Mindestlohn für pädagogisches Personal – Entgeltfortzahlung und Feiertagslohn

Die Ausnahmeregelung in Satz 2 des § 1 Nr. 2 TV Mindestlohn für pädagogisches Personal greift nur ein, wenn die Einrichtung arbeitszeitlich überwiegend mit der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen befasst ist. Nach dem Lohnausfallprinzip bemisst sich der Feiertagslohn und der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach der Höhe des Mindestlohns gemäß § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn für das pädagogische Personal.

Mindestlohn für pädagogisches Personal – Entgeltfortzahlung und Feiertagslohn

Für die Arbeitszeit die infolge eines Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Gleiches gilt für die ersten 6 Wochen, in denen die Arbeit infolge einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausfällt. Die Arbeitnehmerin hätte in den streitbefangenen Zeiträumen ohne den feiertagsbedingten und den krankheitsbedingten Arbeitsausfall gemäß § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn einen Anspruch auf 12, 60 € pro Stunde gehabt. Dieses Entgelt ist ihr fortzuzahlen (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 und 1a EFZG).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt den Bestimmungen des TV Mindestlohn. Dabei ergibt sich die Tarifbindung mangels beiderseitiger Organisationszugehörigkeit nicht schon aus § 3 TVG sondern aus § 7 AEntG i. V. m. der Verordnung vom 20.07.2012.

Bei dem TV Mindestlohn handelt es sich um einen solchen gemäß den §§ 4 Nr. 8, 5, 6 Abs. 9 AEntG, der nach seinem sachlichen Geltungsbereich (§ 1 Nr. 2 TV Mindestlohn) und nach § 1 Satz 1 der Verordnung für Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen gilt, in denen überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach SGB II und III durchgeführt werden, wobei jedoch Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausgenommen sind.

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Das entspricht dem in § 6 Abs. 2 bis 9 AEntG normierten Überwiegensprinzip, das von dem Bundesarbeitsgericht für Mischbetriebe in ständiger Rechtsprechung1 entwickelt worden ist, nach dem ein Betrieb oder selbständiger Betriebsteil einem Tarifvertrag dann unterfällt, wenn arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter seinen sachlichen Geltungsbereich fallen.

Die Arbeitgeberin befasst sich in ihrem Betrieb in A-Stadt mit Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Bundesagentur für Arbeit, also mit Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach SGB II und III, in denen sie ihre Arbeitnehmer einsetzt, ist also überwiegend mit solchen Maßnahmen befasst, sodass der Betrieb grundsätzlich unter den sachlichen Geltungsbereich des § 1 Nr. 2 TV Mindestlohn fällt.

Bei Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit nach SGB II und III kann es sich um allgemeine Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, z. B. nach § 115 SGB III, aber auch um besondere Leistungen im Sinne der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen handeln, z. B. gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III, die in sonstigen Einrichtungen im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erbracht werden. Nach dem mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossenen Vertrag vom 06.07.2011 ist die Arbeitgeberin in der Lage, solche besonderen Maßnahmen in ihrem Betrieb als sonstige Einrichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu erbringen und hat in der streitbefangenen Zeit eine solche Maßnahme durchgeführt.

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Daraus folgt aber nicht, dass der Betrieb in A-Stadt unter die Ausnahmeregelung in § 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn bzw. § 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verordnung fällt. Eine solche allein am Wortlaut ausgerichtete Auslegung berücksichtigt nicht das für Mischbetriebe entwickelte Überwiegensprinzip, das § 6 Abs. 2 bis 9 AEntG zugrunde liegt und deshalb auch bei § 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn bzw. § 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verordnung Anwendung zu finden hat. Da jedoch arbeitszeitlich die Maßnahme nach § 117 Abs. 1 Nr. 1a SBG III von untergeordneter Bedeutung gewesen ist, unterfällt der Betrieb der Arbeitgeberin insgesamt den Normen des TV Mindestlohn.

Die Arbeitnehmerin ist als pädagogische Mitarbeiterin in den von der Arbeitgeberin durchgeführten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen tätig und unterfällt damit dem persönlichen Geltungsbereich des § 1 Nr. 3 TV Mindestlohn.

Die Arbeitgeberin kann der Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche auf der Basis des Mindestlohnes nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn nicht entgegenhalten, dass gemäß § 2 TV Mindestlohn lediglich der Mindestlohn für die tatsächlich geleistete Arbeit und der Urlaub geregelt ist2.

Richtig ist, dass gemäß den §§ 2 Nr. 1 und 2, 3, 5, 8 Abs. 1 AEntG zum Zwecke der Erstreckung auf aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer in § 2 TV Mindestlohn nur das Entgelt für geleistete Arbeit und der Urlaub geregelt ist, worauf sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts3 auch nur die Bürgenhaftung des § 14 AEntG bezieht. Daraus kann jedoch entgegen Koberski/Asshoff/Eustrup/Winkler, AEntG, 3. Auflage, § 5, Rdnr. 184 nicht geschlossen werden, dass der Mindestlohn nicht Basis der Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche nach den §§ 2, 3, 4 EFZG sein kann.

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Dass die Entgeltfortzahlungsansprüche nach den §§ 2, 3, 4 EFZG nicht gemäß § 3 AEntG international zwingend sind, führt für inländische Arbeitnehmer nicht zu deren Unanwendbarkeit. Rechtsgrundlage für die Entgeltfortzahlungsansprüche sind gerade nicht die §§ 2, 3 Nr. 1 TV Mindestlohn. Rechtsgrundlage sind vielmehr die Entgeltfortzahlungsregelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.

Für den streitbefangenen Zeitraum bestimmt sich deshalb der noch offene Entgeltsanspruch der Arbeitnehmerin aus der Summe der tatsächlichen Arbeitsstunden/Urlaubsstunden zuzüglich der Entgeltfortzahlungsstunden wegen Feiertags und wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit multipliziert mit 12, 60 € abzüglich des für diesen Zeitraum bereits gezahlten Entgelts.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 4. Juni 2014 – 16 Sa 1348/13
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 4. Juni 2014 – 16 Sa 20/14

  1. z. B. BAG, Urteil vom 26.09.2001 – 10 AZR 669/00, AP Nr. 244 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau[]
  2. wie hier: LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.11.2013 – 2 Sa 667/13, Revision eingelegt zum Aktenzeichen 10 AZR 191/14[]
  3. BAG Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 617/01, AP Nr. 2 zu § 1 a AEntG[]
  4. kritisch dazu: Thüsing/Bayreuther, AEntG, § 8, Rdnr. 6[]