Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer.

Weder aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags noch aus dem BBiG ergibt sich, dass die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze nicht anzuwenden wären, § 10 Abs. 2 BBiG. Vielmehr gehört es zu den in § 13 BBiG aufgeführten Pflichten des Auszubildenden, die im Rahmen der Berufsausbildung aufgetragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten und Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln.
Im hier entschiedenen Fall verneinte das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus auch einen Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGB VII, da die schädigende Handlung des Auszubildenden – ein Wurf mit abgenommen Wuchtgewichten nach hinten – keine „betriebliche Tätigkeit“ war, auch nicht eines Auszubildenden.
Eine betriebliche Tätigkeit lag nicht vor.
Entscheidend für das Vorliegen einer „betrieblichen Tätigkeit“ und das Eingreifen des Haftungsausschlusses iSv. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde1. Eine betriebliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn eine Aufgabe verrichtet wird, die in den engeren Rahmen des dem Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgabenkreises fällt, denn der Begriff der betrieblichen Tätigkeit ist nicht eng auszulegen. Er umfasst auch die Tätigkeiten, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen2. Wie eine Arbeit ausgeführt wird – sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig, ist nicht dafür entscheidend, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht3.
Aus der Zugehörigkeit des Schädigers zum Betrieb und einem Handeln im Betrieb des Arbeitgebers allein kann nicht auf eine Schadensverursachung durch eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden. Nicht jede Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers muss zwingend eine betriebsbezogene sein. Ebenso wenig führt bereits die Benutzung eines Betriebsmittels zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit. Es kommt darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war. Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb, ist dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt4.
Nach diesen Grundsätzen wurde der Schaden nicht durch eine betriebliche Tätigkeit des Auszubildenden verursacht. Dies ist unabhängig davon, ob der Wurf mit einem Wuchtgewicht erfolgte, das der Auszubildende gerade von einem Fahrzeugrad entfernt hatte, also aufgrund des Arbeitsprozesses ohnehin in der Hand hielt, oder ob der Auszubildende vor dem Wurf ein auf dem Boden liegendes Wuchtgewicht zum Zwecke des Wurfes aufgehoben hatte.
Wuchtgewichte sind zwar Betriebsmittel, allein deren Benutzung macht eine Tätigkeit jedoch nicht zu einer betrieblichen. Das Anbringen wie auch das Entfernen von Wuchtgewichten von Fahrzeugrädern gehörte am Morgen des 24.02.2011 zur betrieblichen Tätigkeit des Auszubildenden. Auch das Entsorgen der Wuchtgewichte ist damit verbunden. Falls ein Auffang- oder Sammelbehälter tatsächlich nicht vorhanden gewesen sein sollte, was dahinstehen kann, gehörte auch das Fallenlassen auf den Boden oder womöglich auch ein leichter Wurf auf den Boden („aus dem Weg“) zur betrieblichen Tätigkeit des Auszubildenden. Eine unsachgemäße oder fehlerhafte, unvorsichtige oder gar leichtsinnige Ausführung würde dann nichts daran ändern, dass eine betriebliche Tätigkeit vorlag.
Um solch eine Situation handelte es sich jedoch am Morgen des 24.02.2011 in dem Moment nicht, als der Auszubildende das Wuchtgewicht warf, das den Geschädigten traf und verletzte. Selbst wenn der Auszubildende das Wuchtgewicht nicht „extra“ aufgehoben hat, sondern es noch in Ausführung seiner betrieblichen Tätigkeit in der Hand hielt, endete die Betriebsbezogenheit seiner Tätigkeit – oder wurde sie unterbrochen – als er den Wurf „nach hinten“ mit abgewandtem Körper und mit Kraftaufwand („geschleudert“) ausführte. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Arbeitsraum, in dem andere Menschen anwesend sind oder mit ihrer Anwesenheit zu rechnen ist, noch dazu mit Kraftaufwand, ist keine betriebliche Tätigkeit. Abgesehen von der Frage des Vorsatzes – die das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend und ohne Beanstandung durch die Revision verneint hat – kommt es auf die Frage des Motivs für den Wurf nicht an. Nahe liegt eine neben der betrieblichen Arbeit verübte, gefahrenträchtige Spielerei oder Neckerei unter Auszubildenden. Das unterstreicht die Revision im Ergebnis, wenn sie auf „für Auszubildende typische … gruppendynamische Effekte“ hinweist und bezogen auf die beteiligten Personen insgesamt „eine gewisse (Nach)Lässigkeit bei der Erfüllung ihrer Arbeitsleistung“ konstatiert.
Für das Ausbildungsverhältnis im Betrieb gelten keine anderen Maßstäbe als für andere Beschäftigte.
Weder gebieten hier eine „Unerfahrenheit im beruflichen Alltag“ noch eine „noch nicht vorhandene berufliche Sozialisation“, bei der Haftung besondere Maßstäbe anzuwenden.
Weder der Wortlaut von § 105 Abs. 1 SGB VII noch der Sinnzusammenhang oder Zweck enthalten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff der betrieblichen Tätigkeit anders aufzufassen wäre, wenn und weil Auszubildende beteiligt sind5. Die Beteiligung von Auszubildenden an einem schadensverursachenden Vorfall hat keine Bedeutung für die Frage der Einordnung einer Tätigkeit als betriebliche oder nicht-betriebliche.
Zudem reichen das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers und die Vorschrift des § 828 Abs. 3 BGB aus, um auch den Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses Rechnung zu tragen und Auszubildende ausreichend zu schützen6.
Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 105 Abs. 1 SGB VII für die Haftungsfreistellung bei Schulunfällen, zuletzt zur Schulbezogenheit einer Schneeballschlacht unter Schülern an einer in der Nähe einer Schule gelegenen Bushaltestelle7.
Im Bereich der Schulunfälle ist für das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit danach zu fragen, ob das Handeln des Schädigers „schulbezogen“ war8. Daraus folgen bezogen auf die Besonderheiten des Schulbetriebs besondere Maßstäbe. Maßgeblich ist insoweit, ob die Verletzungshandlung auf der typischen Gefährdung aus engem schulischen Kontakt beruht und deshalb einen inneren Bezug zum Besuch der Schule aufweist. Anders als im betrieblichen Zusammenhang sind schulbezogen im Sinne dieser Rechtsprechung insbesondere Verletzungshandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden; dasselbe gilt für Verletzungshandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin beruhen9.
Diese schulbezogenen Maßstäbe können nicht auf Auszubildende im Betrieb übertragen werden. So machen Verhaltensweisen, die nach der Rechtsprechung zu den Besonderheiten des Schulbetriebs gehören wie Spielereien, Neckereien und Raufereien, im betrieblichen Umfeld gerade keine „betriebliche Tätigkeit“ aus, sondern führen dort zur Einordnung in den persönlich-privaten Bereich. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rahmen der Schülerunfallversicherung zu typischen gruppendynamischen Prozessen unter Schülern10. Auch diese Rechtsprechung betrifft die schulische Situation und eben nicht die betriebliche.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2015 – 8 AZR 67/14
- BGH 30.04.2013 – VI ZR 155/12, Rn. 13; BAG 22.04.2004 – 8 AZR 159/03, zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 110, 195; ErfK/Rolfs 15. Aufl. SGB VII § 105 Rn. 3[↩]
- BAG 22.04.2004 – 8 AZR 159/03 – aaO[↩]
- BAG 22.04.2004 – 8 AZR 159/03 – aaO; 14.03.1967 – 1 AZR 310/66, zu b der Gründe; BGH 19.12 1967 – VI ZR 6/66, zu 2 der Gründe; BAGW/v. Koppenfels-Spies 3. Aufl. § 105 SGB VII Rn. 3[↩]
- BAG 22.04.2004 – 8 AZR 159/03, zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 110, 195[↩]
- vgl. auch BAG 9.08.1966 – 1 AZR 426/65, zu I 2 d der Gründe, BAGE 19, 41 bezogen auf den insoweit wortgleichen § 637 Abs. 1 RVO und minderjährige „Lehrlinge“[↩]
- BAG 18.04.2002 – 8 AZR 348/01, zu II 2 b ee der Gründe, BAGE 101, 107; 7.07.1970 – 1 AZR 507/69[↩]
- BGH 15.07.2008 – VI ZR 212/07[↩]
- ua. BGH 15.07.2008 – VI ZR 212/07, Rn. 11 ff.; 28.04.1992 – VI ZR 284/91, zu II 1 a der Gründe, zu dem insoweit wortgleichen § 637 Abs. 1 RVO[↩]
- ua. BGH 15.07.2008 – VI ZR 212/07, Rn. 12[↩]
- ua. BSG 7.11.2000 – B 2 U 40/99 R[↩]