Die Wahl von teilfreigestellten Betriebsratsmitgliedern ist auch dann möglich, wenn der Betriebsrat nicht zuvor einen dahingehenden Beschluss gefasst hat.
 
Ein solcher Beschluss wird zwar teilweise für erforderlich gehalten ((vgl. LAG Baden-Württemberg 18. Januar 2012 – 20 TaBV 1/11 – zu B II 2 a der Gründe; LAG Brandenburg 4. März 2003 – 2 TaBV 22/02 – zu II 2.4 der Gründe; Fitting BetrVG 30. Aufl. § 38 Rn. 13; Hornung DB 2002, 94, 96; Löwisch BB 2001, 1734, 1743; ders./Kaiser BetrVG 7. Aufl. § 38 Rn. 11; Ratayczak AiB 2010, 296, 298; Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 38 Rn. 40)). Ein derartiges Erfordernis ergibt sich jedoch weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Gesetzeshistorie oder dem Sinn und Zweck der Norm ((vgl. Greßlin Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder S. 212 f.; für den Fall der Verhältniswahl im Ergebnis wohl ebenso DKW/Wedde 17. Aufl. § 38 Rn. 21 aE)).
Gegen eine Pflicht, vor der Wahl zunächst durch Beschluss des Betriebsrats eine Entscheidung zu treffen, ob und ggf. in welchem Umfang Teilfreistellungen vorgenommen werden, spricht bereits der Wortlaut des § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Danach können Freistellungen auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Die Frage, ob eine Teilfreistellung möglich ist, wurde damit bereits durch den Gesetzgeber positiv entschieden. Das Gesetz sieht nicht vor, dass es insoweit noch eines Beschlusses des Betriebsrats bedarf. Hätte der Gesetzgeber ein solches Erfordernis regeln wollen, ist davon auszugehen, dass er dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck gebracht hätte (zB „Der Betriebsrat kann beschließen, dass Freistellungen in Form von Teilfreistellungen erfolgen können.“). Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Voll- und Teilfreistellung, das vor der Einführung des § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG teilweise angenommen wurde, besteht nach der aktuellen Gesetzeslage nicht1. Zwar schreibt das Gesetz nicht vor, dass es stets Teilfreistellungen geben muss und in welchem Umfang diese vorzusehen sind. Der insoweit bestehende Spielraum muss aber nicht notwendig durch einen Beschluss des Betriebsrats nach § 33 BetrVG ausgestaltet werden. Zwar steht der Anspruch auf Freistellung dem Betriebsrat als Kollegialorgan zu2. Er bildet seinen gemeinsamen Willen regelmäßig nach § 33 Abs. 1 BetrVG durch Beschluss3. Dies kann auch in Fällen gelten, in denen bestimmte Mitglieder des Betriebsrats für besondere Funktionen ausgewählt werden müssen. So entscheidet der Betriebsrat über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Gesamtbetriebsrat nach § 47 Abs. 2 BetrVG durch Geschäftsführungsbeschluss mit einfacher Stimmenmehrheit nach § 33 Abs. 1 BetrVG4. In bestimmten Fällen sieht das Gesetz jedoch die interne Willensbildung durch Wahlen vor. Dies ist für die Frage der Bestimmung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder in § 38 Abs. 2 BetrVG geschehen (vgl. auch § 27 Abs. 1 BetrVG für die weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses). Ergibt die Wahl, dass ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied von der beruflichen Tätigkeit freigestellt werden soll, so handelt es sich um eine Entscheidung des Betriebsrats und nicht lediglich um die Entscheidung des einzelnen Betriebsratsmitglieds oder der Koalition, die dieses Betriebsratsmitglied für die Freistellung vorgeschlagen hat.
Auch die Systematik des § 38 BetrVG spricht gegen die Erforderlichkeit eines Beschlusses des Betriebsrats.
§ 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bestimmt, dass die freizustellenden Betriebsratsmitglieder in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Als Mittel der Entscheidungsfindung sieht das Gesetz mithin grundsätzlich die (Verhältnis-)Wahl und nicht den (Mehrheits-)Beschluss vor5. Die Frage, ob das vollzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglied A oder das teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglied B freigestellt wird, soll durch Wahlen bestimmt werden und nicht durch einen Beschluss. Die in § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als Regelfall vorgesehene Verhältniswahl könnte vereitelt werden, wenn der Betriebsrat zunächst mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließen könnte, keine Teilfreistellungen oder nur Teilfreistellungen in einem bestimmten Umfang zuzulassen, da hierdurch eine mögliche Kandidatur von bestimmten teilzeitbeschäftigten Mitgliedern des Betriebsrats verhindert werden könnte.
Ein Beschluss des Betriebsrats über die Zulassung und den Umfang von Teilfreistellungen ist auch nicht deshalb geboten, weil nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vor der Wahl eine Beratung mit dem Arbeitgeber stattzufinden hat. Die Beratung ist ebenso möglich, wenn zuvor die jeweilige Liste bei der Aufstellung ihrer Wahlvorschläge bestimmt, ob das jeweils vorgeschlagene Betriebsratsmitglied für eine Voll- oder eine Teilfreistellung kandidiert. Die Information über die in einem Beschluss des Betriebsrats abstrakt festgelegte Aufteilung der Freistellungen wird den Arbeitgeber oft nicht in die Lage versetzen, eine abschließende Stellungnahme abzugeben, da es für ihn regelmäßig von besonderer Bedeutung sein wird, welcher Arbeitnehmer in welchem Umfang freigestellt werden soll. Dagegen ermöglicht die Information über die in den Wahlvorschlägen vorgesehenen Teilfreistellungen bestimmter Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Stellungnahme zu den vorgeschlagenen Freistellungen6. Dabei ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass nach den Mehrheitsverhältnissen im Betriebsrat häufig absehbar sein wird, auf welche Wahlbewerber die Freistellungen entfallen werden. Es ist dem Arbeitgeber damit möglich, schon vor der Wahl auf betriebliche Belange im Zusammenhang mit den Freistellungen hinzuweisen.
Diese Auslegung von § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, Teilzeitkräften die Chance zu geben, sich in der Betriebsratsarbeit zu engagieren und sich dafür entweder vollständig oder auch nur teilweise von ihrer Arbeit freistellen zu lassen, und vollzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder, die durch die Betriebsratsarbeit nicht den Anschluss an das Berufsleben verlieren möchten, nur teilweise freizustellen7. Danach soll nicht die Mehrheit des Betriebsrats die Chance erhalten, Teilzeitkräfte stärker in die Betriebsratsarbeit einzubinden; diese Chance soll vielmehr den Teilzeitkräften selbst eröffnet werden. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder beschließen könnte, keine Teilfreistellungen zuzulassen, ohne dabei – anders als etwa der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 4 TzBfG – an das Vorliegen überprüfbarer organisatorischer Gründe gebunden zu sein.
Die im Gesetz vorgesehene Ermittlung der Freizustellenden durch Verhältniswahl und nicht durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats bestätigt dieses Verständnis. Durch die Einführung der Verhältniswahl bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach § 38 Abs. 2 BetrVG durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung vom 20.12.19888 sollte der Minderheitenschutz gestärkt werden. Um mehr Demokratie im betrieblichen Alltag zu verwirklichen, sollten die Minderheitenrechte im Betriebsverfassungsgesetz verstärkt, betrieblichen Minderheiten und kleineren Gewerkschaften der Zugang zur Betriebsratsarbeit erleichtert und für sie die Möglichkeiten zur aktiven Mitarbeit bei der täglichen Betriebsratsarbeit verbessert werden9. Nach der Neufassung von § 38 BetrVG sollen auch bei Freistellungen die Interessen der Minderheit stärker berücksichtigt werden; die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder soll deshalb in der Regel nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgen, weil die Arbeitnehmer einer Minderheitengruppe ein erhebliches Interesse daran haben, unter den freigestellten Betriebsratsmitgliedern eine Person ihres Vertrauens zu finden10. An der Verhältniswahl hat der Gesetzgeber entgegen anderslautenden Plänen auch im Rahmen des Betriebsverfassungsreformgesetz 2001 festgehalten11. Dem lässt sich zwar nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber damit der zu stärkenden Minderheitengruppe zugleich die Entscheidungsbefugnis über das Ob und Wie von Teilfreistellungen übertragen wollte12. Es kommt aber zum Ausdruck, dass nicht allein der Mehrheit die Entscheidungsbefugnis über diese Frage zugewiesen werden sollte, was aber weitgehend der Fall wäre, wenn die Entscheidung nicht im Rahmen der (Verhältnis-)Wahl, sondern durch einen Mehrheitsbeschluss erfolgen würde.
Die Freistellungswahl vom 29.03.2018 ist jedoch deshalb unwirksam, wenn bei den Wahlvorschläge einer Liste zwar der gewünschte Umfang der Freistellung der Kandidaten angegeben ist, die Liste jedoch eine Auflistung der einzelnen vorgeschlagenen Kandidaten, sondern von Kandidatenpaaren enthält. Auch wenn bei der Aufteilung von Teilfreistellungen derjenigen Vorschlagsliste das Bestimmungsrecht zukommt, der nach dem d´Hondtschen Höchstzahlverfahren die Vollfreistellung zufallen würde und eine Verteilung der Höchstzahlen nach Köpfen nicht statthaft ist13, sind auf der Vorschlagsliste nicht von vornherein Kandidatenpaare anzugeben, deren kombiniertes Freistellungsvolumen einer Vollfreistellung entspricht. Vielmehr sind die Bewerber einzeln untereinander aufzulisten.
Das ergibt sich für das Bundesarbeitsgericht bereits aus § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Danach werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die Wahl bezieht sich danach nicht auf Paare oder gar Gruppen von Betriebsratsmitgliedern, sondern jeweils auf einzelne freizustellende Betriebsratsmitglieder.
Dies entspricht auch dem Wesen der Verhältniswahl. Bei ihr handelt es sich um eine Listenwahl14. Die Grundsätze der für die Betriebsratswahl geltenden Wahlordnung sind zwar auf die Freistellungswahl nicht unmittelbar anwendbar, sie können jedoch entsprechend herangezogen werden; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat – wie vorliegend – vorab keine eigenen Grundsätze aufgestellt hat15. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 WO sind in jeder Vorschlagsliste die einzelnen Bewerberinnen und Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer aufzuführen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 WO sind Vorschlagslisten ungültig, auf denen die Bewerberinnen oder Bewerber nicht in erkennbarer Reihenfolge aufgeführt sind. Die Erkennbarkeit der Reihenfolge ist von wesentlicher Bedeutung, da sich die gewählten Bewerber bei der Verhältniswahl gemäß § 15 Abs. 4 WO nach der Reihenfolge ihrer Benennung auf der Vorschlagsliste bestimmen16.
Danach kommt eine Aufstellung von Kandidatenpaaren nicht in Betracht. Das ergibt sich auch daraus, dass im Falle des Ausscheidens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung nicht ermittelt werden könnte, welches Betriebsratsmitglied in welchem Umfang in die Freistellung nachrückt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das ersatzweise freizustellende Mitglied der Reihe nach derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte17. Scheidet ein teilfreigestelltes Mitglied aus dem Betriebsrat aus, muss klar sein, welches Mitglied von der Liste nachrückt. Dies ist nicht der Fall, wenn es nur eine Reihenfolge von Kandidatenpaaren und nicht einzelner Kandidaten gibt.
Auf diesem Verstoß gegen das Wahlverfahren kann das Wahlergebnis beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden dass diese Vorschlagsliste ohne Paarbildung anders aufgestellt worden wäre, etwa dergestalt, dass die Reihenfolge der Kandidaten oder der jeweilige Umfang der Teilfreistellung anders festgelegt worden wären und dass die Wähler bei ordnungsgemäßer Auflistung der Wahlbewerber anders abgestimmt hätten.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. März 2021 – 7 ABR 6/20
- vgl. Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 38 Rn. 40[↩]
- Fitting BetrVG 30. Aufl. § 38 Rn. 13; ErfK/Koch 21. Aufl. BetrVG § 38 Rn. 1; Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 38 Rn. 10; DKW/Wedde 17. Aufl. § 38 Rn. 5[↩]
- vgl. BAG 22.11.2017 – 7 ABR 46/16, Rn. 12[↩]
- BAG 21.07.2004 – 7 ABR 58/03, zu B II der Gründe, BAGE 111, 269[↩]
- ähnlich Greßlin Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder S. 219 f.[↩]
- vgl. Greßlin Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder S. 218 f.[↩]
- BT-Drs. 14/5741 S. 41[↩]
- BGBl. I S. 2312[↩]
- BT-Drs. 11/2503 S. 23; vgl. dazu auch BAG 25.04.2001 – 7 ABR 26/00, zu B I 2 c aa (1) der Gründe, BAGE 97, 340[↩]
- BT-Drs. 11/2503 S. 24; vgl. auch BAG 26.09.2018 – 7 ABR 77/16, Rn. 43[↩]
- vgl. Löwisch BB 2001, 1734, 1743[↩]
- vgl. die Kritik bei Hermann ArbRAktuell 2020, 209[↩]
- vgl. LAG Baden-Württemberg 25.04.2013 – 21 TaBV 7/12, zu 2 der Gründe; LAG Brandenburg 4.03.2003 – 2 TaBV 22/02, zu II 2.3 der Gründe; LAG Nürnberg 20.03.1997 – 5 TaBV 22/96; Greßlin Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder S. 216 f.; Ratayczak AiB 2010, 296, 298; Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 38 Rn. 60; DKW/Wedde 17. Aufl. § 38 Rn. 21; Wolmerath in Düwell BetrVG 5. Aufl. § 38 Rn. 8; aA Fitting BetrVG 30. Aufl. § 38 Rn. 43[↩]
- Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 38 Rn. 32[↩]
- vgl. zur entsprechenden Situation bei der Wahl der weiteren Ausschussmitglieder Raab GK-BetrVG § 27 Rn. 17[↩]
- Fitting BetrVG 30. Aufl. § 6 WO Rn. 8[↩]
- BAG 21.02.2018 – 7 ABR 54/16, Rn. 15; ausführlich BAG 25.04.2001 – 7 ABR 26/00, zu B I 2 c der Gründe, BAGE 97, 340[↩]









