Bei Hafenarbeitern, die unter den Geltungsbereich des Eingruppierungsvertrags für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.05.2000 begründet wurde, fallen, reicht für eine Eingruppierung in die Lohngruppe V EV das Ablegen der Hafenfacharbeiterprüfung allein nicht (mehr) aus. Vielmehr muss sie auf betriebliche Veranlassung absolviert worden sein.

Das tarifliche Tätigkeitsmerkmal („betriebliche Veranlassung“) verlangt, dass der Arbeitgeber in einer Art und Weise auf den Willen des Arbeitnehmers einwirkt, die über ein bloßes Ermöglichen des Ablegens der Prüfung hinausgeht. Es bedarf einer – ausdrücklichen oder konkludenten – Aufforderung des Arbeitgebers, die Hafenfacharbeiterprüfung zu absolvieren. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln und ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen1.
Bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze ergibt sich, dass der Arbeitgeber zum Absolvieren der Prüfung zum Hafenfacharbeiter ausdrücklich oder konkludent aufgefordert haben muss.
Mit dem Gebrauch des Wortes „Veranlassung“ haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass ein Verhalten des Arbeitgebers für das Absolvieren der Prüfung kausal gewesen sein muss. „Jemanden veranlassen“ bedeutet „jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun“ (Duden). Der Hafenarbeiter selbst hat in seinem letzten Schriftsatz ua. die Begriffe „Anordnung“, „Anweisung“, „Auslöser“, „Beweggrund“, „Impuls“ und „treibende Kraft“ zur Erläuterung des Begriffs Veranlassung angegeben. Auch die vom Berufungsgericht rezipierte Erläuterung des Landesarbeitsgerichts Hamm2, nach der eine Veranlassung vorliegt, wenn jemand dafür sorgt, dass etwas geschieht, er etwas bewirkt, hervorruft oder anordnet, hat der Hafenarbeiter mit der Revision ausdrücklich nicht angegriffen. Auch hiernach bedarf es einer Einwirkung des Arbeitgebers auf den Willen des Arbeitnehmers, die über die bloße Gestattung der Ausbildung hinausgeht. Das gilt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Wortlaut der Tarifnorm unabhängig davon, ob der Arbeitgeber ein Interesse an der Ausbildung hat oder nicht.
Allerdings ist die Formulierung „betriebliche Veranlassung“ insoweit nicht eindeutig, als sie das Adjektiv „betrieblich“ beinhaltet, das allgemein verstanden wird als „den Betrieb betreffend, zu ihm gehörend“ (Duden). Hierauf hat der Hafenarbeiter in der Revision zutreffend hingewiesen. Auch wenn es an sich denkbar erscheint, die höhere Eingruppierung davon abhängig zu machen, ob bei objektiver Betrachtung im Betrieb ein Bedarf an Hafenfacharbeitern besteht, sprechen Wortlaut und auch der Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags gegen ein solches Verständnis. So kann der Betrieb als organisatorische Einheit von Betriebsmitteln3 nicht selbst handeln und einen Arbeitnehmer zu einer Handlung bestimmen. Dies geschieht vielmehr durch eine Person und ihre Handlungen. Daraus folgt, dass „auf betriebliche Veranlassung“ iSd. Lohngruppe V EV als „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ zu verstehen ist.
Hierfür spricht weiter, dass der EV keine Anhaltspunkte dafür enthält, wonach der betriebliche Bedarf an Hafenfacharbeitern bestimmt werden soll. So wird insbesondere nicht konkretisiert, wann der Bedarf vorliegen muss (Nur bei Beginn der Ausbildung? Voraussichtlich im Zeitpunkt des Ablegens der Prüfung? Muss es sich um einen dauerhaften Bedarf handeln?). Auch bestimmt der Tarifvertrag nicht, ob der Bedarf dringend sein muss oder ob die abstrakte Möglichkeit des zeitweisen Einsatzes als Hafenfacharbeiter genügen soll.
Auf die weiteren, von den Parteien herangezogenen Urteile kann zur Auslegung des Begriffs „auf betriebliche Veranlassung“ iSd. Lohngruppe V EV nicht zurückgegriffen werden. Zwar trifft es zu, dass ein bestimmter Fachbegriff im Zweifel auch im Geltungsbereich eines Tarifvertrags in seiner allgemeinen fachlichen Bedeutung Geltung haben soll, wenn die Tarifvertragsparteien ihn in einer Tarifnorm verwenden4. Die herangezogenen Entscheidungen betreffen jedoch weder Eingruppierungsfragen noch die Frage der Veranlassung des Ablegens einer Prüfung. Insofern kann mangels besonderer Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung „auf betriebliche Veranlassung“ an jene Begriffsverständnisse anknüpfen wollten. Das gilt insbesondere für den Begriff der betrieblich veranlassten Tätigkeit iSd. Rechtsprechung zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Die Unübertragbarkeit auf die Frage der Veranlassung des Absolvierens der Prüfung folgt aus der schadensersatzrechtlichen Prägung der Definition5.
Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht dagegen, es für die Erfüllung des Tarifmerkmals ausreichen zu lassen, dass der Arbeitgeber ein erkennbares Interesse an der Beschäftigung geprüfter Hafenfacharbeiter hat. Nach dem „Eingruppierungsvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1.06.2000 begründet wurde“ (im Folgenden EV aF), war für die Eingruppierung in dessen Lohngruppe V/1 nur erforderlich, dass die Qualifikation als Hafenfacharbeiter durch das Bestehen der Facharbeiterprüfung vor der zuständigen Prüfungsinstanz erworben wurde. Da es für die Vergütung nach der Lohngruppe V/1 EV aF nur auf die Qualifikation ankommt, hat dies zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vor dem 1.06.2000 begründet wurde, allein durch das Ablegen der Prüfung einen Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe V/1 EV aF erhält, ohne dass gewährleistet wäre, dass der Arbeitgeber einen entsprechenden Vorteil aus der höheren Qualifikation ziehen kann. Offenkundig ist dies bei Arbeitnehmern, die nach dem 31.05.2000 eingestellt wurden, anders. Der Arbeitgeber sollte Einfluss darauf erhalten, ob eine Vergütung nach Lohngruppe V gezahlt werden muss. Ansonsten bestünde das Risiko, dass er einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern eine höhere Vergütung zahlen müsste, obwohl er sie gar nicht ihrer Qualifikation entsprechend einsetzen kann. Zwar hätte es nahegelegen, darauf abzustellen, ob der Hafenfacharbeiter eine seiner Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausübt. Offenbar wollten aber die Tarifvertragsparteien die Grundstruktur des Tarifmerkmals nicht ändern und haben daher auf die Veranlassung der Qualifikation durch den Arbeitgeber abgestellt. Die ausgeübten Tätigkeiten sollten weiterhin unbeachtlich bleiben. Dann kann es entgegen der Auffassung des Hafenarbeiters für die Erfüllung des Tarifmerkmals nicht darauf ankommen, ob die Qualifikation für die später auszuübenden Tätigkeiten objektiv von Vorteil ist.
Auch die Praktikabilität des Auslegungsergebnisses spricht für die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen oder konkludenten Aufforderung des Arbeitgebers. Die Abgabe einer solchen Erklärung lässt sich regelmäßig einfach feststellen. Es wäre dagegen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht zuträglich, das Tarifmerkmal bereits als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitgeber ein erkennbares Interesse an einem Ablegen der Prüfung hätte. Eine solche Abgrenzung wäre kaum durchführbar, weil grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Ausbildung zum Hafenfacharbeiter für viele Tätigkeiten im Hafen von Vorteil ist, ohne zugleich erforderlich zu sein.
In Anwendung dieses Maßstabs war in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht davon auszugehen, dass der Hafenarbeiter die Hafenfacharbeiterprüfung im Sinne der Lohngruppe V EV auf betriebliche Veranlassung hin absolviert hat:
Zunächst hat der Arbeitgeber zutreffend darauf hingewiesen, dass der Tarifvertrag nicht auf die veranlasste Teilnahme an der Ausbildung, sondern auf die Veranlassung des Absolvierens der Prüfung abstellt. Der Arbeitgeber hat insofern geltend gemacht, der Hafenarbeiter habe sich – insbesondere nachdem er durch die erste Prüfung gefallen war – selbständig und ohne eine Beteiligung des Arbeitgebers zur Wiederholungsprüfung angemeldet. Dass und wie der Arbeitgeber das Absolvieren der Prüfung am 2.06.2006 veranlasst haben soll, hat der Hafenarbeiter zu keinem Zeitpunkt dargetan. Sein Vortrag beschränkt sich durchgehend auf den Beginn der Ausbildung und dessen Veranlassung.
Selbst wenn man das Ablegen der Prüfung als Teil der Ausbildung zum Hafenfacharbeiter sieht, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Hafenarbeiter sich auf einer Betriebsversammlung auf eine vom Betriebsrat ausgelegte Liste als Interessent an einer Ausbildung zum Hafenfacharbeiter eingetragen. Dass der Arbeitgeber die Auslage der Liste veranlasst hat, hat der Hafenarbeiter nicht behauptet; vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Betriebsrat die Liste ausgelegt hat. Er hat auch nicht dargetan, dass auf der Betriebsversammlung der Arbeitgeber Erklärungen abgegeben hat, nach denen sich interessierte Mitarbeiter in die Liste eintragen sollen, oder entsprechende Äußerungen abgegeben wurden, die dem Arbeitgeber zurechenbar sind. Dies gilt umso mehr, als die Betriebsversammlung nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aus den Arbeitnehmern des Betriebs besteht; und vom Vorsitzenden des Betriebsrats geleitet wird. Dass der Arbeitgeber von seinem nach § 43 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestehenden Rederecht auf der Betriebsversammlung Gebrauch gemacht hat – insbesondere er bzw. seine Repräsentanten die Hafenarbeiter aufgefordert haben, ihr Interesse am Absolvieren der Hafenfacharbeiterprüfung zu bekunden – ist vom Hafenarbeiter nicht behauptet worden.
Allein in der Kostenübernahme für die Ausbildung zum Hafenfacharbeiter liegt keine Aufforderung zur Teilnahme an der Ausbildung und der anschließenden Prüfung. Dabei kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber bereits aufgrund der Vereinbarung zwischen dem Hafenbetriebsverein im Lande Bremen e. V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Bezirksverwaltung WeserEms – vom 14.05.1975 zur bezahlten Freistellung und Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Nr. 5 dieser Vereinbarung lautete:
„Die Hafeneinzelbetriebe und der Gesamthafenbetriebsverein im Lande Bremen e. V. sind verpflichtet, die weitere Ausbildung ihrer sich hierfür freiwillig entscheidenden Arbeitnehmer zum Hafenfacharbeiter durch Teilnahme an den im Auftrage der ‚Hafenfachschule im Lande Bremen‘ vom Hafenbetriebsverein im Lande Bremen e. V. angebotenen Funktionsausbildungskreisen zu ermöglichen.“
Selbst wenn das Angebot zur Kostenübernahme über die tariflichen Pflichten des Arbeitgebers hinausginge, konnte der Hafenarbeiter dies nicht als betrieblich veranlasste Aufforderung zur Teilnahme am Lehrgang und an der Prüfung verstehen. Zwar mag im Einzelfall im Angebot einer Kostenübernahme eine konkludente Aufforderung zu sehen sein. Einem solchen Verständnis steht vorliegend jedoch die von dem Arbeitgeber veranlasste; und vom Hafenarbeiter – kommentarlos – unterzeichnete Freiwilligkeitserklärung vom 12.09.2005 entgegen. Zwar hat der Hafenarbeiter zu Recht geltend gemacht, dass in dieser Erklärung wegen § 4 Abs. 4 TVG kein wirksamer Verzicht auf tarifliche Rechte liegen kann. Indem der Arbeitgeber vom Hafenarbeiter die Unterzeichnung des Schreibens verlangte, hat er aber zugleich klargestellt, dass er vom Hafenarbeiter die Teilnahme am Lehrgang und an der Facharbeiterprüfung nicht erwarte und ihn gerade nicht hierzu auffordere.
Auch aus einem Schreiben des Arbeitgebers ergibt sich keine „betriebliche Veranlassung“ iSd. Lohngruppe V EV, wenn die Teilnahme des Hafenarbeiters an der Ausbildung im Zeitpunkt des Zugangs bereits feststand und das Schreiben nur noch der Koordinierung der Teilnahme diente und der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber für die Dauer des Lehrgangs unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung bereits freigestellt wurde, so dass das Schreiben des Arbeitgebers nicht mehr als eine Ausübung des Direktionsrechts iSd. § 106 GewO verstanden werden kann.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Dezember 2016 – 4 AZR 112/14
- BAG 10.12 2014 – 4 AZR 503/12, Rn.19, BAGE 150, 184; 19.09.2007 – 4 AZR 670/06, Rn. 30, BAGE 124, 110[↩]
- LAG Hamm 30.08.2007 – 17 Sa 969/07[↩]
- vgl. zum Betriebsbegriff BAG 15.11.2012 – 8 AZR 683/11, Rn. 25 mwN; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 17 Rn. 2[↩]
- st. Rspr. vgl. BAG 13.05.1998 – 4 AZR 107/97, zu 5.01.1 der Gründe mwN, BAGE 89, 6[↩]
- vgl. BAG 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, Rn. 14[↩]