Aus der Tatsache, dass der Vermögensübergeber bis zum Tod seiner Frau die laut Übergabevertrag geschuldete Vollverköstigung nicht in Anspruch genommen hat, kann nicht auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen des Übernehmers geschlossen werden.

Im Urteil in BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434 hat der Bundesfinanzhof zwar entschieden, der für die steuerliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erforderliche Rechtsbindungswille müsse sich auf sämtliche für einen Versorgungsvertrag typusprägenden Leistungen -Sach- und Barleistungen- beziehen. Abweichungen des tatsächlich Durchgeführten vom Vereinbarten seien steuerschädlich. Entsprechende Aussagen finden sich auch in den Urteilen vom 15.09.2010 – X R 16/091 und – X R 31/092. In allen Fällen hatten die Übernehmer die vereinbarten Barleistungen über einen längeren Zeitraum nicht vertragsgemäß erbracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt es aber auch in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren3. Im Urteil in BFH/NV 2011, 583 hat der Bundesfinanzhof deshalb entschieden, der Versorgungsvertrag und damit die wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben seien anzuerkennen, obwohl Vermögensübergeber und Vermögensübernehmer nach Abschluss des Vertrags einvernehmlich vereinbart hätten, die Barleistungen angesichts des geringeren Bedarfs der Eltern zu reduzieren. Die Sicherung des Unterhalts der Eltern sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Es liege keine willkürliche, sondern eine einvernehmliche, am Vertragszweck orientierte Reduzierung der Barleistungen vor. Am Rechtsbindungswillen des Übernehmers bestünden keine Zweifel, und deshalb sei es nicht gerechtfertigt, dem Vermögensübernehmer den Sonderausgabenabzug der vertragsgerecht geleisteten Rentenzahlungen zu verwehren.
Nicht anders verhält es sich im hier vom Bundesfinanz entschiedenen Streitfall: Die Eltern des Übernehmers haben auf die Vollverköstigung verzichtet, solange sie -bis zum Tod der Mutter- in der Lage waren, sich selbst zu versorgen und ein autarkes; vom Übernehmer unabhängiges Leben zu führen. Hieraus einen mangelnden Rechtsbindungswillen des Übernehmers abzuleiten, würde dem Wesen des Versorgungsvertrags nicht gerecht, auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren zu können. Im Zeitpunkt der Vermögensübergabe wollte der Vermögensübergeber sich und seine Frau nicht nur durch Bar, sondern auch durch Sachleistungen versorgt wissen. Allerdings konnte er nicht vorhersagen, wie lange er hierzu noch selbst in der Lage sein würde. Dass er mithilfe seiner Frau in den ersten Jahren nach der Vermögensübergabe die Sachleistungen nicht in Anspruch nehmen musste, kann nicht dazu führen, dem Übernehmer einen fehlenden Rechtsbindungswillen anzulasten und die Barleistungen schon deshalb nicht als Sonderausgaben anzuerkennen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Juli 2015 – X R 47/14