Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis – wie hier – nach dem 31.12 2003 begonnen hat.

§ 23 Abs. 1 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen derjenige des § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt1. Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden2. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb“ und „Unternehmen“ in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen3. Dies ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden4.
Der Betriebsbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat5.
Dabei lassen weder eine „gemeinsame Telefonanlage“ noch das Abhalten einer regelmäßigen montäglichen Telefonkonferenz zwischen beiden Standorten darauf schließen, die wesentlichen Entscheidungen in personellen oder sozialen Angelegenheiten würden von einer einheitlichen Leitung getroffen.
Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast6 dürfen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn dieser die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die Betriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, hat der Arbeitgeber hierauf gem. § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere Betriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben7.
Im hier entschiedenen Fall bedeutete dies für das Bundesarbeitsgericht: Selbst unterstellt, der Arbeitnehmer sei auf der ersten Stufe seiner Darlegungslast für einen einheitlichen Betrieb noch nachgekommen, ist die Arbeitgeberin dem in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie hat im Einzelnen Umstände vorgetragen, aus denen sich eine organisatorisch eigenständige Leitung der beiden Betriebsstätten in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten ergibt. Die von der Arbeitgeberin behaupteten Tatsachen hat der Arbeitnehmer weder konkret bestritten noch hat er substantiierten Gegenvortrag zur Darlegung einer einheitlichen Leitungsmacht gehalten. Er hat sich auch nicht darauf berufen, ihm habe insofern die eigene Kenntnis gefehlt. Sein demnach gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend substantiiertes Bestreiten führt dazu, dass das Vorbringen der Arbeitgeberin nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Diese Würdigung kann das Bundesarbeitsgericht selbst vornehmen. Ob ein Bestreiten ausreichend ist, unterliegt selbst ohne Rüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht8.
Die Arbeitgeberin hat behauptet, die Entscheidungen über Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen und Urlaubsgewährung treffe für die Betriebsstätte in H der für diese zuständige Geschäftsführer V und für den Standort M der dortige Geschäftsführer H. Auch Personalgespräche und Personalbeurteilungen führe der jeweils zuständige Geschäftsführer durch. Ebenso werde über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen am jeweiligen Standort entschieden.
Der Arbeitnehmer ist diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat die von der Arbeitgeberin behaupteten Zuständigkeiten der Geschäftsführer in den personellen und sozialen Angelegenheiten des jeweiligen Standorts nicht konkret bestritten. Soweit er geltend gemacht hat, es gebe nicht zwei Betriebe, es existierten auch nicht zwei klar getrennte Aufgabenbereiche, der Vortrag über die „gekünstelt dargestellte“ vorgebliche Aufgabenverteilung werde als unzutreffend in Abrede gestellt, liegt darin kein substantiiertes Bestreiten. Dies gilt auch, soweit der Arbeitnehmer behauptet hat, der Geschäftsführer H habe sich ebenso für Vertriebsaktivitäten verantwortlich gefühlt und beide Geschäftsführer hätten „auch parallele Aktionen“ durchgeführt, entsprechend hätten in der Vergangenheit seine Ansprechpartner in der Geschäftsführung gewechselt. Dies spricht zwar möglicherweise für eine unternehmerische Befassung auch des Geschäftsführers H mit Vertriebsaktivitäten, nicht aber gegen die von der Arbeitgeberin behauptete eigenständige Leitungsmacht der beiden Geschäftsführer in den jeweiligen personellen und sozialen Angelegenheiten „ihres“ Standorts. Der Arbeitnehmer hat sich auch nicht darauf berufen, er könne sich hierzu mangels eigener Kenntnis nicht näher einlassen. Soweit er seine eigene organisatorische Anbindung an die H Betriebsstätte bestreitet, fehlt es an ausreichendem Tatsachenvortrag, woraus sich stattdessen seine Zuordnung zur M Betriebsstätte ergeben soll. Aus der Formulierung im Arbeitsvertrag, dass er am Sitz der Gesellschaft an zwei Tagen im Monat persönlich verfügbar sein müsse, folgt dies jedenfalls nicht. Unerheblich ist auch sein Vorbringen zum Firmensitz der Arbeitgeberin sowie ihrer Eintragung im Handelsregister. Weshalb sich schließlich aus den gesetzlichen Vorgaben des Investmentgesetzes ergeben soll, dass die von der Arbeitgeberin behauptete Struktur mit zwei eigenständigen Betrieben unzulässig sei, wird weder aus dem Vortrag des Arbeitnehmers deutlich, noch ist dies objektiv ersichtlich.
Für eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl iSd. § 23 Abs. 1 KSchG besteht im Streitfall kein Anlass. Es ist nicht ausnahmsweise geboten, auf die Unternehmensgröße der Arbeitgeberin abzustellen, weil anderenfalls eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarende Ungleichbehandlung der Mitarbeiter ihrer Betriebe mit den Arbeitnehmern in einem nicht in mehrere betriebliche Einheiten gegliederten Unternehmen vorläge.
Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt9. Die Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Das liefe auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte generelle Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmen hinaus und berücksichtigte nicht, dass auch das Bundesverfassungsgericht lediglich von Einzelfällen ausgegangen ist, die dem gesetzgeberischen Leitbild nicht entsprächen10. Die Anwendung der Kleinbetriebsklausel ist auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als „Betrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom Bundesverfassungsgericht als charakteristisch benannten Merkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind11, ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. Maßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird12.
Danach sind Umstände weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die enge Zusammenarbeit der am jeweiligen Standort beschäftigten Arbeitnehmer wesentlich von der in einem typischen Kleinbetrieb unterschiede, dass sich also etwa die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden einzelnen Beschäftigten nicht in einer solchen Weise unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der jeweils in H und M gelegenen betrieblichen Einheiten auswirkte, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist. Auch für eine missbräuchliche, allein auf die Verhinderung des Entstehens allgemeinen Kündigungsschutzes der Beschäftigten gerichtete willkürliche Zersplitterung des Unternehmens der Arbeitgeberin in mehrere eigenständige Einheiten gibt es keine Anhaltspunkte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. März 2017 – 2 AZR 427/16
- zuletzt BAG 19.07.2016 – 2 AZR 468/15, Rn. 12[↩]
- BAG 7.07.2011 – 2 AZR 476/10, Rn. 36; 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, Rn. 16[↩]
- BAG 19.07.2016 – 2 AZR 468/15, Rn. 12; 17.01.2008 – 2 AZR 902/06, Rn. 15 f., BAGE 125, 274[↩]
- BVerfG 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169[↩]
- BAG 13.02.2013 – 7 ABR 36/11, Rn. 31; 18.01.2012 – 7 ABR 72/10, Rn. 28[↩]
- dazu Rn. 12[↩]
- BAG 15.03.2001 – 2 AZR 151/00, zu II 1 c der Gründe[↩]
- zu § 138 Abs. 4 ZPO vgl. BGH 10.10.1994 – II ZR 95/93, zu 3 d der Gründe[↩]
- BVerfG 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169; BAG 19.07.2016 – 2 AZR 468/15, Rn.20; 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, Rn. 25[↩]
- BAG 19.07.2016 – 2 AZR 468/15 – aaO; 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, Rn. 24[↩]
- BVerfG 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, zu B I 3 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169[↩]
- BAG 19.07.2016 – 2 AZR 468/15 – aaO; 28.10.2010 – 2 AZR 392/08 – aaO[↩]