Die Dienstbarkeit am eigenen Grundstück und die Zwangsvollstreckung

Das Finanzamt kann im Wege der Gläubigeranfechtung vorgehen, wenn sich ein Vollstreckungsschuldner am eigenen Grundstück ein Nießbrauchsrecht oder Wohnrecht bestellt. Die Anfechtung bewirkt, dass das Finanzamt einen Anspruch auf Vorrang seiner Rechte bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück geltend machen kann.

Die Dienstbarkeit am eigenen Grundstück und die Zwangsvollstreckung

In einem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte eine Vollstreckungsschuldnerin mit ihren Kindern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet und dieser mehrere Grundstücke übertragen. In den notariellen Verträgen hatte sie sich jeweils den Nießbrauch bzw. ein Wohnrecht vorbehalten. Das Finanzamt focht die Grundstücksübertragungen gegenüber der GbR an, zusätzlich aber – und nur darum ging es im Streitfall – auch gegenüber der Vollstreckungsschuldnerin die Bestellung der zu ihren eigenen Gunsten bewirkten Dienstbarkeiten. Es sah eine ungerechtfertigte Gläubigerbenachteiligung darin, dass in der Zwangsversteigerung der Grundstücke, die die GbR wegen der erfolgten Anfechtung dulden müsse, Nießbrauch und Wohnrecht zugunsten der Vollstreckungsschuldnerin bestehen blieben, eine Zwangsvollstreckung in das Wohnrecht aber ausgeschlossen und die Verwertung des Nießbrauchsrechts als solches wirtschaftlich uninteressant wäre. Der Zugriff auf den vor der Bestellung der Dienstbarkeiten bestehenden vollen Wert des unbelasteten Grundstücks wäre somit vereitelt.

Der Bundesfinanzhof gab nun, anders als die Vorinstanz, dem Finanzamt Recht. Die zu entscheidende Rechtsfrage war, ob das Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners grundsätzlich Voraussetzung der Anfechtung einer Rechtshandlung ist. Denn nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§§ 3, 11 AnfG) muss dem Gläubiger das zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ worden ist. Die Bestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück aber ist weder Veräußerung noch Weggabe oder Aufgabe aus dem Schuldnervermögen. Der Bundesfinanzhof stellt nun klar, dass dieser Wortlaut nicht als Beschränkung der Anfechtungsrechte auf die genannten Arten der Vermögensminderungen verstanden werden darf, sondern dass es sich um eine nicht abschließende Auflistung von Vermögensminderungen handelt, die dazu dient, den Anspruch des Anfechtenden nach Art und Umfang auf das zu beschränken, was zur Wiederherstellung der früheren, durch die Vermögensverschiebung vereitelten Zugriffslage für die Gläubiger erforderlich ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann das Finanzamt nach § 191 AO denjenigen durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen, der nach dem AnfG verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist, das zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.

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Der in § 11 AnfG vorausgesetzte Anfechtungstatbestand ergibt sich in der Konstellation des Streitfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 1 AnfG. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Nach ihrem Wortlaut setzt die Norm voraus, dass eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung zu Gunsten eines Dritten vorliegt. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof in einem früheren Urteil2 ausgeführt, das Anfechtungsgesetz enthalte „nach seinem Wortlaut keinen Anfechtungstatbestand, der es ermöglichte, gegenüber dem Schuldner selbst die zu seinen Gunsten erfolgte Bestellung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten anzufechten“. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass grundsätzlich Voraussetzung einer Anfechtung das Ausscheiden eines Gegenstands aus dem Vermögen des Schuldners ist und etwas, was im Vermögen des Schuldners ist, schwerlich in dieses zurückgewährt werden kann.

Der Bundesfinanzhof hat in jener Entscheidung allerdings ausdrücklich dahinstehen lassen, ob sich diese Anfechtungsnorm erweiternd auf Fälle anwenden lasse, in denen ein Recht an dem bisher dem Schuldner gehörenden Grundstück zu seinen eigenen Gunsten bestellt werde. Auch der Bundesgerichtshof hat sich in einem Fall, in dem der Empfänger eines anfechtbar übertragenen Grundstücks dem Übertragenden, dem Schuldner, daran ein Wohnrecht bestellt hatte, nicht abschließend festgelegt3. Die Frage, ob es anfechtbar gewesen wäre, wenn sich der Übertragende, der Schuldner, von Anfang an selbst das Wohnrecht bestellt hätte, konnte dort offenbleiben. Denn der Schuldner war in jenem Fall hinsichtlich des Wohnrechts Sonderrechtsnachfolger des Grundstückserwerbers im Sinne des § 15 Abs. 2 AnfG4 und als solcher der Anfechtung ausgesetzt.

Im Streitfall ist die Frage, ob § 3 Abs. 1 AnfG nur auf Rechtshandlungen des Schuldners zu Gunsten eines Dritten anwendbar ist, entscheidungserheblich. Denn anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen sind hier die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AnfG nicht gegeben. Nach § 15 Abs. 2 AnfG kann die Anfechtbarkeit gegen einen sonstigen Rechtsnachfolger, der nicht Gesamtrechtsnachfolger ist, geltend gemacht werden, wenn dem Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs die Umstände bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen, oder wenn der Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs zu den Personen gehörte, die dem Schuldner nahestehen, es sei denn, dass ihm zu dieser Zeit die Umstände unbekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen oder wenn dem Rechtsnachfolger das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist.

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Die Vorschrift dehnt die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen gegenüber Ersterwerbern auf deren „Sonderrechtsnachfolger“ aus, um einen umfassenden Gläubigerschutz zu gewährleisten. Die Klägerin ist nicht Rechtsnachfolgerin im Sinne dieser Norm. Zwar setzt die Sonderrechtsnachfolge im Sinne des § 15 Abs. 2 AnfG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Vollübertragung des anfechtbar Erlangten voraus, sondern kann schon vorliegen, wenn aus dem anfechtbar Erworbenen ein neues, beschränktes Recht geschaffen oder eine besondere Befugnis abgezweigt wird. Auch muss der Rechtsnachfolger nach § 15 Abs. 2 AnfG nicht ein Dritter sein. Vielmehr kann auch der Schuldner des Anfechtungsgläubigers selbst Rechtsnachfolger im anfechtbaren Erwerb werden, wenn er sich an dem von ihm übertragenen Grundeigentum ein Teilrecht von dem Erwerber hat zurückübertragen lassen5.

Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sind aber weder die Nießbrauchsrechte noch das Wohnrecht zu Gunsten der Klägerin von den Erwerbern der Grundstücke –der GbR bzw. dem Sohn– bestellt worden. Die Klägerin hat sich diese Teilrechte an ihren eigenen Grundstücken vor der Eigentumsübertragung selbst bestellt.

Ob in einer solchen Konstellation eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 2 AnfG in Betracht käme, weil die Interessenlage, der § 15 Abs. 2 AnfG Rechnung trägt, sich nur unwesentlich von derjenigen unterscheidet, die entsteht, wenn das neue, beschränkte Recht nicht erst nach der anfechtbaren Übertragung des Grundstücks durch den Erwerber, sondern schon vor dieser Übertragung durch den bisherigen Eigentümer im Hinblick auf die beabsichtigte Übertragung des Grundstücks geschaffen wird, muss hier nicht geprüft werden, denn: Die Anfechtbarkeit der Bestellung dinglicher Rechte am eigenen Grundstück ergibt sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs unmittelbar aus § 3 Abs. 1 AnfG.

Der Wortlaut der Norm, wonach eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des „Wenn“-Satzes darin, den gutgläubigen Erwerber in Fällen der Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere.

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Die Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die Zugriffslage für die Gläubiger –unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums– verschlechtern kann. Denn im Fall einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen6. Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen der Zugriffslage für die Gläubiger vor. Die Zwangsvollstreckung und damit die Befriedigungsmöglichkeit für Gläubiger in das von der Klägerin im Vertrag vom 14. Dezember 2004 für sich selbst bestellte Wohnrecht ist ausgeschlossen, weil die Beteiligten die Überlassung des Wohnrechts an Dritte nicht gestattet haben (§ 857 Abs. 3 ZPO, § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB)5.

Der an den Grundstücken bestellte Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf7.

Auch an der nach § 3 Abs. 1 AnfG erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Klägerin bestehen keine Zweifel. Die Gläubigerbenachteiligung muss nicht das Ziel des Schuldnerhandelns sein. Es genügt, wenn der Schuldner die Benachteiligung als mögliche Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt8. Hiernach steht die Gläubigerbenachteiligungsabsicht außer Zweifel. Sowohl der zeitliche Zusammenhang der Grundstücksübertragung auf die neu gegründete GbR mit der Wohnungsdurchsuchung durch die Steuerfahndung wegen Verdachts der Schenkungsteuerhinterziehung als auch die Gesamtschau der Verfügungen der Klägerin lassen keinen anderen Schluss zu als den, dass die Klägerin ihr Grundvermögen vor dem Zugriff des Fiskus schützen wollte.

So stellt sich die Eigentumsübertragung auf die GbR als eine nach § 4 Abs. 1 AnfG anfechtbare Schenkung dar, da die Klägerin für die Hingabe keine Gegenleistung erhalten hat9. Die Grundstücke waren werthaltig. Eine wertausschöpfende Belastung der auf die GbR übertragenen Grundstücke scheidet in dem konkreten Verfahren angesichts eines von der Klägerin im FG-Verfahren selbst eingeräumten Verkehrswerts von 400.000 EUR und einer Grundschuldbelastung von 300.000 EUR (davon eine noch nicht zur Sicherung eingesetzte Eigentümergrundschuld über 100.000 EUR) aus, so dass die Übertragung an die GbR, an der sie selbst neben ihren beiden Kindern nur mit 2 % beteiligt war, wie eine Schenkung zu beurteilen ist. Die vorbehaltenen Nießbrauchsrechte sind keine „Gegenleistung“; Gegenstand der Schenkung ist vielmehr das damit jeweils belastete Grundstück10.

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Auch die vorbehaltenen Nießbrauchsrechte selbst bieten den Gläubigern keine dem Volleigentum vergleichbare Befriedigungsmöglichkeit. Sie beeinträchtigen vielmehr zusätzlich die Verwertbarkeit der Grundstücke in der –nach Anfechtung der Schenkung vorgesehenen– Zwangsvollstreckung. Bei diesem Gesamtbefund greift zu Gunsten des Finanzamtes bezüglich der Nießbrauchsbestellungen die Vermutung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des § 3 Abs. 2 Satz 2 AnfG, die den gesamten Vertragsinhalt erfasst.

Der Anspruch aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist bei gegebener Anfechtbarkeit darauf gerichtet, dem Gläubiger das zur Verfügung zu stellen, was aus dem Vermögen des Schuldners „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ ist. Im Streitfall steht dem Duldungsanspruch des Finanzamtes nicht entgegen, dass sich die Klägerin die Bestellung der Nießbrauchsrechte und des Wohnrechts, bei der Einbringung der Grundstücke in die GbR bzw. der Übertragung auf den Sohn vorbehalten hat. Zwar bewirkt die Bestellung dinglicher Rechte zu Gunsten des Grundeigentümers keine Schmälerung seines Vermögens, wie sie bei einer Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe von Vermögensbestandteilen an einen Dritten typisch ist. Der Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG deckt aber nicht nur diese Fälle der Vermögensminderung ab. Die Regelung muss im Zusammenhang mit den Anfechtungstatbeständen gelesen werden. § 11 AnfG regelt (nur) die Rechtsfolgen der wirksamen Anfechtung einer Rechtshandlung; er ergänzt nicht die Anfechtungsnormen um eine abschließende Bestimmung der anfechtbaren Rechtshandlungen auf solche der Veräußerung, Weggabe und Aufgabe. Ziel des § 11 AnfG ist –wie schon der mit Wirkung vom 1. Januar 1999 aufgehobenen Vorgängervorschrift des § 7 AnfG a.F. (vgl. Art. 1 § 20 Abs. 2 Satz 1 EGInsO)– die Wiederherstellung der durch die Vermögensverschiebung vereitelten Zugriffslage für die Gläubiger. Der gegenüber der früheren Formulierung, das Erhaltene müsse vom Empfänger „zurückgewährt“ werden, geänderte Wortlaut, dass das durch die anfechtbare Handlung Weggegebene bzw. Aufgegebene dem Gläubiger zu dessen Befriedigung „zur Verfügung gestellt“ werden muss, macht dieses Ziel besonders deutlich11. Der Gläubiger soll so –aber auch nur so– gestellt werden, als könne er auf das Vermögen des Schuldners noch so zugreifen, wie es ihm ohne die anfechtbare Disposition des Schuldners möglich gewesen wäre12. § 11 AnfG umschreibt mit den Begriffen „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ eine Beschränkung des Anspruchs nach Art und Umfang darauf, was zur Befriedigung des anfechtenden Gläubigers nötig ist13. So besteht z.B. infolge der Anfechtung kein Anspruch auf Einräumung eines dinglichen Rechts14. Im Kern dieser Regelung geht es „nur“ darum, den „Erfolg“ der wirksam angefochtenen Rechtshandlung insoweit zu verhindern, wie sie eine Gläubigerbenachteiligung konkret verursacht.

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Mit Bestellung der Nießbrauchsrechte und des Wohnrechts hat die Klägerin keine Rechte auf- oder weggegeben, sie hat dadurch aber –wie gesehen– den Zugriff auf ihre Vermögenswerte schon vor Übergang des Grundeigentums –und erst recht vor dem Hintergrund dieser Verfügung– beeinträchtigt. Diese Vermögenslage muss sie zu Gunsten des Fiskus nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG wieder herstellen.

Das Finanzamt hat die Klägerin mit dem Duldungsbescheid zu Recht verpflichtet, seinen in der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu begründenden Rechten den Vorrang vor dem jeweils eingetragenen Nießbrauch und dem Wohnrecht einzuräumen. Das Finanzamt kann mit diesem Vorrang von der Klägerin in der Zwangsvollstreckung das Nichtgebrauchmachen von dem zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnrecht, ihre Einwilligung in die Auszahlung des auf das Wohnrecht entfallenden Versteigerungserlöses sowie –bei Bestehenbleiben des Wohnrechts im Rahmen der Zwangsversteigerung– Wertersatz verlangen15. Mit dem Vorrang gegenüber dem Nießbrauch kann das Finanzamt entweder erreichen, dass der Nießbrauch mit dem Zuschlag erlischt, § 52 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 ZVG, oder es kann mit dem Duldungstitel die Anordnung der Zwangsverwaltung beantragen.

Ein Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG auf Einräumung des Vorrangs wird in der zivilrechtlichen Judikatur durchgehend bejaht. Da der Anfechtungsgegner –wie oben ausgeführt– bei anfechtbaren Grundpfandrechten die Zugriffslage nicht genauso wiederherzustellen hat, wie sie ohne die anfechtbare Rechtslage bestände, sondern nur insoweit, wie dies zur Befriedigung gerade des anfechtenden Gläubigers nötig ist, genügt es, dass der Anfechtungsgegner von dem anfechtbar erworbenen Recht keinen Gebrauch machen kann. „Geht einem Grundpfandrecht des Anfechtungsgläubigers … ein anfechtbar erlangtes dingliches Recht eines anderen an dem Grundstück vor, so begründet der Anfechtungsanspruch … in der Regel die schuldrechtliche Verpflichtung des Anfechtungsgegners, dem Recht des Anfechtungsgläubigers in entsprechender Anwendung des § 880 BGB den Vorrang einzuräumen“16.

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Da das Finanzamt selbst nicht den Anspruch auf Beseitigung der Dienstbarkeiten erhoben hat, bedarf es keiner Erwägungen dazu, ob der Umstand, dass die Dienstbarkeiten nicht für einen Dritten, sondern für den Eigentümer, der zugleich Vollstreckungsschuldner ist, bestellt worden sind, einen weitergehenden Anspruch als die Einräumung des Vorrangs rechtfertigen könnte.

Für sich selbst bestellte Rechte am eigenen Grundstück sind mithin nicht anfechtungsfest, wenn die Bestellung nach den gesamten Umständen in Gläubigerbenachteiligungsabsicht erfolgt ist.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. März 2010 – VII R 22/09

  1. BFH, Urteil vom 15.10.1996 – VII R 35/96, BFHE 181, 268, BStBl II 1997, 17, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 14.07.1981 – VII R 49/80, BFHE 133, 501, BStBl II 1981, 751[]
  3. BGH, Urteil vom 13.07.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314[]
  4. dort § 11 Abs. 2 AnfG a.F.[]
  5. vgl. BGHZ 130, 314[][]
  6. vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 19. Aufl., § 15 Rz 26, § 44 Rz 4[]
  7. so BGH, Urteil vom 12.01.2006 – IX ZR 131/04, BGHZ 166, 1[]
  8. BGHZ 130, 314, m.w.N.[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184, m.w.N.[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 07.04.1989 – V ZR 252/87, BGHZ 107, 156[]
  11. vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 10. Aufl., § 11 Rz 4; BGH, Urteil vom 29.06.2004 – IX ZR 258/02, BGHZ 159, 397[]
  12. vgl. BGHZ 130, 314; Kilger/Huber, Anfechtungsgesetz, 8. Aufl., § 7 Anm. I, 2[]
  13. vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.05.1996 – IX ZR 50/95, NJW 1996, 2231[]
  14. so schon RG, Urteil vom 03.03.1931 – VII 218/30, RGZ 131, 340[]
  15. vgl. z.B. OLG Bremen, Urteil vom 26.06.2000 – 5 U 89/99[]
  16. BGH, NJW 1996, 2231[]