Für eine Unterlassungsklage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen einen Krankenhausbetreiber, mit der erstrebt wird, dem beklagten Krankenhausbetreiber zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr radiologisch-diagnostische Untersuchungen als ambulante Leistungen nach § 116b SGB V durchzuführen und/oder abzurechnen, sofern die Untersuchungen keine vom Leistungskatalog des § 116b Abs. 3 SGB V umfassten Krankheiten zum Gegenstand haben, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs den Unterlassungsanspruch über die Sozialgerichte geltend machen.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten ist deshalb entscheidend, ob es sich um eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Nicht von Bedeutung ist nach der Bestimmung des § 51 SGG, ob die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist1.
Von einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung ist auszugehen, wenn der Gegenstand des Streits Maßnahmen betrifft, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen. Wird der wettbewerbsrechtliche Anspruch dagegen nicht auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB V, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen gestützt, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt, handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im
Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG2.
Als Maßnahme im vorgenannten Sinn sind auch Handlungen der Leistungserbringer anzusehen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung der gesetzgeberischen Ziele aufgrund des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags stehen3. Dies ergibt sich – wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat – aus § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG, § 69 SGB V. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zur Änderung der genannten Vorschriften4 ausdrücklich klargestellt, dass es dem gesetzgeberischen Ziel entspricht, alle aus den Rechtsbeziehungen des vierten Kapitels des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) resultierenden Streitigkeiten, auch soweit Dritte hiervon betroffen sind, den Sozialgerichten zuzuweisen, ohne dass auf die von der Rechtsprechung bis dahin angenommene Doppelnatur des Handelns abzustellen ist5. Damit sollte der Streit, ob das Handeln einer gesetzlichen Krankenversicherung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, für die Rechtswegzuweisung nicht mehr von Bedeutung sein.
Die Vorschrift des § 69 SGB V gilt auch für die Beziehungen der Leistungserbringer untereinander, soweit es um Handlungen in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags der Krankenkassen geht6. Die Zuständigkeit der Sozialgerichte ist auch dann gegeben, wenn eine Partei, wie das Beschwerdegericht in Bezug auf die Klägerin festgestellt hat, gleichsam als Repräsentant von Leistungserbringern Ansprüche gegen einen anderen Leistungserbringer geltend macht7.
Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass eine Handlung der Beklagten im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags unmittelbar Gegenstand der Streitigkeit ist. Die kassenärztliche Versorgung von Patienten beruht im Wesentlichen auf der vertragsärztlichen Versorgung und der Krankenhausbehandlung8. Durch die Vorschriften der §§ 116a f. SGB V soll zur Verbesserung der Qualität und der Effizienz der Patientenversorgung eine Teilöffnung der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung erfolgen9. Während durch § 116a SGB V Versorgungslücken in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung geschlossen werden sollen10, lässt § 116b Abs. 3 SGB V die ambulante Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern zu, wenn die Behandlung in hochspezialisierten Bereichen erfolgt, eine seltene Erkrankung vorliegt oder besondere Behandlungsabläufe erforderlich sind11. Werden die im vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs V ausdrücklich normierten Ausnahmen durch einen Leistungserbringer oder eine Krankenkasse überschritten, so liegt eine Handlung vor, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag steht.
Aus den von der Rechtsbeschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 9. November 200612 und 30. Januar 200813 ergibt sich nichts anderes. In dem der erstgenannten Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurden die geltend gemachten Ansprüche allein auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften gestützt, deren Beachtung jedem privaten Mitbewerber obliegt. Im zweiten Fall waren die gesetzgeberischen Ziele der Zuzahlungspflicht allenfalls mittelbar betroffen.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch betrifft entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht den Bereich der Krankenbehandlung, der dem Privatrecht und damit auch dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unterstellt ist, sondern die Krankenversicherung. Im Ansatz zutreffend geht die Rechtsbeschwerde zwar davon aus, dass Rechtsstreitigkeiten aus dem Arzt-Patientenverhältnis gemäß § 76 Abs. 4 SGB V nicht als Angelegenheiten der Krankenversicherungen im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG anzusehen sind, so dass diese gemäß § 13 GVG vor den ordentlichen Gerichten zu verhandeln sind14. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist jedoch nicht die Behandlung der jeweiligen Patienten einschließlich der daraus resultierenden rechtlichen Folgen, sondern die sozialrechtliche Zulässigkeit der Behandlung durch ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus. Dementsprechend stützt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren auch auf einen Verstoß gegen § 116b SGB V. Die von der Klägerin behaupteten Verstöße der Beklagten haben nicht nur eine reflexartige Wirkung auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der Krankenkassen, sondern betreffen diesen unmittelbar.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es für die Beurteilung der Frage, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zu den Sozialgerichten eröffnet ist, nicht darauf an, dass ein möglicher Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 116b SGB V Gegenstand des Rechtsstreits ist. Entscheidend ist, dass der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen § 116b SGB V in direktem Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag steht und die Streitigkeit sich daher nicht ausschließlich nach wettbewerbsrechtlichen Normen beurteilt (hier §§ 3, 4 Nr. 11 UWG), deren Beachtung jedem privaten Mitbewerber obliegt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 7/11
- BGH, Beschluss vom 04.12.2003 – I ZB 19/03, GRUR 2004, 444, 445 = WRP 2004, 619 – Arzneimittel-substitution; Beschluss vom 30.01.2008 – I ZB 8/07, GRUR 2008, 447 Rn. 13 = WRP 2008, 675 – Treuebonus; Beschluss vom 04.12.2008 – I ZB 31/08, GRUR 2009, 700 Rn. 12 = WRP 2009, 846 – Integrierte Versorgung[↩]
- BGH, Beschluss vom 09.11.2006 – I ZB 28/06, GRUR 2007, 535 Rn. 13 = WRP 2007, 641 – Gesamtzufriedenheit; BGH, GRUR 2008, 447 Rn. 14 – Treuebonus; BGH, GRUR 2009, 700 Rn. 13 – Integrierte Versorgung[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2008, 447 Rn. 18 – Treuebonus; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 2.3[↩]
- BT-Drucks. 14/1245, S. 68[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2003 – I ZR 117/01, GRUR 2004, 247, 249 = WRP 2004, 337 – Krankenkassenzulassung; Ahrens/Bornkamm, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 15 Rn. 28 ff.[↩]
- BGH, GRUR 2004, 247, 249 – Krankenkassenzulassung; BGH, Urteil vom 23.02.2006 – I ZR 164/03, GRUR 2006, 517 Rn. 23 = WRP 2006, 747 – Blutdruckmessungen; BGH, Beschluss vom 16.01.2008 – KVR 26/07, BGHZ 175, 333 Rn. 18; BSG, Urteil vom 23.03.2011 – B 6 KA 11/10 R[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2004, 444, 445 – Arzneimittelsubstitution[↩]
- vgl. Wannagat/Lindemann, Sozialgesetzbuch V, Stand: Oktober 2004, § 95 Rn. 7[↩]
- vgl. BT-Drucks. 15/1170, S. 2[↩]
- vgl. Wannagat/Grühn aaO Stand: März 2005, § 116a Rn. 3[↩]
- vgl. Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung – Sozialgesetzbuch V, Stand: September 2008, § 116b Rn. 3 b[↩]
- GRUR 2007, 535 – Gesamtzufriedenheit[↩]
- GRUR 2008, 447 – Treuebonus[↩]
- vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialge-richtsgesetz, 9. Aufl., § 51 Rn. 21; Hommel in Peters/Sauter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand: April 2002, § 51 Rn. 266; Rohwer/Kahlmann, SGG, Stand: 2006, § 51 Rn. 56–15[↩]