Staatenimmunität – und der Streit um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses

Eine Klage, mit der das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem ausländischen Staat festgestellt werden soll, in dessen Rahmen der Arbeitnehmer Tätigkeiten auszuüben hat, die in einem engen funktionalen Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben des ausländischen Staats iSv. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961 bzw. Art. 5 Buchst. b und c des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.04.1963 stehen, ist unzulässig. Für diese Streitigkeit ist der ausländische Staat der deutschen Gerichtsbarkeit nach § 20 Abs. 2 GVG nicht unterworfen, weil sie seine hoheitliche Tätigkeit betrifft.

Staatenimmunität – und der Streit um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses

Die Eröffnung der deutschen Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung. Ihr Bestehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen1. Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit stellt ein Verfahrenshindernis dar. Genießt die beklagte Partei Immunität und hat sie hierauf nicht verzichtet, ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen2.

Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen3, nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staats rechtlich überprüft4. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die inländischen Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, dass die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft oder des Konsulats des anderen Staats beeinträchtigt wäre5. Demgegenüber besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, welche die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat ausschlösse, in denen seine nicht-hoheitliche Betätigung zur Beurteilung steht6.

Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nach dem rechtlichen Charakter der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist7. Geht es um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis, ist maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Entscheidend sind der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit8 sowie ihr – bestehender oder nicht bestehender – funktionaler Zusammenhang mit den diplomatischen und konsularischen Aufgaben9. In Ermangelung völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist diese Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht am Sitz des entscheidenden Gerichts vorzunehmen10. Ungeachtet seiner ist stets hoheitlich nur das staatliche Handeln, das dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist. Zu ihm gehören die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege11.

Der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag der Streit eines in Deutschland Beschäftigten mit dem niederländischen Staat zugrunde:

Seit 1997 gründet die Agentur des niederländischen Wirtschaftsministeriums für Internationalen Handel und Kooperation (Agentschap van EZ voor Internationaal Ondernemen en Samenwerken, nachfolgend Agentschap) auf Initiative der Generaldirektion für Außenwirtschaftsbeziehungen und mit Mitteln des niederländischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten weltweit in zukunftsträchtigen Regionen in ausländischen Märkten sogenannte „Netherlands Business Support Offices“ (nachfolgend NBSO). In Deutschland bestehen vier NBSO, eines davon in Hamburg. Das NBSO in Hamburg unterstützt ua. niederländische Unternehmen dabei, Handelskontakte in Norddeutschland zu knüpfen. Die von ihm erbrachten Dienstleistungen reichen von der Beantwortung von Handelsanfragen bis hin zu Marktanalysen und der aktiven Suche nach Handelspartnern. Des Weiteren informieren die Mitarbeiter des NBSO über relevante Themen und Entwicklungen und über die Chancen und Vorteile der Region.

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Die administrative Leitung des NBSO Hamburg lag jedenfalls bis zum 31.12 2012 bei einer Stiftung nach niederländischem Recht mit Sitz in Den Haag. Grundlage für die Verwaltung der NBSO durch die Stiftung war ein zwischen der Stiftung und dem Königreich der Niederlande abgeschlossener „Vertrag über Dienstleistungen für die Verwaltung von Netherlands Business Support Offices“ vom 27.03.2003 („Dienstleistungsvertrag“), der zumindest bis zum 31.12 2012 verlängert wurde.

Die Arbeitnehmerin ist deutsche Staatsangehörige und wohnt in Hamburg. Sie war seit dem 1.08.2009 auf der Grundlage eines mit der niederländischen Stiftung abgeschlossenen schriftlichen auf vier Jahre befristeten Arbeitsvertrags vom 12.05.2009 als „Chief Representative“ (Generalbevollmächtigte) des NBSO in Hamburg beschäftigt. Auf diese Position hatte sie sich aufgrund einer Stellenanzeige im Hamburger Abendblatt beworben und dazu ihre Bewerbungsunterlagen an die Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft in Berlin gesandt. Vorstellungsgespräche führte sie im damals noch bestehenden Generalkonsulat der Niederlande in Hamburg und in der niederländischen Botschaft in Berlin. Ihren in niederländischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag erhielt sie aus den Niederlanden, unterzeichnete ihn in Deutschland und sandte ihn nach Den Haag zurück.

Steuern und Sozialabgaben wurden in Deutschland abgeführt. Ihre Tätigkeit übte die Arbeitnehmerin gewöhnlich im Hamburger Büro aus. Sie verbrachte pro Jahr ca. zehn Tage in den Niederlanden, um dort an Besprechungen teilzunehmen. Ihre Einarbeitung erfolgte durch die Handelsassistentin der niederländischen Botschaft in Berlin. Schulungen und Einführungen im Jahr 2009 erfolgten im Wirtschaftsministerium des Königsreichs der Niederlande. Ihre Arbeit stimmte die Arbeitnehmerin mit ihren Ansprechpartnern bei der Agentschap, ua. mit dem NBSO-Koordinator, ab, auch erfolgte eine Abstimmung über die Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft in Berlin. Dortiger Ansprechpartner war der Leiter der Wirtschaftsabteilung. Die letzten vier Jahre koordinierte des Weiteren der I. Botschaftssekretär in der Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft in Berlin die Arbeit der NBSO. Dieser war für das Tagesgeschäft stets der erste Ansprechpartner für die Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin arbeitete größtenteils selbstbestimmt und eigenverantwortlich, dh. es fanden lediglich Abstimmungen statt. Für ihre Tätigkeit nutzte sie ua. ein Reportingtool, auf das sämtliche Mitarbeiter der deutschen NBSO, der niederländischen Generalkonsulate in Deutschland sowie der niederländischen Botschaft in Berlin zugreifen. Den Mitarbeitern der Botschaft, der Generalkonsulate und der NBSO waren auf einem gemeinsamen Server sämtliche Dokumente zur Verfügung gestellt. War die Arbeitnehmerin im Urlaub, erfolgte zum Teil eine Urlaubsvertretung durch einen Botschaftsmitarbeiter aus Berlin.

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Die Arbeitnehmerin führte im Jahr 2010 ein Personalgespräch mit dem I. Botschaftssekretär in der Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft und dem NBSO-Koordinator der Agentschap. An einem weiteren Personalgespräch im Jahr 2012 nahm neben diesen beiden Personen zusätzlich der Leiter der Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft teil. Unter dem 5.07.2013 wurde der Arbeitnehmerin ein in deutscher Sprache verfasstes Zwischenzeugnis ausgestellt über ihre Tätigkeit als „Chief Representative“. Dieses Zwischenzeugnis ist unterzeichnet durch den Niederländischen Botschafter und den Leiter der Wirtschaftsabteilung der Niederländischen Botschaft in Berlin.

Zwischenzeitlich wurde streitig, mit welchem Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis besteht. Die schließlich von der Arbeitnehmerin eingereichte Feststellungsklage beurteilte das Bundesarbeitsgericht als unzulässig:

Danach ist der Staat der Niederlande im Streitfall aufgrund seiner Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Rechtsstreit betrifft zwar nicht den Kernbereich staatlichen Handelns. Der Inhalt der ausgeübten und auszuübenden Tätigkeit der Arbeitnehmerin im Rahmen des begehrten Arbeitsverhältnisses mit dem niederländischen Staat steht aber in engem funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen und damit hoheitlichen Aufgaben.

Für die Beurteilung, ob mit der gegen den niederländischen Staat gerichteten Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses seit dem 1.08.2009 die hoheitliche Tätigkeit des niederländischen Staates betroffen ist, ist maßgebend, ob die der Arbeitnehmerin nach dem geschlossenen Arbeitsvertrag übertragenen und von ihr wahrgenommenen Aufgaben bei unterstelltem Bestand des Arbeitsverhältnisses seit dem 1.08.2009 mit dem niederländischen Staat ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich (gewesen) wären. Denn bei einem Erfolg der Klage, die auf eine rückwirkende Feststellung gerichtet ist, wäre die Arbeitnehmerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für den niederländischen Staat tätig geworden.

Die von der Arbeitnehmerin im Rahmen eines mit dem niederländischen Staat unterstellten Arbeitsverhältnisses durchgeführten Aufgaben stehen in einem engen funktionalen Zusammenhang mit dessen diplomatischen und konsularischen und damit hoheitlichen Tätigkeiten.

Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.196112 (nachfolgend WÜD), sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten, darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten sowie ua. die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Empfangsstaat und Entsendestaat auszubauen. Zudem dürfen diplomatische Missionen auch konsularische Aufgaben wahrnehmen (vgl. Art. 3 Abs. 2 WÜD). Konsularische Aufgaben bestehen nach Art. 5 Buchst. b und c des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.04.196313 (nachfolgend WÜK) ua. darin, die Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat zu fördern, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im kommerziellen und wirtschaftlichen Leben des Empfangsstaats zu unterrichten, an die Regierung des Entsendestaats darüber zu berichten und interessierten Personen Auskünfte zu erteilen. Danach ist die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat als Kernbereich der konsularischen Tätigkeiten anzusehen14. Die Mitwirkung auf dem Gebiet der außenwirtschaftlichen Beziehungen wird auch nach § 1 KonsularG im deutschen Recht zu den konsularischen Aufgaben gezählt. Mit der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e WÜD benannten Aufgabe diplomatischer Missionen, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Entsende- und Empfangsstaat zu fördern und auszubauen, ist eine informatorische, vermittelnde und allgemein gehaltene Tätigkeit der Handelsförderung zugestanden, die es ua. umfasst, Firmenkontakte zu möglichen wirtschaftlichen Partnern im Gastland zu vermitteln15.

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Die von der Arbeitnehmerin ausgeübten Tätigkeiten betreffen solche diplomatischen und konsularischen Aufgaben nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e WÜD und Art. 5 Buchst. b und c WÜK.

Im vorliegenden Streitfall hat die Arbeitnehmerin Tätigkeiten ausgeübt, die ganz wesentlich in der Beziehungsförderung, Informationsbeschaffung sowie Informationsvermittlung im Zusammenhang mit kommerziellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten bestehen. Die Arbeitnehmerin hat sich nach der Vorbemerkung in ihrem Arbeitsvertrag „mit den wirtschaftlichen Belangen in Bezug auf den Export von Waren, Dienstleistungen und Know-How von den Niederlanden in Deutschland und der Förderung der Handelsbeziehungen in und mit Deutschland“ beschäftigt. Sie ist danach dafür verantwortlich, „dass Aktivitäten stattfinden bzw. organisiert werden wie z.B. Bereitstellung relevanter wirtschaftlicher Informationen, Handelsförderung und -vermittlung, Recherche, bilateral wirtschaftliche Zusammenarbeit, erste Markteinschätzung und Promotion“. In der Stellenbeschreibung für „Chief Representatives“ (Generalbevollmächtigte) der im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin in Bezug genommenen NBSO-RL ist detailliert aufgeführt, dass deren Aufgaben in der Wirtschaftsförderung, Kontaktförderung, Berichterstattung und Tätigkeiten im Rahmen der Exportförderung bestehen. Zur Wirtschaftsförderung zählt dabei nach der Stellenbeschreibung ua. die Weiterleitung lokaler Unternehmen an das reguläre Postennetzwerk und die Sondierung der Export- und Investitionsmöglichkeiten der niederländischen Wirtschaft. Zur Kontaktförderung gehören der Aufbau und die Instandhaltung eines Netzwerks im Arbeitsgebiet mit Vertretern von kommunalen und regionalen Behörden, Branchenverbänden, Forschungsinstituten ua. Im Zwischenzeugnis der Arbeitnehmerin ist zudem angegeben, sie habe das NBSO „als Außenhandelsagentur des niederländischen Wirtschaftsministeriums“ etabliert und zB das norddeutsche Handelsnetzwerk auf- und ausgebaut. All dies sind Tätigkeiten, die die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat betreffen. Die Unterstützung niederländischer Unternehmen und die Vermittlung lokaler Unternehmen an das reguläre Postennetzwerk dienen der Handelsförderung zwischen dem Empfangs- und dem Entsendestaat. Dies entspricht der der diplomatischen Mission obliegenden informatorischen, vermittelnden und allgemein gehaltenen Tätigkeit der Handelsförderung, die es auch umfasst, Unternehmen des Entsendestaats Kontakte zu möglichen wirtschaftlichen Partnern im Gastland zu vermitteln.

Zudem gehörte es nach der Stellenbeschreibung zum Aufgabenbereich der Generalbevollmächtigten der NBSO und damit der Arbeitnehmerin, sowohl die niederländische Wirtschaft als auch die Agentschap (und damit den niederländischen Staat als Entsendestaat) mit Informationen über Handels- und Kooperationsmöglichkeiten sowie Wirtschaftsentwicklungen in Deutschland zu versorgen und sonstige für die niederländische Wirtschaft relevante Informationen allgemeiner Art für die Datenbank der Agentschap anzuliefern. Daneben hatte die Arbeitnehmerin konkrete Geschäftsmöglichkeiten für die niederländische Wirtschaft zu identifizieren und der Agentschap darüber zu berichten sowie Informationen über Aktivitäten, die für niederländische und lokale Unternehmen geleistet werden, monatlich an die Agentschap weiterzuleiten. Diese Tätigkeiten betreffen die Informationsbeschaffung über Verhältnisse und Entwicklungen im kommerziellen und wirtschaftlichen Leben des Empfangsstaats, die Information der Regierung des Entsendestaats darüber und die Auskunftserteilung an interessierte Personen iSv. Art. 5 Buchst. c WÜK bzw. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d WÜD.

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Die arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben der Arbeitnehmerin als Generalbevollmächtigte des NBSO in Hamburg sind zudem im Lichte der in den NBSO-RL festgehaltenen Aufgaben eines NBSO zu betrachten. Auch diese sind ihrer Art nach diplomatische bzw. konsularische Aufgaben nach Art. 5 Buchst. c WÜK bzw. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d WÜD. Danach unterstützen NBSO niederländische Unternehmen bei der Positionierung in zukunftsträchtigen Regionen in internationalen Märkten (1.1 NBSO-RL) und widmen sich ausschließlich der Förderung der Handelsbeziehungen und Investitionen zu Gunsten der niederländischen Wirtschaft (1.2 NBSO-RL). Davon abgeleitete Aufgaben sind nach 1.3 NBSO-RL die Beantwortung und Bearbeitung von Handelsanfragen, die Förderung von Kontakten niederländischer Unternehmen mit relevanten Geschäftspartnern und Vertretern lokaler Behörden und ua. Beiträge zu Wirtschaftsberichten. Der funktionale Zusammenhang der Tätigkeit der Arbeitnehmerin als Generalbevollmächtigte des NBSO in Hamburg mit diplomatischen bzw. konsularischen Aufgaben der Botschaft wird dadurch bestätigt, dass das NBSO nach den NBSO-RL in enger Anbindung an die niederländische Botschaft und die Agentschap NL und damit an das niederländische Wirtschaftsministerium operiert. Nach 1.2 NBSO-RL ist ein NBSO ein Element des niederländischen Postennetzes, das vom Botschafter im betreffenden Land aufgrund seiner Verantwortung für das gesamte Netzwerk beaufsichtigt wird. Nach 1.04.2 NBSO-RL trägt das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten die Verantwortung für das gesamte Netzwerk von Botschaften, Konsulaten und NBSO. Diese Regelungen machen deutlich, dass die Tätigkeit des NBSO und damit auch die Tätigkeit der Arbeitnehmerin als Generalbevollmächtigte des NBSO in funktionalem Zusammenhang mit den konsularischen und diplomatischen Aufgaben der niederländischen Botschaft stehen.

Die Arbeitnehmerin war zwar – worauf die Vorinstanzen abgestellt haben – für „typisch hoheitliche Aufgaben“ wie zB die Konsulatsunterstützung für Niederländer oder Visumsanträge nicht zuständig. Dies ist jedoch für die Beurteilung der Frage, ob ihre Tätigkeiten anderen diplomatischen oder konsularischen Aufgaben dienen, irrelevant. Dem funktionalen Zusammenhang der Tätigkeit der Arbeitnehmerin mit den hoheitlichen Aufgaben des niederländischen Staates steht auch nicht entgegen, dass zu dem Aufgabenbereich der Arbeitnehmerin auch die Verantwortung für den auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags mit der niederländischen Stiftung wahrgenommenen administrativen Geschäftsbetrieb des NBSO in Hamburg zählte. Dieser Teil des Aufgabenbereichs der Arbeitnehmerin diente den konsularischen bzw. diplomatischen Aufgaben nach Art. 5 Buchst. c WÜK bzw. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d WÜD, die durch den Betrieb des NBSO wahrgenommen wurden. Soweit die Vorinstanzen eine hoheitliche Tätigkeit der Arbeitnehmerin auch mit der Begründung verneint haben, das NBSO stelle keine Vertretung des niederländischen Staates im Sinne der Dienstordnung des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten der Niederlande dar (vgl. 1.1 und 1.2 der NBSO-RL), haben sie nicht berücksichtigt, dass auch die Einschaltung von Rechtspersonen des Privatrechts die hoheitliche Natur nicht zwingend ausschließt16. Das streitige Begehren der Arbeitnehmerin besteht gegenüber dem beklagten Staat gerade darin, ihre Tätigkeit als Generalbevollmächtigte des NBSO für dieses im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auszuführen. Damit begehrt sie der Sache nach, dem niederländischen Staat aufzuerlegen, die konsularischen und diplomatischen Tätigkeiten des NBSO und ihrer Generalbevollmächtigten unmittelbar und durch eine eigene Arbeitnehmerin auszuüben. Auch darin liegt eine Betroffenheit hoheitlicher Befugnisse. Die Staatenimmunität schützt die Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns nach außen. Hierzu gehört auch das Handeln selbständiger Dienststellen, soweit Verfahren sich auf von diesen ausgeübte hoheitliche Funktionen beziehen17. Die Staatenimmunität steht damit nicht nur dem Staat selbst, sondern auch Untergliederungen des Staats zu, durch die dieser handelt18 oder bei einem Erfolg der Klage handeln würde.

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Der Annahme, dass die deutsche Gerichtsbarkeit für die gegen die Niederlande gerichtete Klage nicht gegeben ist, stehen die Regelungen des sowohl von der Bundesrepublik Deutschland19 als auch von den Niederlanden20 ratifizierten Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität vom 16.05.1972 nicht entgegen. Nach Art. 5 Abs. 1 dieses Übereinkommens kann zwar ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft, die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist und keine Ausnahme iSv. Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens vorliegt. Daraus folgt aber nicht, dass der niederländischen Staat vor einem deutschen Gericht hinsichtlich des begehrten Bestands eines Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin keine Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen kann. Nach Art. 32 des Übereinkommens über Staatenimmunität berührt dieses nicht die Vorrechte und Immunitäten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen sowie der diesen angehörenden Personen. Das stellt klar, dass das Europäische Übereinkommen vom 16.05.1972 die diplomatische und konsularische Immunität weder mittelbar noch unmittelbar beeinträchtigen soll. Im Falle eines Widerspruchs zwischen dem Europäischen Übereinkommen und den Bestimmungen der Wiener Übereinkommen vom 18.04.1961 über diplomatische Beziehungen; und vom 24.04.1963 über konsularische Beziehungen sollen letztere den Vorrang haben21. Auch ein Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität kann deshalb bei einem Rechtsstreit, der die Wahrnehmung der Aufgaben der diplomatischen Missionen und der konsularischen Vertretungen betrifft, nach dem Wiener Übereinkommen und den allgemeinen Regeln des Völkerrechts in weiterem Umfang Immunität beanspruchen22.

Der niederländische Staat hat nicht auf seine Staatenimmunität verzichtet23, sondern diese ausdrücklich geltend gemacht. Dem Umstand, dass er – nachdem das Arbeitsgericht seiner Argumentation in dem erstinstanzlichen Teilurteil nicht gefolgt ist – die Frage anschließend nicht mehr angesprochen hat, kann kein Verzicht entnommen werden. Ein rein passives Verhalten kann nicht als Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit gedeutet werden. Die Annahme, ein Verzicht sei erklärt worden, unterliegt strengen Anforderungen24. Die Umstände des Falls dürfen in dieser Hinsicht keine Zweifel lassen25. Der verklagte Staat kann vielmehr darauf vertrauen, dass seine Immunität von Amts wegen beachtet wird26.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2017 – 7 AZR 207/15

  1. BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13, Rn. 15; 22.08.2012 – 5 AZR 949/11, Rn. 8; BGH 30.01.2013 – III ZB 40/12, Rn. 17[]
  2. vgl. BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13 – aaO; BGH 24.03.2016 – VII ZR 150/15, Rn. 16, BGHZ 209, 290[]
  3. vgl. EuGH 19.07.2012 – C-154/11 – [Mahamdia] Rn. 54[]
  4. vgl. BVerfG 17.03.2014 – 2 BvR 736/13, Rn.20; 6.12 2006 – 2 BvM 9/03, Rn. 34, BVerfGE 117, 141; BAG 10.04.2014 – 2 AZR 741/13, Rn. 17; 25.04.2013 – 2 AZR 960/11, Rn. 13[]
  5. BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13, Rn. 16; 1.07.2010 – 2 AZR 270/09, Rn. 11; 16.05.2002 – 2 AZR 688/00, zu II 1 der Gründe[]
  6. BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13 – aaO; 3.07.1996 – 2 AZR 513/95, zu II 1 der Gründe, BAGE 83, 262[]
  7. BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13, Rn. 17; 10.04.2014 – 2 AZR 741/13, Rn. 18[]
  8. BAG 25.04.2013 – 2 AZR 77/12, Rn. 14; 10.04.2013 – 5 AZR 78/12[]
  9. BAG 1.07.2010 – 2 AZR 270/09, Rn. 13[]
  10. BVerfG 17.03.2014 – 2 BvR 736/13, Rn. 21; BAG 10.04.2014 – 2 AZR 741/13, Rn.19; BGH 30.01.2013 – III ZB 40/12, Rn. 11[]
  11. BVerfG 17.03.2014 – 2 BvR 736/13 – aaO; BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13 – aaO; 10.04.2014 – 2 AZR 741/13, Rn.19[]
  12. BGBl.1964 II S. 957[]
  13. BGBl.1969 II S. 1587[]
  14. vgl. Geimer Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 811[]
  15. vgl. Richtsteig Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen 2. Aufl. Art. 3 WÜD S.20 unter c[]
  16. vgl. BAG 23.11.2000 – 2 AZR 490/99, zu II 3 c cc der Gründe[]
  17. vgl. BGH 1.10.2009 – VII ZB 37/08, Rn. 23[]
  18. BGH 1.10.2009 – VII ZB 37/08 – aaO[]
  19. mit Wirkung zum 16.08.1990, BGBl. II 1990 S. 34[]
  20. vgl. Geimer Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 667[]
  21. BAG 25.10.2001 – 2 AZR 501/00, zu II 2 der Gründe; Denkschrift zu dem Übereinkommen BT-Drs. 11/4307 S. 38[]
  22. BAG 25.10.2001 – 2 AZR 501/00 – aaO[]
  23. vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerfG 17.03.2014 – 2 BvR 736/13, Rn. 24; BAG 18.12 2014 – 2 AZR 1004/13, Rn. 41[]
  24. BGH 30.01.2013 – III ZB 40/12, Rn.19[]
  25. vgl. BGH 30.01.2013 – III ZB 40/12, Rn. 14; 9.07.2009 – III ZR 46/08, Rn. 38, BGHZ 182, 10[]
  26. vgl. Geimer Internationales Zivilprozessrecht 7. Aufl. Rn. 516[]