Eine positive Kindergeldfestsetzung hat als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung Bindungswirkung für die Zukunft. Sie ist damit zugleich Rechtsgrundlage für die fortlaufende monatliche Zahlung des Kindergeldes (Monatsprinzip). Durch die fortlaufende Zahlung wird daher nicht monatlich eine neue Festsetzung vorgenommen.

Ist die Kindergeldfestsetzung zunächst rechtmäßig und wird sie nachträglich unrichtig, weil die Anspruchsvoraussetzungen im Nachhinein entfallen sind (Änderung der Verhältnisse), so ist die Festsetzung ab dem Folgemonat der Änderung, also gegebenenfalls auch rückwirkend, aufzuheben (§ 70 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Geänderte Verhältnisse
Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Die Regelung betrifft den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Bestand des Kindergeldanspruchs maßgeblichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes nachträglich unrichtig wird1.
Dies war in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreit der Fall: Nachdem die volljährige Tochter den Schulbesuch Ende Januar 2005 „abgebrochen“ hatte, stand dem Kläger ab Februar 2005 kein Kindergeld mehr zu, da die Tochter keinen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllte.
Kindergeldfestsetzung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung
Insoweit haben sich die Verhältnisse gegenüber denen, die der ursprünglichen Festsetzung zugrunde lagen, in erheblicher Weise im Sinne des § 70 Abs. 2 EStG geändert. Maßgeblich ist insoweit die Entscheidung der Familienkasse im August 2004, dem Kläger auf seinen ersten Fortzahlungsantrag angesichts der fortdauernden Schulausbildung Kindergeld für T ab Vollendung von deren 18. Lebensjahr an zu gewähren. Die antragsgemäße Festsetzung verfügte die Familienkasse in der Kindergeldakte, sah aber von einer schriftlichen Bescheiderteilung ab2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat eine solche positive Kindergeldfestsetzung entsprechend der gesetzlichen Konzeption des § 70 Abs. 1 bis 3 EStG als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung Bindungswirkung für die Zukunft3. Die Festsetzung ist damit zugleich Rechtsgrundlage für die fortlaufende monatliche Zahlung des Kindergeldes (Monatsprinzip); durch die monatliche Zahlung des Kindergeldes wird die ursprüngliche Festsetzung nur jeweils konkludent bestätigt, es wird aber –entgegen der Ansicht des FG– insoweit nicht monatlich eine neue Festsetzung vorgenommen4.
Keine unrichtige rechtliche Würdigung des ursprünglichen Sachverhalts
Somit handelt es sich auch nicht um einen Fall der Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG. Diese Änderungsnorm betrifft die Fälle, in denen der zutreffende Sachverhalt der Familienkasse bekannt ist, sie die ihr bekannten Tatsachen jedoch rechtlich unzutreffend würdigt, oder ihrer Entscheidung irrtümlich einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legt5. Im Zeitpunkt der Festsetzung des Kindergeldes lagen indes die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vor, das Kindergeld wurde ursprünglich mithin zu Recht gewährt.
Rückwirkende Aufhebung trotz rechtzeitiger Kenntis der Behörde
Die rückwirkende Aufhebung des Kindergeldes scheitert auch nicht daran, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten stets zeitnah nachgekommen ist; eine Verletzung von Mitwirkungspflichten ist nicht erforderlich6.
Da aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes weggefallen ist, ist das zuviel gezahlte Kindergeld von dem Kläger auch für August 2005 zurückzuzahlen (§ 37 Abs. 2 AO). Insoweit ist es unerheblich, dass die Familienkasse das Kindergeld zunächst weiterhin auszahlte, obwohl sie bereits Anfang Juli 2005 davon Kenntnis hatte, dass die Tochter das freiwillige soziale Jahr nicht wie geplant im Mai oder Juni 2005 angetreten hatte. Die bloße Weiterzahlung trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, steht der Rückforderung nicht entgegen7; insoweit liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. März 2011 – III R 11/08
- BFH, Urteil vom 20.11.2008 – III R 53/05, BFH/NV 2009, 564[↩]
- § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F.[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 196, 253, BStBl II 2002, 88; und in BFHE 196, 257, BStBl II 2002, 89; siehe auch Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 70 EStG Rz 6; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 70 EStG Rz 29[↩]
- Greite in Korn, § 70 EStG Rz 11[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174[↩]
- BFH, Urteil vom 14.10.2003 – VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123; Blümich/Treiber, § 70 EStG Rz 21[↩]
- BFH, Urteil vom 21.01.2010 – III R 17/07, BFH/NV 2010, 1423; Beschluss vom 28.01.2010 – III B 37/09, BFH/NV 2010, 837, m.w.N.[↩]