Hat sich der Ehepartner vor der Ehe bereits ein Jahr in der Berufsausbildung befunden, ist nach allgemeiner Erfahrung davon auszugehen, dass diese ohne Ehe auch abgeschlossen worden wäre und jedenfalls ein ähnlich hohes Einkommen wie der Partner hätte erzielen können. Daher muss der verdienende Ehepartner bei einer Scheidung den in dem Einkommensunterschied liegenden ehebedingten Nachteil angesichts einer über 30jährigen Dauer der Ehe unbefristet und ohne Abzüge ausgleichen.

Mit dieser Entscheidung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht die Beschwerde eines Ehemannes zurückgewiesen, der seiner geschiedenen Frau allerhöchstens auf einen gewissen Zeitraum beschränkt Unterhalt zahlen will. Die heute 50jährige Ehefrau brach im Alter von 17 Jahren ihre Ausbildung zur Gärtnerin ab, weil das erste gemeinsame Kind geboren wurde. Nach der Eheschließung holte sie bis heute keine Berufsausbildung mit einem Berufsabschluss nach. Sie betreute vielmehr die beiden Kinder, übte verschiedene Nebentätigkeiten aus und absolvierte einige Weiterbildungsveranstaltungen. Derzeit kann sie monatlich 1.000 € verdienen. Der Ehemann ist vollschichtig als Kraftfahrer tätig und verdient rund 1.500 € monatlich.
Das Amtsgericht hat die Ehe, die über 30 Jahre hielt, geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Außerdem hat es der Ehefrau monatlich zu zahlenden nachehelichen Unterhalt zugesprochen. Gegen die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung hat sich der Ehemann mit seiner Beschwerde gewendet. Er will keinen Unterhalt
zahlen bzw. seine Verpflichtung auf einen angemessenen Zeitraum befristen. Er trägt vor, seine geschiedene Ehefrau wäre auch ohne die Ehe ohne Berufsabschluss geblieben.
Seit der Reform des Unterhaltsrechts zum 1.1.2008 gilt im Bereich des Geschiedenenunterhalts der Grundsatz der Eigenverantwortung. Allerdings hat der geringer verdienende geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, wenn er mit seinen Einkünften den bisherigen Lebensstandard nicht aufrechterhalten kann. Das ist der sogenannte Aufstockungsunterhalt. Die Höhe berechnet sich nach der Differenzmethode. Dabei erhält der weniger verdienende geschiedene Ehegatte 3/7 des Unterschiedbetrages zwischen den monatlichen Einkünften als Unterhalt.
Durch das Brandenburgische Oberlandesgericht ist die Entscheidung des Amtsgerichts im Grundsatz bestätigt worden. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau ohne die Ehe, die Kinderbetreuung und die in der Ehe praktizierte Rollenverteilung auch heute ungelernten Tätigkeiten nachgehen würde. Die Ehefrau habe sich bereits ein Jahr in der Berufsausbildung befunden und hätte sie nach allgemeiner Erfahrung auch abgeschlossen. Es sei davon auszugehen, dass sie als Landschaftsgärtnerin jedenfalls ein ähnlich hohes Einkommen wie ihr Ehemann hätte erzielen können. Der Ehemann müsse den in dem Einkommensunterschied liegenden ehebedingten Nachteil deshalb angesichts der über 30jährigen Dauer der Ehe unbefristet und ohne Abzüge ausgleichen.
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Februar 2012 – 10 UF 253/11