig ist. Dieses Interesse kann sie aber nicht durch die Vereinbarung einer Pflicht zur Erstattung von Kosten durchsetzen, die sie selbst für die Vermittlung des Arbeitsverhältnisses aufgewendet hat. Ihrem Bedürfnis, einen solchen Arbeitnehmer zu einer längeren Betriebstreue anzuhalten, kann sie lediglich dadurch Rechnung tragen, dass sie im Rahmen des jeweils Zulässigen das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließt, die Kündigungsfrist für solche Kündigungen verlängert12 oder einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt, der nicht nach § 15 Abs. 4 TzBfG der ordentlichen Kündigung unterliegt. Um sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig beendet, hat sie zudem die Möglichkeit, die Zahlung einer Vertragsstrafe zu vereinbaren13.
Der Arbeitnehmer erhält im Übrigen auch keinen gleichwertigen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahlfreiheit ausgleichen könnte. Selbst wenn – wie die Arbeitgeberin meint – das aufgrund einer Vermittlung zustande gekommene Arbeitsverhältnis für einen Arbeitnehmer besonders wertig, passend oder lukrativ sein sollte, stellt es als solches gerade keinen Vorteil dar, der eine Bindung hieran ausgleichen könnte. Der Arbeitnehmer erlangt – anders als etwa bei einer beruflichen Fortbildung – keinen vom Bestand seines Arbeitsverhältnisses unabhängigen Ausgleich, den er auch in einem anderen Arbeitsverhältnis gewinnbringend verwerten könnte.
Die den Vertragsschluss begleitenden Umstände, die im Streitfall nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen sind14, führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Interessenverteilung ändert sich nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer in 24 Jahren bereits 21-mal den Arbeitgeber gewechselt hat. Damit war das Risiko der Arbeitgeberin, dass sich ihre durch Zahlung einer Vermittlungsprovision an einen Personaldienstleister getätigte „Investition“ nicht „lohnt“, zwar höher. Dies ändert aber nichts daran, dass derartige Kosten für die Personalbeschaffung ihrem Risikobereich zuzuordnen sind und dem Arbeitnehmer nicht aufgebürdet werden dürfen, wenn er sein ihm zustehendes Kündigungsrecht ausübt. Im Übrigen hat die Arbeitgeberin es in Kenntnis dieser Umstände bewusst in Kauf genommen, dass sich das Risiko realisiert.
Aus der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.07.201015 folgt ebenfalls nichts Gegenteiliges. Sie bezieht sich schon nicht auf eine Regelung zur Erstattung von Vermittlungsprovision für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern befasst sich mit einer Ablösungsentschädigung für vom Arbeitgeber getätigte Aufwendungen im Fall der Herauslösung einer bestimmten betrieblichen Einheit. Zudem hat der Dritte Senat lediglich angenommen, die dort streitgegenständliche Regelung sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil der zahlungspflichtigen Arbeitnehmerin nicht die Möglichkeit des Nachweises „eines fehlenden oder wesentlich geringeren Anspruchs“ eingeräumt werde16. Hieraus lässt sich nicht ableiten, die Einmalbedingung in § 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrags genüge den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Da der Arbeitsvertrag der Parteien trotz, zumindest partieller – Unwirksamkeit seines § 13 Abs. 2 wirksam ist (§ 306 Abs. 1 BGB), hat der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 611a BGB einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung weiterer 809,21 € netto nebst Zinsen ab dem 11.09.2021.
Mangels Gegenforderung ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung restlicher – von der Arbeitgeberin für den Monat Juni 2021 abgerechneter – Vergütung in Höhe von 69,21 € netto und des vereinbarten Verpflegungszuschusses in Höhe von 740,00 € netto nicht nach § 389 BGB durch die von der Arbeitgeberin erklärte Aufrechnung erloschen.
Der Arbeitnehmer hat die zweistufige Ausschlussfrist in § 11 Abs. 1 und 2 des Arbeitsvertrags – ungeachtet des Umstands, dass die Arbeitgeberin seine Ansprüche abgerechnet hat17 – gewahrt. Der Arbeitgeberin wurde die Klage über den Teilbetrag in Höhe von 740,00 € am 16.08.2021 und über die weiteren 69,21 € am 15.09.2021 und damit – selbst ausgehend von einer insgesamt erst am 1.07.2021 gegebenen Fälligkeit (§ 614 Satz 2 BGB) – innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Fälligkeit zugestellt.
Der Zinsanspruch folgt für den Betrag in Höhe von 740,00 € aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, für die restliche Vergütung in Höhe von 69,21 € aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Soweit das Arbeitsgericht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat, indem es – anders als vom Arbeitnehmer zunächst beantragt – Zinsen einheitlich für die Zeit ab dem 11.09.2021 zuerkannt hat – ist dieser Verstoß in zweiter Instanz geheilt worden. Der Arbeitnehmer hat sich mit seinem Antrag, die Berufung der Arbeitgeberin zurückzuweisen, die angefochtene Entscheidung im zweiten Rechtszug zu eigen gemacht18.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22
- LAG Schleswig-Holstein 12.05.2022 – 4 Sa 3/22[↩]
- st. Rspr., zB BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, Rn. 29 mwN, BAGE 165, 19[↩]
- vgl. BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, Rn. 31 mwN, BAGE 165, 19[↩]
- offengelassen auch von BAG 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, Rn. 18[↩]
- BAG 16.02.2023 – 6 AZR 95/22, Rn. 31 mwN[↩]
- BAG 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, Rn.19 mwN[↩]
- vgl. Clemenz/Kreft/Krause/Hoefs AGB-Arbeitsrecht 3. Aufl. § 305c BGB Rn. 14; MünchKomm-BGB/Fornasier 9. Aufl. § 305c Rn. 10[↩]
- vgl. ausf. BAG 7.09.2022 – 5 AZR 128/22, Rn. 45 ff. mwN[↩]
- vgl. BAG 1.03.2022 – 9 AZR 260/21, Rn. 13 mwN[↩]
- st. Rspr., vgl. zB BAG 1.03.2022 – 9 AZR 260/21, Rn.20 mwN[↩]
- st. Rspr., vgl. zB BVerfG 25.01.2011 – 1 BvR 1741/09, Rn. 69 mwN, BVerfGE 128, 157[↩]
- vgl. zu den Grenzen der Verlängerung BAG 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, Rn. 33 ff., BAGE 161, 9[↩]
- vgl. dazu BAG 20.10.2022 – 8 AZR 332/21, Rn. 31 ff.; 24.08.2017 – 8 AZR 378/16, Rn. 16 ff.[↩]
- ausf. hierzu BAG 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn. 27, BAGE 143, 30[↩]
- BAG 27.07.2010 – 3 AZR 777/08[↩]
- BAG 27.07.2010 – 3 AZR 777/08, Rn. 36[↩]
- vgl. BAG 28.07.2010 – 5 AZR 521/09, Rn. 18, BAGE 135, 197[↩]
- vgl. BAG 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, Rn.19 mwN, BAGE 150, 50[↩]