Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das Bundesarbeitsgericht anschließt, vor, wenn das Gericht die an eine hinreichende Substantiierung zu stellenden Anforderungen überspannt und in der Folge einen angebotenen Beweis zu Unrecht nicht erhebt1.

Gemäß § 373 ZPO hat die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe.
Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab2. Zur Ermittlung von Umständen, die ihr nicht bekannt sind (oder sein können), ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht verpflichtet.
Gemessen daran hat in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall das in der Vorinstanz tätige Landesarbeitsgericht Düsseldorf3 den Anspruch der Arbeitgeberin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es – ohne Vernehmung der von der Arbeitgeberin als Zeugin benannten Betriebsärztin Frau Dr. N – davon ausgegangen ist, deren „bloße Schlussfolgerungen“ seien für die gerichtliche Überzeugungsbildung nicht erheblich, weil die Arbeitgeberin nicht mitgeteilt habe, auf welchen Tatsachen die Schlussfolgerungen der Ärztin beruhten.
Die angegriffene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beruht auch auf diesem Gehörsverstoß. Für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG reicht es aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht nach Vernehmung der Betriebsärztin zu der Überzeugung (§ 286 ZPO) gelangt wäre, dass der Einsatz der Arbeitnehmerin auch im Spätdienst bzw. im Wechsel zwischen Früh- und Spätdienst möglich wäre.
Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht die Arbeitnehmerin hinsichtlich der Entbindung der Betriebsärztin von ihrer Schweigepflicht auf ihre prozessualen Mitwirkungspflichten hinzuweisen haben (§ 139 ZPO). Sollte die Arbeitnehmerin die Betriebsärztin nicht von ihrer Schweigepflicht entbinden, wäre auch dies ein im Rahmen der Beweiswürdigung im Rahmen des § 286 ZPO zu berücksichtigender Umstand.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 6. April 2022 – 5 AZN 700/21
- vgl. BGH 14.01.2020 – VI ZR 97/19, Rn. 6; 15.10.2019 – VI ZR 377/18, Rn. 10 – jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH 14.01.2020 – VI ZR 97/19, Rn. 8; 15.10.2019 – VI ZR 377/18, Rn. 10 – jeweils mwN[↩]
- LAG Düsseldorf 17.07.2021 – 5 Sa 586/20[↩]
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