Tarifliches Härtegeld

Als Einmalzahlung wird in Tarifverträgen typischerweise eine pauschalierte Entgelterhöhung oder eine von einer konkreten Gegenleistung unabhängige Sonderzahlung beschrieben1

Tarifliches Härtegeld

Dass auch die Tarifvertragsparteien des hier streitgegenständlichen Haustarifvertrags („Flexi-TV 2015“) von diesem Verständnis ausgegangen sind, belegt die Verbindung des Worts „Sonderzahlung“ mit dem Klammerzusatz „Härtegeld“ in § 2 Buchst. c Satz 4 Flexi-TV 2015.

Ein anderes Begriffsverständnis folgt weder aus § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV noch aus dem Einkommensteuergesetz. Um eine Einmalzahlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn handelt es sich, wenn das gezahlte Entgelt keinen konkreten Bezug zu der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum geleisteten Arbeit hat2. Deshalb kann es sich auch dann um eine solche Einmalzahlung handeln, wenn sie während des ganzen Arbeitsverhältnisses nur ein einziges Mal geleistet wird. Entsprechendes gilt für einmalige Bezüge iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG, die nach § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG Besonderheiten im Hinblick auf die zu erhebende Lohnsteuer unterliegen.

Auch aus dem systematischen Zusammenhang der Norm mit den anderen Ausgleichsregelungen im Flexi-TV 2015 geht hervor, dass das Härtegeld nach § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015 nicht kalenderjährlich zu leisten ist.

Die Zeitgutschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Flexi-TV 2015 erfolgt „pro Woche …, wenn im 7-Tage-Rhythmus … gearbeitet wird“. Nach § 3 Buchst. a Satz 4 Flexi-TV 2015 kann höchstens ein Tankgutschein „pro 4-Wochenblock“ beansprucht werden. Für die beiden zusätzlichen Urlaubstage legt § 2 Buchst. a Flexi-TV 2015 den Bezugszeitraum „pro Jahr der Laufzeit“ fest. Die „Guttage“ nach § 2 Buchst. b Flexi-TV 2015 werden „pro Kalenderjahr“ gutgeschrieben. Vor diesem Hintergrund kann § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015, wonach das Härtegeld „für die Laufzeit des 7-Tage-Betriebes“ gezahlt wird, nur bedeuten, dass sich die Tarifvertragsparteien hier bewusst für diesen Bezugszeitraum entschieden haben und nicht für das Kalenderjahr.

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Für die gegenteilige Auslegung spricht auch nicht, dass § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015 die Arbeitgeberin dazu verpflichtet, das Härtegeld mit der „Jahressonderzahlung“ zu leisten, ohne eine konkrete Jahreszahl anzugeben. Den Tarifvertragsparteien war bei Abschluss des Flexi-TV 2015 aufgrund der Bedingung in § 7 Satz 2 iVm. Satz 1 Flexi-TV 2015 nicht bekannt, wann der Tarifvertrag in Kraft treten würde. Wäre ein kalenderjährlicher Zahlungsrhythmus gewollt gewesen, hätte es zudem nahegelegen, vor „Jahressonderzahlung“ das Wort „jeweiligen“ einzufügen.

Der Arbeitnehmer kann das von ihm für richtig gehaltene Verständnis des § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015 auch nicht mit Erfolg darauf stützen, sonst sei die in § 2 Buchst. c Satz 4 Flexi-TV 2015 vorgesehene Festlegung der „Bedingungen … für den Erhalt der Sonderzahlung (Härtegeld)“ durch die Betriebsparteien entbehrlich. Die Frage, welche Bedingungen die Betriebsparteien sollten regeln können, stellt sich unabhängig davon, welchen Zahlungsrhythmus die Tarifvertragsparteien festgelegt haben.

Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Der Arbeitnehmer weist zutreffend darauf hin, dass die Beschäftigung im 7-Tage-Betrieb eine Erschwernis gegenüber der in § 3 Nr. 3 Satz 1 HMTV geregelten 5-Tage-Woche ist. Angesichts des systematischen Zusammenhangs der Regelung in § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015 mit den Ausgleichsregelungen in § 1 Abs. 2 und § 2 Buchst. a und Buchst. b Flexi-TV 2015 sowie der Bezeichnung als „Härtegeld“ liegt es nahe, dass auch diese Sonderzahlung die Erschwernis ausgleichen soll. Dies zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, das Härtegeld sei ungeachtet des Tarifwortlauts kalenderjährlich zu zahlen. Der mit dem Härtegeld verfolgte Leistungszweck wird auch dann erreicht, wenn es auf die – von den Tarifvertragsparteien bestimmte – Laufzeit des 7-Tage-Betriebs bezogen ist.

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Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Zweck und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden3. Solche Zweifel bestehen hier nicht, sodass die Tarifgeschichte nicht ermittelt werden muss. Dennoch stützte auch sie das gefundene Auslegungsergebnis, wonach das Härtegeld nicht kalenderjährlich zu zahlen ist. Die Regelung des Härtegeldes in § 2 Buchst. c Flexi-TV 2015 geht zurück auf die wortgleiche Bestimmung in § 2 Buchst. d Flexi-TV 2012 und die Vorläuferregelung in § 3 Buchst. d Erg.-TV 2007. Das tarifliche Gefüge stellt damit seit geraumer Zeit nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf die „Laufzeit des 7-Tage-Betriebes“ als Bezugszeitraum für das Härtegeld ab.

Aus der von der Arbeitgeberin vorgelegten Tarifauskunft ergibt sich nichts anderes. Deshalb kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht eine solche Auskunft einholen durfte4. Das Landesarbeitsgericht hat dem von der Arbeitgeberin zu den Akten gereichten E-Mail-Verkehr und damit dem gehaltenen Vortrag ohne revisionsrechtlich erhebliche Fehler eine Verständigung der Tarifvertragsparteien dahin entnommen, dass es sich schon bei dem Härtegeld nach § 2 Buchst. d Flexi-TV 2012 nicht um eine jährliche Zahlung handeln sollte. Es hat vor allem auf das Einverständnis des Vertreters der NGG mit der von der Arbeitgeberin erbetenen Streichung des Zusatzes „jährlich“ aus dem ursprünglichen Entwurf abgestellt. Das Bundesarbeitsgericht teilt aus diesem Grund nicht die Auffassung des Arbeitnehmers, die in § 2 Buchst. d Flexi-TV 2012 eingefügten Worte „mit der Jahressonderzahlung“ hätten den jährlichen Zahlungsrhythmus ausdrücken sollen.

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Anhaltspunkte dafür, dass das Härtegeld bereits mit der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2016 fällig geworden sein könnte, sind weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich. Zwar könnte aus der Regelung in § 2 Buchst. c Satz 1 Flexi-TV 2015 – mit Blick auf § 271 BGB – abgeleitet werden, dass das Härtegeld bereits mit der ersten Jahressonderzahlung nach Inkrafttreten des Tarifvertrags fällig war. Der Flexi-TV 2015 ist jedoch erst am 17.01.2017 – wenn auch rückwirkend zum 1.04.2016 – in Kraft gesetzt worden (§ 3 Satz 2 Erg.-TV 2017). Das Härtegeld kann daher auch nach diesem Verständnis nicht bereits im Kalenderjahr 2016 fällig geworden sein.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2021 – 10 AZR 196/19

  1. BAG 14.11.2012 – 5 AZR 778/11, Rn. 15; 16.12.2009 – 5 AZR 888/08, Rn. 31; 21.10.2009 – 10 AZR 786/08, Rn. 35[]
  2. BSG 10.12.2019 – B 12 R 9/18 R, Rn.19, BSGE 129, 247[]
  3. BAG 2.11.2016 – 10 AZR 615/15, Rn. 42 mwN[]
  4. zu den Anforderungen BAG 10.04.2019 – 4 AZR 587/17, Rn. 27 mwN; 8.11.2017 – 10 AZR 501/16, Rn. 27 mwN; Creutzfeldt FS Düwell 2011 S. 286, 303[]

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