Die Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG erfolgt nicht nur, wenn der Ausgleichspflichtige infolge der Kürzung leistungsunfähig wird. Eine mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmende, verfassungskonforme Auslegung des Anpassungsrechts nach § 33 VersAusglG gebietet es, die Aussetzung der Kürzung anzuordnen, selbst wenn die Rentenkürzung durch den Versorgungsausgleich die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht in Frage stellt.

Ob eine Anpassung nach § 33 VersAusglG auch zu erfolgen hat, wenn der Ausgleichspflichtige den Unterhalt auch nach erfolgter Kürzung zahlen kann, ist umstritten. Würde man diese Fälle ausschließen1, wäre nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe der Anwendungsbereich des § 33 VersAusglG unzulässig beschränkt2.
Aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 VersAusglG („ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte“) ergibt sich die einschränkende Auslegung nicht zwingend. Dem ist lediglich zu entnehmen, dass eine Anpassung unterbleibt, wenn der Berechtigte bei ungekürzten Bezügen des Pflichtigen keinen Unterhaltsanspruch – z.B. nach Ende der Befristung – hätte3. Auch die Vertreter der einschränkenden Auslegung scheinen eine Anpassung zuzulassen, soweit der Unterhaltsanspruch des Berechtigten lediglich eingeschränkt ist, was aufgrund des reduzierten gemeinsamen Bedarfs und des geringeren Einkommens des Pflichtigen regelmäßig der Fall sein wird, und der Unterhaltsanspruch aufgrund der Kürzung dann nicht mehr in voller Höhe besteht.
Der Gesetzgeber hat dem möglichen Missbrauch von Unterhaltsansprüchen bei gleichzeitigem Rentenbezug begegnen wollen, ohne den Anwendungsbereich der aus § 5 VAHRG übernommenen Anpassungsregelung weiter einzuschränken. Die Gesetzesbegründung verweist auf die in § 5 VAHRG enthaltenen Voraussetzungen4, wonach die Aussetzung der Kürzung erforderte, dass die ausgleichsberechtigte Person bei einer ungekürzten Versorgung des anderen Ehegatten nach den gesetzlichen Bestimmungen einen nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruch haben musste. § 5 VAHRG kam jedoch auch dann zur Anwendung, wenn der Unterhaltsanspruch des Ehegatten selbst aus dem nach Kürzung der Versorgung verbleibenden Einkommen sichergestellt werden konnte, denn auch hier lag einer der erfassten Härtefälle vor. Dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 33 Abs. 1 VersAusglG insoweit eine Einschränkung zu Lasten des Ausgleichspflichtigen bezweckt hätte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 19805 ist dem Gesetzgeber nach Einführung des Versorgungsausgleichs die Regelung bestimmter Härtefälle in dem Sinne aufgegeben worden, dass die doppelte Belastung der durch die Eigentumsgarantie geschützten Rentenversicherten durch Unterhaltszahlungen zu vermeiden sei. Beanstandet hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem, dass der Ausgleichspflichtige durch die Kürzung seiner Altersversorgung einerseits und die bestehende Unterhaltsverpflichtung andererseits in der Freiheit seiner Lebensführung weiter eingeschränkt werde, auch wenn er trotz seiner gekürzten Rente noch zur Unterhaltsleistung verpflichtet und in der Lage sei. Unabhängig davon lasse sich der Versorgungsausgleich bei Entstehen derartiger Versorgungslücken in seinen Auswirkungen nicht mehr mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG als zulässige Inhaltsbestimmung und Schrankenbestimmung des Eigentums rechtfertigen6. Diese Anforderungen hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 33 VersAusglG erfüllen wollen7.
Die Anpassung nach § 33 VersAusglG erfolgt daher nicht nur, wenn der Ausgleichspflichtige infolge der Kürzung leistungsunfähig wird, sondern auch in diesen Fällen. Nach Auffassung des Senats gebietet daher auch eine mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmende, verfassungskonforme Auslegung des Anpassungsrechts nach § 33 VersAusglG, die Aussetzung der Kürzung anzuordnen, selbst wenn die Rentenkürzung durch den Versorgungsausgleich die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht in Frage stellt8.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 7. November 2011 – 2 UF 227/10
- so Ruland, a.a.O. Rn. 882, 951; Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 5; MünchKomm-Gräper, BGB, 5. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 13, in diese Richtung auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 876 und Brudermüller, NJW 2011, 3196, 3202[↩]
- ebenso OLG Frankfurt, a.a.O.; Gutdeutsch, FamRB 2010, 149, 150; Bergner, NJW 2010, 3545f.; jurisPK-/Breuers, BGB, 5. Aufl., § 33 VersAusglG Rn. 29[↩]
- vgl. Bergner, a.a.O.[↩]
- BT-Drucks. 16/10144, S. 72[↩]
- BVerfG FamRZ 1980, 326[↩]
- BVerfG, FamRZ 1980, 326, 335[↩]
- BT-Drucks., a.a.O.[↩]
- vgl. OLG Frankfurt, a.a.O. Rn. 31[↩]
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