Die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches dürfen nicht überspannt werden, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen. Der Bundesfinanzhof1 stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).

Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten (im hier entschiedenen Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind2. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist. Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern ist sich nur um vereinzelte Fälle handelt3.
In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild einies Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Steuerpfllichtigen entkräftet werden.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes waren daher in dem hier vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Fall die streitbefangenen Fahrtenbücher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zwar als mit kleineren Mängeln behaftet, aber in der Gesamtbewertung noch als ordnungsgemäß i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs.1 Nr. 4 Satz 3 EStG anzusehen. Eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide konnte daher auf Grundlage des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht durchgeführt werden, denn es fehlen neue (steuererhöhende) Tatsachen, die eine solche Änderung rechtfertigen könnten4.
Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0, 03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie der Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG. Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden; § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG gilt entsprechend.
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah (im Sinne von „sofort“)5 und in geschlossener Form geführt worden ist, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. – wenn ein solcher nicht vorhanden ist – den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben6. Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt7. Dazu genügt nicht, wenn nur allgemein und pauschal die betreffenden Fahrten als „Dienstfahrten“ oder „Kundenbesuch“ bezeichnet werden8. Die genannten Angaben müssen sich in hinreichend übersichtlicher und geordneter Form regelmäßig schon dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen und dadurch eine stichprobenartige Überprüfung ermöglichen. Das schließt es nicht aus, im Fahrtenbuch gegebenenfalls auch Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele und Kunden oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke zu verwenden, solange die gebrauchten Kürzel entweder aus sich heraus verständlich oder z.B. auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sind und der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird9. Eine große Anzahl von nicht aus sich heraus verständlichen und nicht hinreichend erläuterten Abkürzungen führt zur Verwerfung des Fahrtenbuches10.
Die Ausgangs- und Endpunkte der jeweiligen Fahrten und die jeweils aufgesuchten Kunden und Geschäftspartner gehören aber zu den unverzichtbaren Angaben, die im Fahrtenbuch selbst zu machen sind. Die erforderlichen Mindestangaben können nicht durch anderweitige nicht im Fahrtenbuch selbst enthaltene Auflistungen ersetzt werden11.
Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen12. Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann, führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind13. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Nach Überzeugung des Finanzgerichts erfüllen die streitbefangenen Fahrtenbücher unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze und den Umständen des vorliegenden Einzelfalls trotz kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten noch den Anforderungen, die an ein ordnungsmäßiges Fahrtenbuch i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs.1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu stellen sind.
Die einzelnen hiergegen vom Finanzamt vorgebrachten, gegen die Ordnungsmäßigkeit sprechenden Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch.
Das Finanzamt bemängelt, dass in den Fahrtenbüchern die Adressen der aufgesuchten Kunden nicht aufgeführt seien und es nicht zumutbar sei, fehlende Adressen zu ermitteln und zu überprüfen. Die nachgereichten Listen seien nacherstellt worden und nicht Bestandteil des Fahrtenbuches bei der Lohnsteueraußenprüfung gewesen.
Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass Angaben zu Adressen und Hausnummern im Fahrtenbuch zu machen sind14. Für ein Reiseziel muss nur dann keine Adresse angegeben werden, wenn diese Adresse aufgrund der Angaben zum Reiseziel unschwer zu ermitteln ist15.
Im Streitfall sind die Adressen der aufgesuchten Kunden jedoch unschwer den zu den Fahrtenbüchern geführten Kundenlisten zu entnehmen. Hinzu kommt, dass es sich jeweils um häufig wiederkehrend besuchte Kunden handelt. Diese Kundenliste wird – davon geht das Finanzgericht nach der Befragung des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung aus – fortlaufend geführt und ermöglicht ohne großen Aufwand und weitere Erläuterungen eine genaue Überprüfung der aufgezeichneten Kilometer. Für eine vom Finanzamt vermutete Nacherstellung hat das Finanzgericht keine Anhaltspunkte. Insbesondere konnte der Geschäftsführer glaubhaft erläutern, warum diese Kundenliste dem Lohnsteueraußenprüfer nicht vorgelegen hat. Es ist dem Geschäftsführer nicht vorzuwerfen, wenn der Prüfer ohne seine Kenntnis die Überprüfung nur anhand der beim Lohnkonto hinterlegten Kopien der Fahrtenbücher vornimmt. Die Kunden- und Adressliste muss nur als Ergänzung der Original-Fahrtenbücher vorliegen. Die fehlenden Adressangaben bei Fahrten zur Bank und zum Steuerberater lassen sich unschwer ermitteln, denn der Geschäftsführer hat – soweit ersichtlich – nur den einen Steuerberater und auch nur eine Geschäftsbank, die Commerzbank-Filiale in ….
Die teilweise Verwendung von Abkürzungen sowohl für einzelne bestimmte Ortsnamen und Kunden, die er fortwährend aufsucht, als auch vereinzelt für den Reisezweck (etwa EK) sind unschädlich. Die Abkürzungen sind entweder aus sich heraus verständlich oder Ort bzw. Kunden lassen sich leicht und eindeutig aus der vorhandenen Kunden- und Adressliste ermitteln16.
Zu Unrecht geht das Finanzamt davon aus, dass die Angabe „Hotel“ in der Spalte „Besuchte Personen, Firmen, Behörden“ auf den vereinzelten Dienstreisen17 zur Verwerfung des Fahrtenbuches führt, weil es für das Finanzamt nicht zumutbar sei, die Namen und Adressen aus weiteren Unterlagen wie Reisekostenunterlagen zu ermitteln18. Diese Rechtsauffassung teilt das Niederrsächsische Finanzgericht nicht. Nur die Ausgangs- und Endpunkte der jeweiligen Fahrten und die jeweils aufgesuchten Kunden und Geschäftspartner gehören zu den unverzichtbaren Angaben, die im Fahrtenbuch selbst zu machen sind. Nur diese erforderlichen Mindestangaben können nicht durch anderweitige, nicht im Fahrtenbuch selbst enthaltene Auflistungen ersetzt werden11. Im Streitfall hat der Geschäftsführer jedoch die genaue Fahrtroute und mangels an dem Tag aufgesuchten Kunden die Bezeichnung „Hotel“ angegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Aufzeichnungen ergibt sich jeweils eindeutig, dass es sich jeweils um eine Hotelübernachtung auf einer Dienstreise zu einem bestimmten Kunden handelt.
Das Finanzgericht erachtet es als zumutbar, wenn das Finanzamt und ggf. das Finanzgericht die fehlende Angabe des Hotelnamens und der Anschrift aus Reisekostenunterlagen ermittelt. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass sich dies – wie im Streitfall – auf wenige Vorgänge in einem Jahr beschränkt und nicht – wie das im Fall des Finanzgericht Köln gegeben war – bei einer Vielzahl von Vorgängen der Fall war. Im Unterschied zum Streitfall konnte im Fall des Finanzgericht Köln selbst unter Einbezug der dem jeweiligen Fahrtenbuch beigefügten Anlage nicht immer das Fahrtziel wegen fehlender Adressen festgestellt werden. Im vorliegenden Fall ist – soweit ersichtlich – die Kunden- und Adressliste vollständig und die fehlende Adresse beschränkt sich auf vereinzelte Fälle der Hotelübernachtungen.
Dabei darf nach Überzeugung des Finanzgerichts auch der Zweck der Anforderungen, Manipulationen vorzubeugen19, nicht außer Acht gelassen werden. Das Finanzgericht konnte sich nach Vorlage beispielhaft ausgewählter Reisekostenunterlagen in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass sich der Name und die Adresse des jeweiligen Hotels leicht und ohne weitere Rückfragen aus den Hotelrechnungen ergab und keine Zweifel bestehen, dass der Geschäftsführer die aufgezeichnete Fahrt dorthin auch tatsächlich durchgeführt hat. Ähnlich einer Anforderung von Tankbelegen oder Werkstattrechnungen zur Verifizierung der Angaben des Steuerpflichtigen erachtet es das Finanzgericht als zumutbar, stichprobenartig Reisekostenunterlagen anzufordern, um die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen. Im Streitfall hat das Finanzgericht zudem keine Anhaltspunkte, dass die fehlende Angabe des Namens des Hotels oder der Anschrift einer Manipulation diente.
Das Finanzgericht weist schließlich in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches nicht überspannt werden dürfen, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen20. Denn der Bundesfinanzhof1 stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).
Selbst wenn man bei strengerer Auslegung der Anforderungen die fehlende Angabe des Namens und der Adresse des Hotels als Mangel begreift, führt dies nicht zur Verwerfung der Fahrtenbücher als Ganzes, denn trotz dieses Mangels bieten die Fahrtenbücher nach Überzeugung des Finanzgerichts noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben mit der Folge, dass der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Kleinere vom Finanzamt aufgezeigte Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und Routenplaner sind nach Auffassung des Finanzgerichts unschädlich21. Außerdem hat der Geschäftsführer nachgewiesen, dass die Angaben lt. Routenplaner unterschiedlich sind, je nachdem, welcher Routenplaner verwendet wird und welche Route gewählt wird. Der Geschäftsführer ist nicht verpflichtet, jeweils die kürzeste Verbindung zu wählen, wenn eine andere Route verkehrsgünstiger ist.
Das Finanzgericht Düsseldorf hält Abweichungen von der kürzesten Route erst bei mehr als 20% für kennzeichnungspflichtig22.
Nach Überzeugung des Finanzgerichts liegen die aufgezeigten Abweichungen und die fehlende Aufzeichnung der Umwegfahrten in diesem Toleranzbereich.
Auch eine Verpflichtung zur Aufzeichnung von Tankstopps besteht in diesem Zusammenhang nur dann, wenn eine Tankstelle außerhalb der gekennzeichneten Route angefahren wird. Im Streitfall konnte anhand der vorgelegten Tankbelege nachgewiesen werden, dass die aufgesuchten Tankstellen jeweils an den angegebenen Routen liegen, sofern man die vom Geschäftsführer dargelegte Route zugrunde legt (etwa beim Tanken auf der Fahrt zu seiner Geschäftsbank in …). Dass die Kilometerangabe des Geschäftsführers sich nicht auf einen Kilometer genau abgleichen lässt, ist unschädlich. Differenzen bei der zulässigen Rundung auf volle km sind hinzunehmen23.
Die Vermutung des Finanzamts, die Angabe immer gleicher Kilometerangaben für gleiche Strecken, das ordentliche einheitliche Schriftbild und das Fehlen von Knicken und Gebrauchsspuren legten nahe, dass die Fahrtenbücher nicht zeitnah geführt, sondern anhand von Tankbelegen, Werkstattrechnung und Terminkalender nacherstellt worden seien24, teilt das Niedersächsiche Finanzgericht im vorliegenden Fall nicht. Entsprechende tatsächliche Feststellungen, die diese Vermutung erhärten, konnten nicht getroffen werden.
In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden25.
Insoweit ist dem Finanzamt zuzugeben, dass sicherlich auf den ersten Blick angesichts des Zustandes und des Schriftbildes der Fahrtenbücher Zweifel an der zeitnahen Führung bestehen. Gleichwohl lässt sich weiteren Schriftproben des Geschäftsführers und dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fahrtenbuch für 2021 entnehmen, dass der Geschäftsführer durchgängig ordentlich und gleichmäßig schreibt. Der Geschäftsführer konnte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichern, dass er regelmäßig nur einen Stift verwendet, der mit dem Fahrtenbuch im Kfz aufbewahrt wird.
Zudem sprechen gegen eine Nacherstellung, dass ein Abgleich der Angaben in den Fahrtenbüchern mit Tank- und Werkstattquittungen keine Unregelmäßigkeiten zutage gefördert hat und die Abgabe der Fahrtenbücher beim Steuerberater monatlich bzw. vierteljährlich erfolgt ist. Ein gänzliches Nacherstellen ist damit bereits aus diesem Grunde auszuschließen. Damit ist aus Sicht des Niedersächsischen Finanzgerichts die Indizwirkung, die vom äußeren Zustand der Fahrtenbücher ausgeht, entkräftet. Das Finanzgericht hat zudem nach der persönlichen Befragung des Geschäftsführers keine Anhaltspunkte, an den Angaben zur zeitnahen Aufzeichnung jeder Fahrt nach deren Abschluss zu zweifeln.
Schließlich konnte der Geschäftsführer weitere von Seiten des Gerichts vorgebrachte Auffälligkeiten wie die Abhol- und Rückgabefahrten zur Europcar und die fehlende Ersichtlichkeit von längeren Urlaubszeiten in den Fahrtenbüchern (trotz Angabe von 29/30 Urlaubs- und Krankheitstagen in den Steuererklärungen) in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erläutern. So hat der Geschäftsführer glaubhaft geschildert, dass die Fahrten zu Europcar zur Abholung und Rückgabe von Mietwagen zur Durchführung von Dienstreisen mit einem weiteren Mitarbeiter der GmbH durchgeführt worden seien und dieser dann das Mietauto zurück zum Betriebssitz gefahren habe, wo es dann beladen und für die Dienstreise von beiden benutzt worden sei. Dadurch konnten die Angaben des Geschäftsführers zu diesen Fahrten verifiziert werden.
Auch den Umstand, dass sich längere zeitliche Lücken, die üblicherweise während Urlaubszeiten ergeben, in den Fahrtenbüchern nicht feststellen lassen, konnte der Geschäftsführer glaubhaft mit der Krankheit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau erklären.
In der Gesamtbewertung stimmt das Niedersächsiche Finanzgericht dem Finanzamt zu, dass die streitbefangenen Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten aufweisen. Diese sind jedoch auch in der Summe nicht so gravierend, dass sie die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben insgesamt in Frage stellen könnten. Die Angaben des Geschäftsführers hält das Finanzgericht insgesamt für plausibel, sodass trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben besteht und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16. Juni 2021 – 9 K 276/19
- etwa BFH, Urteil vom 13.12.2012 – VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385[↩][↩]
- Anschluss an BFH, Urteil vom 10.04.2008 -VI R 38/06, BFH/NV 2008, 1373[↩]
- Abgrenzung zu FG Köln, Urteil vom 15.09.2016 – 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081[↩]
- vgl. FG Köln, Urteil vom 21.04.2008 – 15 K 3899/07, EFG 2009, 120[↩]
- vgl. Kulosa in: Schmidt, EStG-Kommentar, 40. Aufl.2021, § 6 Rz. 565[↩]
- BFH, Urteil vom 01.03.2012 – VI R 33/10, BFHE 236, 497, BStBl II 2012, 505, Rz 12[↩]
- BFH, Urteil vom 16.03.2006 – VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625, unter II. 1.b[↩]
- BFH, Urteil vom 13.11.2012 – VI R 3/12, BFH/NV 2013, 526; Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/FGtG, § 6 EStG Anm. 828[↩]
- BFH, Urteil 16.03.2006 – VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625, unter II. 1.d[↩]
- BFH, Urteil vom 15.07.2020 – III R 62/19, BFH/NV 2021, 704[↩]
- BFH, Urteil vom 13.11.2012 – VI R 3/12, BFH/NV 2013, 526[↩][↩]
- BFH, Urteil 16.03.2006 – VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625[↩]
- BFH, Urteil vom 10.04.2008 – VI R 38/06, BFH/NV 2008, 1373[↩]
- etwa Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/FGtG, § 6 EStG Anm. 828[↩]
- BFH, Urteil 16.03.2006 – VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625; FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 -12 K 4479/07 E, EFG 2009, 324[↩]
- so auch BFH, Urteil vom 15.07.2020 – III R 62/19, BFH/NV 2021, 704[↩]
- etwa in die Niederlande[↩]
- unter Hinweis auf FG Köln, Urteil vom 15.09.2016 – 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081[↩]
- hierzu Kulosa in: Schmidt, EStG-Kommentar, 40. Aufl.2021, § 6 Rz. 560[↩]
- vgl. Anmerk. Zimmermann zu FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 – 12 K 4479/07 E, EFG 2009, 324[↩]
- so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 – 12 K 4479/07 E, EFG 2009, 324: bis zu einer Größenordnung von 1,5% der jährlichen Gesamtfahrleistung[↩]
- ähnlich wohl BFH, Beschluss vom 14.03.2012 – VIII B 120/11; BFH/NV 2012, 949, der eine Abweichung von 24% bei einer Entfernung von 232 km nicht mehr zuließ; differenzierend Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/FGtG, § 6 EStG Anm. 828: Umwegfahrten von bis zu 5 km in der Innenstadt bis 100% möglich, Umwegfahrten bei Fahrten bis 100 km Überland bis 5% zulässig, d.h ab da erklärungsbedürftig[↩]
- Kulosa in: Schmidt, EStG-Kommentar, 40. Aufl.2021, § 6 Rz. 562[↩]
- unter Hinweis auf Nds. FG, Urteil vom 29.10.2019 – 6 K 174/18, n.v.[↩]
- Schober in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/FGtG, § 6 EStG Anm. 827[↩]