Die Einräumung einer Möglichkeit zur Antragstellung auch aus Anlass einer erst nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 erfolgten Feststellung der Versicherungspflicht ist nicht von Verfassungs wegen geboten. Es obliegt dem Unternehmer nämlich, von sich aus zeitgerecht den an die Aufnahme seiner Tätigkeit anknüpfenden Verpflichtungen nachzukommen und im Zweifelsfall eine Klärung über Bestehen und Umfang dieser Pflichten herbeizuführen1.

Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Revision des Klägers gegen ein Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts zurückgewiesen. Der Kläger ist seit 1991 bzw 1997 Geschäftsführer zweier Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, an denen er Gesellschaftsanteile von 36 % bzw 31 % hält. Diese bewirtschaften landwirtschaftliche Flächen von rund 300 ha und über 2000 ha. Nachdem die Barmer Ersatzkasse keine Versicherungspflicht festgestellt hatte, hat sich der Kläger privat versichert. Aufgrund eines Katasterhinweises übersandten die Rechtsvorgänger (Sächsische Landwirtschaftliche Krankenkasse bzw Pflegekasse – SLKK bzw SLPK) der Beklagten (Landwirtschaftliche Krankenkasse bzw Pflegekasse Mittel- und Ostdeutschland) dem Kläger einen Meldebogen zur Überprüfung der Mitgliedschaft als versicherungspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer. Daraufhin beantragte dieser am 25.7.2001 die Befreiung von der Versicherungspflicht. Dieser wurde abgelehnt und die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.1.1995 festgestellt. Dagegen hat der Kläger Klage erhoben.
Das Sozialgericht2 hat die bis dahin ergangenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, den Kläger von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien. Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt vor dem Sächsischen Landessozialgericht3. Hier ist das Urteil des Sozialgerichts geändert und die Klage mit der Maßgabe abgewiesen worden, dass die Beitragspflicht des Klägers erst ab dem 6. Juli 2003 besteht und er keinen Anspruch auf Befreiung hat. Der Kläger hat Revision eingelegt.
Im Streit steht zwischen den Beteiligten noch die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch den gemeinsamen Bescheid der SLKK und SLPK vom 2.7.2003 sowie die Ablehnung des Befreiungsantrags des Klägers durch die SLKK mit weiterem Bescheid vom selben Tag. Darüber hinaus sind im Revisionsverfahren (nur noch) Beitragsforderungen für die Zeit ab 6.7.2003 im Streit. Das von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Folgen einer rückwirkenden Feststellung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung4 abgegebene – vom Kläger angenommene – Teilanerkenntnis ist als Verzicht auf Beitragsnachforderungen für die Zeit bis 5. Juli 2003 auszulegen. Gegenstand des Rechtsstreits sind über § 86 SGG auch die Bescheide vom 16.1.2004 und 27.1.2005 sowie nach § 96 Abs 1 SGG die Bescheide vom 19.1.2006, 5.1.2007, 10.1.2008 und – nur den Pflegeversicherungsbeitrag betreffend – vom 1.7.2008, durch die die unbefristeten Beitragsfestsetzungen der jeweils vorhergehenden Bescheide mit Wirkung für die Zukunft geändert wurden. Über die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide hat das Bundessozialgericht dagegen – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht zu befinden (vgl § 171 Abs 2 SGG).
Den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom 2.7.2003 hat das Landessozialgericht zu Recht auf die Anfechtungsklage hin nicht aufgehoben, denn der Kläger wird hierdurch und auch wegen der Feststellung der Versicherungspflicht erst ab dem 1.1.1995 nicht iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG beschwert. Nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 19895 sind in der Krankenversicherung der Landwirte ua versicherungspflichtig Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft (landwirtschaftliche Unternehmer), deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet bzw6 auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße (hier: 4 ha) erreicht. Dabei gelten nach § 2 Abs 3 Satz 2 KVLG 19897 auch Mitglieder einer juristischen Person als Unternehmer, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig und wegen dieser Tätigkeit nicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind.
Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für das Bundessozialgericht bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Landessozialgerichts haben diese Voraussetzungen bezogen auf die seit Januar 1991 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit des Klägers zumindest seit dem 1.11.1991 und bezogen auf die weitere Geschäftsführertätigkeit seit dem 15.1.1997 vorgelegen, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht. Die Versicherungspflicht nach § 2 KVLG 1989 begründet nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB XI gleichzeitig die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, die nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB XI bei der Beklagten zu 2. bzw für die Zeit zuvor bei deren Rechtsvorgängerin, der SLPK, durchzuführen ist.
Der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung steht – anders als in der Revisionsbegründung angedeutet – auch die im Bescheid der Barmer Ersatzkasse vom 11.4.1995 getroffene Feststellung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Wie auch für den Kläger anhand der weiteren Ausführungen des Bescheides unschwer erkennbar war, bezog sich diese Feststellung allein auf den (von der Krankenkasse bejahten) versicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger und auf die bisher bei der Barmer Ersatzkasse durchgeführte „Fehlversicherung“ nach SGB V, zu deren Prüfung diese Krankenkasse ausschließlich berufen war. Ausführungen zu den Besonderheiten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, insbesondere zur Kranken- und Pflegeversicherung dieses Sondersystems, enthielt der Bescheid nicht.
Der Kläger war aufgrund seines Antrags vom 25.7.2001 nicht von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu befreien (wodurch auch die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Pflegeversicherung entfallen wäre), denn dieser Antrag war verspätet, ohne dass dem Kläger wegen der versäumten Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren oder dass er nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen wäre, als hätte er den Antrag rechtzeitig gestellt.
Nach § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 ist ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen. Diese Frist war hier bei der entsprechenden Antragstellung des Klägers im Juli 2001 bereits verstrichen.
Die Versicherungspflicht auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung tritt grundsätzlich bereits mit dem Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes ein, ohne dass es hierzu eines feststellenden Verwaltungsakts oder der Kenntniserlangung des Versicherten hiervon bedarf8. Dass dies insbesondere für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 gilt, verdeutlicht § 22 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, der für den Beginn der Mitgliedschaft allein an den Tag der Aufnahme der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer anknüpft, während die Mitgliedschaft der nach § 2 Abs 1 Nr 2 und 5 KVLG 1989 Versicherungspflichtigen erst mit deren Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis beginnt.
An den Eintritt der Versicherungspflicht im vorgenannten Sinne knüpft § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut für den Beginn der Antragsfrist an9. Gleichzeitig schließt der Wortlaut des § 4 KVLG 1989 eine Antragstellung nach Ablauf der ersten drei Monate nach Eintritt der Versicherungspflicht aus. Eine entsprechende Regelung, wie sie – ausgehend von einer ersten Antragsfrist von einem Monat nach Eintritt der Versicherungspflicht – in § 5 KVLG 1989 für die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Binnenfischerei, Imkerei oder Wanderschäferei vorgesehen ist, fehlt in § 4 KVLG 1989. Darauf, dass dieses Ergebnis auch dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht, deutet insbesondere die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 4 KVLG hin10. Danach sollte die gegenüber der Vorbildnorm § 173a Abs 2 RVO von einem auf drei Monate verlängerte Antragsfrist gerade den Besonderheiten der Landwirtschaft („Feststellung des Einheitswerts, Erfassung des Personenkreises“) Rechnung tragen. Einer solchen Verlängerung hätte es nicht bedurft, wenn nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser diese Umstände, insbesondere die Schwierigkeiten bei der Erfassung des von der Versicherungspflicht betroffenen Personenkreises mit der Folge einer oft rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht zu einer Antragsberechtigung auch nach Ablauf der mit dem Eintritt der Versicherungspflicht beginnenden Antragsfrist hätten führen sollen.
Die Einräumung einer Möglichkeit zur Antragstellung auch aus Anlass einer erst nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 erfolgten Feststellung der Versicherungspflicht ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht von Verfassungs wegen geboten.
Zwar hat die Gruppe derjenigen, deren Versicherungspflicht noch während der ersten drei Monate nach ihrem Eintritt durch die landwirtschaftliche Krankenkasse festgestellt wird, gegenüber der vom Kläger repräsentierten Gruppe derjenigen, deren Versicherungspflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt wird, den Vorteil, ggf auch ohne eine regelmäßig vorangegangene Anzeige der Aufnahme einer landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit so zeitig auf die Versicherungspflicht hingewiesen worden zu sein, dass ein fristgerechter Befreiungsantrag noch möglich ist. Der mit dem Fehlen eines solchen Hinweises verbundene Nachteil derjenigen, deren Versicherungspflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt wird, rechtfertigt sich jedoch aus der Konzeption des KVLG 1989, dass in Verbindung mit § 2 Abs 2 Nr 3 SGB IV als einen Sonderfall zur Beschäftigtenversicherung eine Versicherungspflicht von Unternehmern (§ 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989) begründet. In deren Rahmen obliegt es dem Unternehmer, von sich aus den an die Aufnahme seiner Tätigkeit anknüpfenden Verpflichtungen nachzukommen und im Zweifelsfall eine Klärung über Bestehen und Umfang dieser Pflichten herbeizuführen11. Neben Melde- und Anzeigepflichten des Unternehmens-, Gewerbe- und Steuerrechts sowie den sozialrechtlichen Meldepflichten nach § 28a SGB IV gehört hierzu auch die Verpflichtung nach § 27 Abs 1 KVLG 1989, die Aufnahme der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie alle sonstigen die Versicherungspflicht und Beitragshöhe sowie die Mitgliedschaft berührenden Tatbestände innerhalb von zwei Wochen der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu melden. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, kann er sich nicht auf eine erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 rückwirkend erfolgte Feststellung der Versicherungspflicht berufen. Dem vergleichbar hat es das Bundesverfassungsgericht als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen, wenn einem selbstständigen Lehrer die Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs 6 SGB VI nur deshalb verschlossen ist, weil diese Versicherungspflicht in seinem Fall im Unterschied zu anderen selbstständigen Lehrern bereits vor dem Stichtag 31.12.1998 durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden war12. Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht auch in der – hier von der Beklagten nicht mehr verfolgten – Beitragsnacherhebung bei verspäteter und unvollständiger Erfassung des versicherten Personenkreises keinen Verfassungsverstoß gesehen, sofern der Gesetzgeber ua durch eine Meldepflicht Maßnahmen zur Erfassung des betroffenen Personenkreises trifft13.
Nach alledem verbleibt im vorliegenden Kontext der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für die vom Kläger gewünschte Übertragung des Rechtsgedankens aus § 34 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 ALG, wie sie das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen in Bezug auf § 85 Abs 3 und Abs 3a ALG14 vorgenommen hat15, auch in Ermangelung einer erkennbaren Regelungslücke im Recht der landwirtschaftlichen Krankenversicherung (vgl insoweit die vorstehenden Ausführungen zur Auslegung des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989) kein Raum16.
Darüber hinaus ist auch die Situation, die das Bundessozialgericht zu dieser Übertragung veranlasst hat, mit der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung nicht zu vergleichen. So hat das Bundessozialgericht die Verlängerung der gesetzlich bis 31.3.1996 bzw 30.6.1996 begrenzten Antragsfristen des § 85 Abs 3 und Abs 3a ALG mit der durch die Einbeziehung der Landwirtsehegatten in die Alterssicherung der Landwirte zum 1.1.1995 entstandenen Übergangssituation gerechtfertigt. Diese Übergangssituation war seinerzeit dadurch gekennzeichnet gewesen, dass eine Vielzahl von Personen ohne Änderung ihrer persönlichen Verhältnisse versicherungspflichtig geworden, der entsprechende Personenkreis nicht leicht zu ermitteln gewesen und der Verwaltungsvollzug hinter der Prognose des Gesetzgebers zurückgeblieben war17. Zusätzlich hat das Bundessozialgericht den damals ausdrücklich geregelten Ausschluss einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hervorgehoben18.
Dem ist die Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Eine Übergangssituation der vorbeschriebenen Art liegt weder der Versicherungspflicht landwirtschaftlicher Unternehmer auch als Gesellschafter einer juristischen Person nach § 2 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 3 KVLG 1989 (bis zum 31.12.1988: § 2 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 KVLG) zu Grunde noch der Regelung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in § 4 KVLG 1989 (zuvor § 4 KVLG). Gleichzeitig fehlt ein ausdrücklicher Ausschluss der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher auch bei unverschuldeter verspäteter Antragstellung eine Befreiung grundsätzlich ausschließt19. Zudem deuten gerade Regelungen wie § 34 Abs 2 Satz 3 ALG oder § 7a Abs 6 SGB IV und die mittlerweile aufgehobenen, die Einführung des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV flankierenden Übergangsregelungen in §§ 7b und 7c SGB IV20 darauf hin, dass Unkenntnis oder Unsicherheit über das Vorliegen von Versicherungspflicht nur ausnahmsweise und nur kraft besonderer gesetzlicher Anordnung für den Beginn der Versicherungs- und Beitragspflicht oder hiermit verbundene weitere Rechtsfolgen eine Anknüpfung an deren Feststellung durch Verwaltungsakt zulassen.
Danach begann vorliegend die Antragsfrist im Hinblick auf die vom Kläger seit Januar 1991 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit mit Eintritt der Versicherungspflicht spätestens am 1.11.1991 und endete am 31.1.199221. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellte der Kläger aber erstmals am 25.7.2001, mithin mehr als neun Jahre nach Fristablauf.
Dem Kläger ist wegen der versäumten Frist zur Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei braucht das Gericht nicht zu entscheiden, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 nach § 27 SGB X allgemein22 oder zumindest dann ausgeschlossen ist, wenn sie allein auf der Unkenntnis des Versicherten und/oder Beitragspflichtigen vom Bestehen der Versicherung beruht23. Denn die Wiedereinsetzung scheidet bereits nach § 27 Abs 3 SGB X aus, weil im Falle des Klägers die versäumte Handlung nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989 am 31.1.1992 nachgeholt wurde. Dass diese Verspätung von mehr als einem Jahr auf höherer Gewalt beruhte, ist nach den – vom Kläger im Revisionsverfahren nicht beanstandeten – Tatsachenfeststellungen des Landessozialgerichts nicht erkennbar.
Der Kläger kann schließlich auch nicht nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verlangen, so gestellt zu werden, als habe er den Befreiungsantrag fristgerecht gestellt. Nach diesen Grundsätzen kann die Verletzung der dem Versicherungsträger gegenüber dem Versicherten obliegenden Betreuungspflicht (vgl §§ 14, 15 SGB I) dazu führen, dass der Versicherungsträger einen dadurch entstandenen sozialrechtlichen Nachteil oder Schaden des Versicherten ausgleichen muss, indem er eine (rechtmäßige) Amtshandlung vornimmt und so den Zustand herstellt, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde24. Zutreffend hat bereits das Landessozialgericht darauf abgestellt, dass selbst für den Fall, dass die Barmer Ersatzkasse im Zusammenhang mit der Überprüfung der Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers und der Erteilung ihres Bescheides vom 11.4.1995 die Verpflichtung getroffen hätte, den Kläger auf eine mögliche Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer hinzuweisen, und wenn sich die Beklagte zu 1. eine solche Pflichtverletzung zurechnen lassen müsste, der vom Kläger geltend gemachte Nachteil nicht – wie erforderlich – durch eben diese Pflichtverletzung entstanden wäre. Denn bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides bestand für den Kläger keine Möglichkeit mehr, die Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung fristgerecht zu beantragen. Anhaltspunkte für eine der Beklagten zu 1. zurechenbare oder für eine von ihr selbst verursachte Pflichtverletzung zu einem früheren Zeitpunkt hat das Landessozialgericht – ebenfalls vom Kläger im Revisionsverfahren ungerügt – nicht festgestellt.
Dass die vom Kläger aufgrund der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 6.7.2003 zu zahlenden Beiträge von der Beklagten zutreffend festgesetzt worden sind, zieht er nicht in Zweifel. Hierfür bestehen auf Grundlage der Feststellungen des Landessozialgerichts auch keine Anhaltspunkte. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine Verwirkung dieser unmittelbar mit Bescheid vom 2.7.2003 und den nachfolgenden Änderungsbescheiden geltend gemachten Beiträge. Insoweit fehlt es hier bereits am Zeitmoment der Verwirkung, also an einem längeren Zeitraum, in dem die Beklagten die Ausübung ihres Rechts zur Geltendmachung rückständiger Beiträge unterlassen hätten25.
Bundessozialgericht, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 KR 21/09 R
- vgl BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 3; BSG SozR 3-5850 § 14 Nr 2[↩]
- SG Leipzig, Urteil vom 18.01.2007 – S 8 KR 20/05[↩]
- Sächsisches LSG, Urteil vom 11.12.2008 – L 1 KR 63/07[↩]
- BSGE 69, 20 = SozR 3-2200 § 381 Nr 2[↩]
- in der ab 01.01.1989 gültigen Fassung durch Gesetz vom 20.12.1988, BGBl I 2477, die nach EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet G Abschnitt III Nr 1, BGBl II 1990, 885, 889, 1055, mit den dort genannten Maßgaben seit dem 3.10.1990 auch im Beitrittsgebiet Anwendung findet[↩]
- idF ab 01.01.1995 durch Gesetz vom 29.07.1994, BGBl I 1890[↩]
- idF durch Gesetz vom 29.07.1994, BGBl I 1890; sinngemäß bereits idF durch Gesetz vom 20.12.1988, BGBl I 2477[↩]
- BSG SozR 5420 § 2 Nr 33, Leitsatz und S 65 ff; BSG Urteil vom 10.06.1980 – 11 RK 11/79, USK 80157; vgl allgemein zur Krankenversicherungspflicht zB Peters in KassKomm, Stand April 2008, § 5 SGB V RdNr 206; Baier in Krauskopf/Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Dezember 1997, Vor § 5 SGB V RdNr 3[↩]
- im Ergebnis ebenso Noell/Deisler, Die Krankenversicherung der Landwirte, 16. Aufl 2001, S 145[↩]
- BT-Drucks VI/3012 S 27[↩]
- vgl BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 3 S 17 f; BSG SozR 3-5850 § 14 Nr 2 S 5 f[↩]
- BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 34 ff, 41 ff[↩]
- BVerfG aaO RdNr 34 ff[↩]
- damals idF durch Gesetz vom 15.12.1995, BGBl I 1814[↩]
- BSG, Urteile vom 28.03.2000 – B 10 LW 4/99 R und B 10 LW 2/99 R; BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 3; BSG SozR 3-5868 § 85 Nr 8[↩]
- zu den Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung allgemein vgl zB BVerfG Beschluss vom 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 – NJW 2011, 836[↩]
- so BSG Urteile vom 28.03.2000 – B 10 LW 4/99 R und B 10 LW 2/99 R[↩]
- insbes BSG SozR 3-5868 § 3 Nr 3 S 17[↩]
- vgl aber das noch zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des SGB X am 01.01.1981 ergangene BSG Urteil vom 10.06.1980 – 11 RK 11/79 – jedoch andererseits BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4 zum Beitrittsrecht für Schwerbehinderte nach § 176c RVO[↩]
- jeweils idF durch Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2[↩]
- § 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 2, § 188 Abs 2 Alt 2 BGB; vgl dazu Volbers/Müller, Krankenversicherung der Landwirte, 6. Aufl 2005, S 64[↩]
- vgl einerseits BSG Urteil vom 10.06.1980 – 11 RK 11/79 – andererseits BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4[↩]
- vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 33; BSG SozR 4-2600 § 6 Nr 5 RdNr 19 mwN[↩]
- stRspr, vgl zB jüngst BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2, RdNr 25 mwN[↩]
- zu dieser Voraussetzung allgemein vgl zB BSG, Urteil vom 27.07.2011 – B 12 R 16/09 R – RdNr 36 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 31 mwN[↩]