Kindesunterhalt – und seine Geltendmachung durch die Unterhaltsvorschusskasse

§ 7 a UVG untersagt auch zum Schutz des Unterhaltspflichtigen nicht lediglich die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger und gilt für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.

Kindesunterhalt – und seine Geltendmachung durch die Unterhaltsvorschusskasse

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall macht das antragstellende Land als Träger der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Vater der im Juli 2013 geborenen und bei ihrer Mutter lebenden Tochter C. für die Zeit ab Januar 2020 Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergelds geltend. Der Vater bezog während des gesamten Unterhaltszeitraums ausschließlich Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Duisburg-Hamborn hat den Antrag abgewiesen1. Die Beschwerde des Landes ist vom Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen worden2. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf steht dem Begehren der „Einwand des § 7 a UVG“ entgegen. Nach dieser Norm sei die gerichtliche Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ausgeschlossen. § 7 a UVG sei dahin zu verstehen, dass die gerichtliche Durchsetzung nach § 7 UVG auf das Land übergegangener Unterhaltsansprüche ausgeschlossen sei. Der Norm sei ein Schutzgehalt zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu entnehmen. Es handele sich hierbei um keine rein verwaltungsinterne Anweisung ohne Dritte berechtigende Außenwirkung. Das folge schon aus der Grundrechtsrelevanz der geregelten Unterhaltsansprüche im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Damit sei es nicht zu vereinbaren, die Entscheidung über eine Nicht-Verfolgung der Unterhaltsansprüche als rein behördeninterne Angelegenheit einzuordnen, die keine Berechtigung des Unterhaltspflichtigen auf eine Nicht-Inanspruchnahme mit sich bringe. Anderenfalls stünde es letztlich im familiengerichtlich nicht überprüfbaren Belieben des Leistungsträgers, ob er sich zu einer Verfolgung des Anspruchs entschließe.

Unter einem Verfolgen im Sinne des § 7 a UVG sei auch die gerichtliche Geltendmachung zu verstehen, nicht lediglich die Beitreibung des Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung. Hierfür sprächen schon Wortlaut und Wortsinn des Begriffs „verfolgt“. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Art der Verfolgung sei dieser Formulierung nicht zu entnehmen. Es bestehe auch kein semantischer Bezug dieses Wortes zu dem Begriff des Vollstreckens, wie dies etwa bei einer Wendung wie „Vollziehen“ der Fall sein möge. Eine teleologische Reduktion des Begriffs des Verfolgens im Sinne des § 7 a UVG sei abzulehnen. Normzweck sei die Vermeidung verwaltungsaufwändiger und unwirtschaftlicher Rückgriffsbemühungen. Da schon die gerichtliche Anspruchsverfolgung typischerweise durchaus mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei, erfasse dieser Zweck auch die gerichtliche Geltendmachung. Unter historischen, auf den Willen des Gesetzgebers abstellenden Gesichtspunkten sei keine andere Auslegung veranlasst. Denn den gesetzgeberischen Erwägungen sei nicht eindeutig eine „rein vollstreckungsbezogene Stoßrichtung der Norm“ zu entnehmen. Zwar sei in der vorausgegangenen Beschlussempfehlung und dem Bericht des Haushaltsausschusses niedergelegt, dass „konkret die Vollstreckung des Unterhaltsanspruchs“ entfalle. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sei demgegenüber jedoch allgemein die Rede davon, der Anspruch werde „nicht geltend gemacht“. Daraus ergebe sich kein klarer Wille des Gesetzgebers, § 7 a UVG nur auf die Vollstreckung zu beziehen.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Landes blieb vor dem Bundesgerichtshof ebenfalls ohne Erfolg; das Oberlandesgericht Düsseldorf sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag unbegründet ist, weil § 7 a UVG der gerichtlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs entgegenstehe:

Nach § 7 a UVG wird der nach § 7 UVG übergegangene Unterhaltsanspruch nicht verfolgt, solange der Elternteil, bei dem der Berechtigte nicht lebt, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht und über kein eigenes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm liegen im vorliegenden Fall unzweifelhaft vor, sodass es allein darauf ankommt, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

§ 7 a UVG schließt allerdings den Anspruchsübergang nicht aus, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Damit wird gleichzeitig vorausgesetzt, dass ein Unterhaltsanspruch gegeben ist. Dieser kann auch bestehen, wenn der Unterhaltspflichtige aktuell kein Einkommen erzielt und seinerseits existenzsichernde Sozialleistungen bezieht, insbesondere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Denn die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit setzt nur voraus, dass der Unterhaltpflichtige in der Lage ist, das zur Aufbringung des Unterhalts erforderliche Einkommen zu erzielen. Kommt der Unterhaltspflichtige seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, so ist er dennoch unterhaltsrechtlich leistungsfähig3. Dass der Unterhaltsanspruch im Unterschied zu anderen Tatbeständen des Anspruchsübergangs (§ 33 SGB II, § 94 SGB XII) auch in diesen Fällen auf den Sozialleistungsträger übergeht, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf ist mit Recht davon ausgegangen, dass § 7 a UVG bereits die gerichtliche Geltendmachung durch den Träger der Unterhaltsvorschusskasse hindert.

Die Reichweite der Vorschrift ist allerdings umstritten. Nach einer Meinung beschränkt sich der Begriff auf die Zwangsvollstreckung5.

Nach einer weiteren Ansicht umfasst der Begriff dagegen übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf auch die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs6.

Die letztgenannte Ansicht trifft zu.

Bereits der Wortlaut der Vorschrift weist deutlich in diese Richtung. Denn das „Verfolgen“ eines Anspruchs umfasst erheblich mehr als nur die Vollstreckung eines entsprechenden Titels. Vor allem gehört dazu auch die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff in gleicher Weise auch in anderen Gesetzeszusammenhängen verwendet wird. So fasst § 204 Abs. 1 BGB verschiedene Formen der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, vor allem durch Erhebung einer Leistungsklage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), unter dem Begriff der Rechtsverfolgung zusammen. Auch in § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO beschreibt der Begriff der Rechtsverfolgung zweifelsfrei die gerichtliche Geltendmachung. Beziehen sich gesetzliche Regelungen hingegen (nur) auf die Zwangsvollstreckung, so wird dies, wie etwa in § 274 Abs. 2 BGB oder in § 120 Abs. 3 FamFG, jeweils ausdrücklich erwähnt.

Der somit durchweg in diesem weiten Sinn verwendete Begriff der Rechtsverfolgung entspricht ausweislich der Gesetzesmaterialen auch den Motiven der durch § 7 a UVG erfolgten Neuregelung. Nach der Stellungnahme des Bundesrats vom 10.02.2017, die zur Aufnahme der Vorschrift in das Gesetz geführt hat, entfällt der Rückgriff zur Vermeidung verwaltungsaufwändiger und unwirtschaftlicher Rückgriffsbemühungen der Unterhaltsvorschussstellen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil auf SGB II-Leistungen angewiesen sei und kein eigenes Einkommen erwirtschafte, da dieser den Grundsätzen des Förderns und Forderns im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch unterliege7. Dass der Rückgriff gänzlich entfallen soll, deckt sich mit dem ersichtlich bewusst weit gefassten Begriff des Verfolgens.

Allerdings sind im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens gegen diese weite Fassung der Vorschrift Bedenken erhoben worden. So sind die Länder Baden-Württemberg und Saarland ausweislich einer gemeinsamen Erklärung an den Bundesrat davon ausgegangen, die vorgeschlagene Fassung von § 7 a UVG bedeute, dass zwar Vollstreckungshandlungen unterblieben, aber Rechtswahrungsanzeigen, Titulierungen und Anschreiben an den Schuldner zur Vermeidung einer Verwirkung des Anspruchs auf Unterhaltsrückstände weiterhin möglich seien. Nach der Erklärung sollten „kleinere fachliche Unschärfen“ des Entwurfs im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch korrigiert werden8. Damit korrespondieren Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestags vom 31.05.2017, wonach „die Verfolgung, konkret die Vollstreckung, des Unterhaltsanspruchs“ entfalle und der Anspruch insbesondere „wie nach bisheriger Rechtslage“ geltend zu machen sei9. Eine dementsprechende Änderung des Normtextes ist indessen im Gesetzgebungsverfahren nicht erfolgt. Die genannten Äußerungen sind auch nicht geeignet, dem Begriff des Verfolgens eine vom Willen des Gesetzgebers getragene geänderte Bedeutung zu unterlegen. Davon könnte allenfalls ausgegangen werden, wenn der Begriff vom Bundestagsplenum als dem maßgeblichen Gesetzgebungsorgan übereinstimmend in einem anderen, auf die Vollstreckung begrenzten Inhalt verstanden worden wäre. Dazu reichen die genannten Stellungnahmen, die sich der begrifflichen Diskrepanz zudem ersichtlich bewusst waren, indes nicht aus. Mangels einer im Gesetzgebungsverfahren zwar ohne Schwierigkeiten möglichen, aber letztlich nicht durchgeführten Korrektur des (Fach)Begriffs des Verfolgens ist mithin für den maßgeblichen Willen des Gesetzgebers von dessen unveränderter Bedeutung und den diesem Begriffsverständnis zugrunde liegenden Gesetzesmotiven auszugehen.

Dies wird schließlich auch durch die Gesetzessystematik bestätigt. Bei einem Verständnis der Norm, dass lediglich die Vollstreckung ausgeschlossen sein soll, wäre die Regelung schon weitgehend überflüssig. Denn § 7 a UVG setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner neben Sozialleistungen über kein weiteres Einkommen verfügt. Die Vollstreckung in das Einkommen könnte daher lediglich die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch betreffen. Nach § 42 Abs. 4 Satz 1 SGB II kann aber der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§§ 19 ff. SGB II) ohnehin nicht gepfändet werden und ist dieser daher kein tauglicher Vollstreckungsgegenstand. Die Möglichkeit, dass auch Leistungsbezieher nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Einzelfall über vollstreckbares Vermögen verfügen können10, ist vom Gesetzgeber ersichtlich außer Acht gelassen worden. Dessen ungeachtet hätte sich statt der hinsichtlich der Regelungstechnik neuartigen Vorschrift eine Anlehnung an die Behandlung der entsprechenden Fallgestaltung in anderen Sozialgesetzen angeboten, die im Fall des Sozialleistungsbezugs durch den Unterhaltspflichtigen einen Ausschluss des Anspruchsübergangs vorsehen (§§ 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II, 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sozialrechtliche Vergleichsberechnung), was insbesondere die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Unterhaltsberechtigten weiterhin ermöglichen würde. Davon hat der Gesetzgeber allerdings abgesehen, was ungeachtet der darin liegenden systematischen Inkonsistenz als verbindliche gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren ist.

Aus der vorgenannten Auslegung ergibt sich, dass die gerichtliche Geltrendmachung der Unterhaltsansprüche durch den Träger der Unterhaltsvorschussleistungen für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen des § 7 a UVG erfüllt sind, ausscheidet. Dass auch nach Wegfall der Voraussetzungen keine Nachforderung für die Vergangenheit stattfindet, ergibt sich aus dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, den Rückgriff entfallen zu lassen und nicht etwa nur aufzuschieben. Dies stimmt mit dem im Unterhalts- wie im Sozialrecht geltenden Grundsatz der zeitlichen Kongruenz überein11.

Übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist schließlich davon auszugehen, dass die Norm schuldnerschützende Wirkung entfaltet und keine bloße Ordnungsvorschrift darstellt12. Denn sie bezieht die Interessen des Unterhaltspflichtigen, hinsichtlich dessen Obliegenheiten sie die sozialrechtlichen Anforderungen (Fördern und Fordern) offensichtlich als ausreichend angesehen hat7, in die Betrachtung mit ein und dient damit auch dessen Schutz. Als bloße Ordnungsvorschrift wäre die Vorschrift zudem ersichtlich weitgehend wirkungslos geblieben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 190/22

  1. AG Duisburg-Hamborn, Beschluss vom 22.10.2021 – 27 F 94/21[]
  2. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.04.2022 – II3 UF 142/21, FamRZ 2023, 197[]
  3. vgl. Staudinger/Klinkhammer BGB [2022] § 1603 Rn. 110 ff. mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 27.09.2000 XII ZR 174/98 FamRZ 2001, 619, 621[]
  5. OLG Celle Beschluss vom 11.05.2023 21 WF 43/23 juris; Schürmann FamRZ 2017, 1380, 1383; BeckOK Sozialrecht/Engel-Boland [Stand: 1.03.2023] § 7 a UVG Rn. 16 ff.; Birnstengel JAmt 2017, 330, 332; Benner NZFam 2022, 850 mwN[]
  6. OLG Hamm Beschluss vom 02.02.2023 11 UF 46/22 juris; VG Arnsberg Urteil vom 29.03.2022 9 K 830/22 juris; jurisPK-SGB/Buchheister [Stand: 15.04.2023] § 7 a UVG Rn. 18; nunmehr auch Schürmann NZFam 2023, 469[]
  7. BR-Drs. 814/16 [Beschluss] S. 72 = BT-Drs. 18/11135 S. 163[][]
  8. Bundesrat Plenarprotokoll der 953. Sitzung vom 10.02.2017 S. 51[]
  9. BT-Drs. 18/12589 S. 157 f.[]
  10. vgl. Günther/Pfuhlmann-Riggert in Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 5. Aufl. § 12 Rn. 172[]
  11. vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051, 1053[]
  12. zutreffend jurisPK-SGB/Buchheister [Stand: 15.04.2023] § 7 a UVG Rn. 21 f.[]

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