Erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen – und die Risikokapitalgesellschaft

Die in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 verwendete Begriffsdefinition für KMU ist europarechtlich zu interpretieren1. Für die Auslegung des in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung vom 06.05.2003 verwendeten Begriffes der Risikokapitalgesellschaft ist im Einklang mit dem europarechtlichen Verständnis des Tatbestandsmerkmals der KMU auf die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU2 abzustellen.

Erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen – und die Risikokapitalgesellschaft

Der Begriff des Risikokapitals erfordert in positiver Hinsicht besonders riskante Investitionen in einer frühen Wachstumsphase des Unternehmens (sog. Seed, Start-up- und Expansionsphase) und grenzt sich in negativer Hinsicht ab von dem Erwerb einer zumindest beherrschenden Beteiligung an einem Unternehmen durch Übernahme von Aktiva oder Geschäftsteilen von den bisherigen Anteilseignern durch Verhandlungen oder im Wege eines Übernahmeangebots (sog. Buy-out).

Die Auslegung der in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 als Voraussetzung des Anspruchs auf eine erhöhte Investitionszulage verwendeten KMU-Definition erfolgt nach einem aus europarechtlichen Maßstäben gewonnenen Begriffsverständnis.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 erhöht sich die Investitionszulage für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen i.S. des § 2 Abs. 1 InvZulG 2007 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens zusätzlich die Begriffsdefinition für KMU im Sinne der Empfehlung der Kommission vom 06.05.20033 erfüllt, auf 25 % der Bemessungsgrundlage.

Bei dem InvZulG 2007 handelt es sich um eine Beihilfe, die hinsichtlich der Erstinvestitionsvorhaben, die vor dem Jahr 2007 eingeleitet wurden, am 6.12 2006 entsprechend Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (EGV) durch die Europäische Kommission genehmigt wurde4. Für nach dem 31.12 2006 begonnene Erstinvestitionsvorhaben findet die Verordnung (EG) Nr. 1628/2006 der Kommission vom 24.10.2006 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf regionale Investitionsbeihilfen der Mitgliedstaaten5 Anwendung. Damit gilt das InvZulG 2007 seit 2007 gemäß Art. 87 Abs. 3 EGV als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und ist von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EGV freigestellt6.

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Die Definition der KMU ist europarechtlich zu interpretieren. Dies hat der Bundesfinanzhof im Anschluss an das auf sein Vorabentscheidungsersuchen ergangene Urteil „HaTeFo“ des Gerichtshofs der Europäischen Union7 bereits zu der dem § 5 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2007 vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 entschieden8. Insoweit hat der EuGH ausgeführt, dass die KMU-Empfehlung unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu ihrem Erlass geführt haben9. Er hat dabei auf die Erwägungsgründe 9 und 12 der KMU-Empfehlung abgestellt, wonach die Definition der verbundenen Unternehmen dazu dient, die wirtschaftliche Realität der KMU besser zu erfassen und aus dieser Kategorie die Unternehmensgruppen auszuklammern, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, damit der Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der KMU nur Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht10. Da die Vorteile, die den KMU gewährt werden, meist Ausnahmen von allgemeinen Regeln, z.B. im Bereich der staatlichen Beihilfen, darstellen, soll der Begriff der KMU eng ausgelegt werden11. Zudem ist darauf zu achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird12.

Zu Recht ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass die GmbH im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens ein verbundenes Unternehmen i.S. des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung darstellte.

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Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung liegt ein verbundenes Unternehmen u.a. dann vor, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens hält.

Diese Voraussetzung war im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall erfüllt, da die Beteiligungsgesellschaft zu 90 % an der GmbH beteiligt war. Der Bundesfinanzhof hat desweiteren im vorliegenden Fall angenommen, dass die Beteiligungsgesellschaft nicht als Risikokapitalgesellschaft zu qualifizieren ist und sich daher insoweit nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung keine Vermutung dafür ergeben kann, dass die Beteiligungsgesellschaft keinen beherrschenden Einfluss auf die GmbH ausgeübt hat.

Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 des Anhangs der KMU-Empfehlung besteht die Vermutung, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, sofern sich die in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 des Anhangs der KMU-Empfehlung genannten Investoren nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmischen – unbeschadet der Rechte, die sie in ihrer Eigenschaft als Aktionäre oder Gesellschafter besitzen. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung zählt insbesondere auch Risikokapitalgesellschaften zu den Unternehmen, deren Beteiligung an einem anderen Unternehmen die Vermutung einer mangelnden Beherrschung auslösen kann.

Der Begriff der Risikokapitalgesellschaft ist in der KMU-Empfehlung nicht definiert. Zu Recht hat das Finanzgericht zur Auslegung des Begriffes auf die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU2 abgestellt. Dies entspricht den oben dargelegten Grundsätzen, wonach die Reichweite des Begriffes der KMU nach europarechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hat. Entgegen der Auffassung der GmbH kommt es daher nicht darauf an, ob im angloamerikanischen Rechtskreis oder in verschiedenen über das Internet aufrufbaren Nachschlagewerken gegebenenfalls ein Verständnis des Begriffes „Venture Capital“ vorherrscht, das von der europarechtlich geprägten Bedeutung abweicht. Ebenso wenig ist entscheidend, welche Vorgaben nationale Rechtsvorschriften -wie das UBGG- für das Beteiligungsengagement der von ihm erfassten Beteiligungsgesellschaften enthalten.

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Nach Ziff. 1.1 der genannten gemeinschaftsrechtlichen Leitlinien ist Risikokapital im Zusammenhang mit der Beteiligungsfinanzierung von Unternehmen mit anerkannt hohen Wachstumserwartungen in ihren frühen Wachstumsphasen zu sehen. Die Nachfrage nach Risikokapital geht typischerweise von Unternehmen mit Wachstumspotenzial aus, die keinen hinreichenden Zugang zu Kapitalmärkten haben, während das Angebot von Risikokapital von Investoren ausgeht, die bereit sind, für die Aussicht auf eine überdurchschnittliche Kapitalrendite ein hohes Risiko einzugehen. Nach der in Ziff. 2.2 Buchst. k der Leitlinien enthaltenen Begriffsbestimmung sind unter „Risikokapital“ Beteiligungen oder beteiligungsähnliche Finanzierungen von Unternehmen in ihren frühen Wachstumsphasen (Seed, Start-up- und Expansionsphase) zu verstehen. Dies soll auch informelle Investitionen von Business Angels, Wagniskapital und alternativen Aktienmärkten, die auf KMU einschließlich Wachstumsunternehmen spezialisiert sind, einschließen. Der Begriff „Wagniskapital“ schließt gemäß Ziff. 2.2 Buchst. i der Leitlinien Frühphasen- und Expansionsphase, nicht aber Ersatzfinanzierungen und Buy-outs mit ein. Unter „Buy-out“ wird der Erwerb einer zumindest beherrschenden Beteiligung an einem Unternehmen durch Übernahme von Aktiva oder Geschäftsteilen von den bisherigen Anteilseignern durch Verhandlungen oder im Wege eines Übernahmeangebots verstanden (Ziff. 2.2 Buchst. o der Leitlinien). Im Hinblick auf die von Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EGV geforderte Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt bestimmt Ziff. 4.03.2 der Leitlinien, dass Risikokapitalbeihilfen für KMU in Fördergebieten auf die Finanzierung der Phasen bis zur Expansionsphase beschränkt sein müssen.

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Hieraus ergibt sich, dass der Begriff des Risikokapitals einerseits in positiver Hinsicht besonders riskante Investitionen in einer frühen Wachstumsphase des Unternehmens erfordert. Andererseits grenzt er sich in negativer Hinsicht von dem Erwerb einer zumindest beherrschenden Beteiligung an einem Unternehmen durch Übernahme von Aktiva oder Geschäftsteilen von den bisherigen Anteilseignern durch Verhandlungen oder im Wege eines Übernahmeangebots ab. Letzteres muss im Hinblick auf den Erwägungsgrund 9 der KMU-Empfehlung auch in einem Zusammenhang damit gesehen werden, dass aus der Kategorie der KMU die Unternehmensgruppen ausgeklammert werden sollen, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beteiligungsgesellschaft im Streitfall nicht als Risikokapitalgesellschaft tätig geworden:

Da die GmbH mit der Übernahme des Geschäftsbetriebs der X auch ihren Geschäftsgegenstand in den der X geändert hat, ist für die Frage, in welcher Phase sich das Unternehmen der GmbH im Zeitpunkt der Übernahme befand, auf den bisherigen Geschäftsbetrieb der X abzustellen. Die X wurde bereits im Jahr 1993 gegründet und erst im Jahr 2007 von der GmbH übernommen. Sie war bereits vor der Übernahme am Markt etabliert und befand sich damit nicht mehr in einer Seed-Phase (Untersuchung, Ausreifung und Entwicklung einer Geschäftsidee, s. hierzu Ziff. 2.2 Buchst. e der Leitlinien) oder einer Start-up-Phase (Produktentwicklung und Markteinführung, s. hierzu Ziff. 2.2 Buchst. f der Leitlinien). Dem entspricht auch die vom Finanzgericht festgestellte Grundausrichtung der Beteiligungsfinanzierung durch die Y, die auf langfristige Beteiligungen an etablierten mittelständischen Unternehmen und nicht auf Beteiligungen in frühen, hochriskanten Unternehmensphasen zielt. Die Übernahme durch die GmbH stand nach den Feststellungen des Finanzgericht auch nicht im Zusammenhang mit einer (mit oder nach Erreichen der Gewinnschwelle, s. hierzu Ziff. 2.2 Buchst. h der Leitlinien) eingetretenen Expansionsphase, die über die normale Ausweitung des Geschäftsbetriebs hinausgehende, besonders risikoträchtige Investitionen umfasste.

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Des Weiteren spricht auch die festgestellte Art der von Beteiligungsgesellschaft durchgeführten Unternehmensfinanzierung eher für eine „Buy-out“- als für eine Risikokapitalfinanzierung. Denn die Beteiligungsgesellschaft ließ durch eine Tochtergesellschaft (die GmbH) ein seit längerem bestehendes und am Markt bereits etabliertes Unternehmen (X) erwerben und beteiligte einen bisherigen Geschäftsführer für eine Übergangszeit nur im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung.

Schließlich wertet es der Bundesfinanzhof auch als ein gegen die Einordnung als KMU sprechendes Indiz, dass die GmbH über die Beteiligungsgesellschaft und deren kapitalstarken und stabilen Gesellschafterkreis über Mittel und Unterstützungen verfügte, die ihre gleich großen Konkurrenten nicht hatten. Diese Würdigung entspricht sowohl dem im Erwägungsgrund 9 der KMU-Empfehlung zum Ausdruck gekommenen Ziel, aus der Kategorie der KMU die Unternehmensgruppen auszuklammern, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, als auch der Vorgabe des EuGH, eine Umgehung der Definition der KMU durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien zu verhindern.

Unerheblich ist danach, ob die Beteiligungsgesellschaft sich direkt oder indirekt in die Verwaltung der GmbH eingemischt hat, da dies nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 i.V.m. Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung nur dann zur KMU-Eigenschaft der GmbH führen könnte, wenn die Beteiligungsgesellschaft als Risikokapitalgesellschaft einzustufen wäre.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die GmbH ihren KMU-Status zusätzlich auch deshalb verloren hat, weil -was das Finanzgericht nicht festgestellt hat- die öffentliche Hand direkt oder indirekt zu über 50 % an der GmbH beteiligt war.

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Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist für den Bundesfinanzhof schließlich auch die Feststellung, dass die GmbH zwar isoliert betrachtet die in Art. 2 Abs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung enthaltene Begriffsdefinition für KMU zu dem für die Förderung nach dem InvZulG 2007 maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens erfüllt, jedoch wegen der Einordnung als verbundenes Unternehmen i.S. des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung unter Hinzurechnung der Zahlen der Beteiligungsgesellschaft die Schwellenwerte überschreitet.

Die vorgenommene Hinzurechnung von 100 % der Daten aller direkt oder indirekt mit dem betroffenen Unternehmen verbundenen Unternehmen entspricht den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 bis 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung (s. a. Beispiel 3 des Anhangs – I des Benutzerhandbuchs der Europäischen Kommission zur neuen KMU-Definition -Benutzerhandbuch-, 2006, S. 30).

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. März 2015 – III R 48/13

  1. Bestätigung von BFH, Urteil vom 03.07.2014 – III R 30/11, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157[]
  2. ABl.EU C 194/2 vom 18.08.2006[][]
  3. ABl.EU 2003 Nr. L 124, S. 36[]
  4. BMF, Schreiben vom 08.05.2008, BStBl I 2008, 590, Rz 197, BGBl I 2006, 3404[]
  5. ABl.EU 2006 Nr. L 302, S. 29[]
  6. BMF, Schreiben in BStBl I 2008, 590, Rz 198[]
  7. EuGH, Urteil vom 27.02.2014 – C-110/13, HaTeFo, EU:C:2014:114[]
  8. vgl. zur Begründung im Einzelnen BFH, Urteil vom 03.07.2014 – III R 30/11, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157, Rz 25[]
  9. vgl. entsprechend EuGH, Urteil Italien/Kommission vom 29.04.2004 – C-91/01, EU:C:2004:244, Rz 49[]
  10. EuGH, Urteil HaTeFo, EU:C:2014:114, Rz 31[]
  11. EuGH, Urteil HaTeFo, EU:C:2014:114, Rz 32[]
  12. EuGH, Urteil HaTeFo, EU:C:2014:114, Rz 33[]