Zuwendungsnießbrauch an minderjährige Kinder

Die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchsrechts ist nicht missbräuchlich, wenn dem Zuwendenden, von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen, kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht.

Zuwendungsnießbrauch an minderjährige Kinder

Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer einem anderen eines der in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt; ihm müssen die Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine Nutzungsüberlassung -rechtlich oder tatsächlich- zurechenbar sein1.

Der Nießbraucher der Sache erzielt die Einkünfte aus deren Vermietung, wenn er im Außenverhältnis selbst als Vermieter in Erscheinung tritt. Auch ein (befristetes) schuldrechtliches Nutzungsrecht kann zur Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 EStG führen2.

Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern den Nießbrauch an einem bebauten Grundstück, können die Kinder nur dann Einkünfte aus Vermietung im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen, wenn -wie im hier entschiedenen Fall- zu ihren Gunsten ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist3.

Es bedurfte im Streitfall auch keiner Entscheidung, ob die Kinder kraft Gesetzes mit der Begründung des Nießbrauchs in die Vermieterstellung eingerückt sind (§§ 565, 566 BGB) oder ob dafür die Zustimmung des Mieters erforderlich war. Jedenfalls hat die GmbH als Mieterin dem Wechsel des Vermieters wirksam zugestimmt. Auch darüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

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Gegen die steuerliche Anerkennung des Mietvertrags bestehen im vorliegenden Streitfall auch unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs keine durchgreifenden Bedenken. Ob zwischen den Eltern als Vermieter und der jeweils nur von einem Elternteil beherrschten GmbH überhaupt ein persönliches Näheverhältnis zu bejahen wäre, kann dahinstehen. Weder das Finanzamt noch das Finanzgericht haben Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der Vertrag seinem Inhalt nach einem Fremdvergleich nicht standhält. Auch die Durchführung des Vertrags begegnet bis zur Begründung des Nießbrauchs keinen Bedenken.

Für die Zeit nach Begründung des Nießbrauchs und Übergang der Vermieterstellung auf die Kinder gilt nichts anderes. Zunächst besteht zwischen den Kinder und der von einem Elternteil allein beherrschten GmbH vordergründig kein persönliches Näheverhältnis mehr. Die Nachzahlung der Miete für Januar bis Juni 2016 am 30.06.2016 in einem Betrag weicht zwar vom schriftlich Vereinbarten ab. Die Klägerin hat dagegen unwidersprochen vorgetragen, dies sei einvernehmlich geschehen. Das Finanzgericht ist der Frage indes zu Recht nicht weiter nachgegangen, denn durchgreifende Bedenken gegen die Ernstlichkeit der Vereinbarung würden sich allein daraus nicht ergeben. Es ist nicht anzunehmen, dass die Kinder der GmbH etwas zuwenden wollten. Anders als das Finanzamt meint, besteht auch kein Erfahrungssatz, dass ein Mietvertrag bei Zahlungsrückstand des Mieters stets sofort gekündigt wird. Entsprechendes kann deshalb auch nicht als fremdüblich zugrunde gelegt werden. Wie die weitere (bekannte) Entwicklung zeigt, ist der Mietvertrag beiderseits vollständig erfüllt worden. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass die Kinder zivilrechtlich zwar seit dem 01.01.2016 Vermieter waren, die steuerliche Zurechnung aber nicht rückwirkend begründet werden kann und deshalb erst mit der Genehmigung des Vertrags durch den Ergänzungspfleger beginnt, sodass der Zahlungsrückstand und die Nachzahlung steuerlich auch nicht in den Zeitraum fallen, in dem die Einkünfte den Kinder zuzurechnen sind.

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Es liegt schließlich auch kein Gestaltungsmissbrauch vor.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).

Bestellen Eltern (zivilrechtlich wirksam) ihrem (minderjährigen) Kind unentgeltlich einen zeitlich befristeten Nießbrauch an einem Grundstück, welches das Kind anschließend an die Eltern zurückvermietet, stellt eine solche Gestaltung regelmäßig einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO dar4. Die Unangemessenheit ergibt sich zwar nicht schon aus dem Motiv, Steuern sparen zu wollen. Wer aber ein Gebäude für eigene Zwecke benötigt, bestellt nicht einem anderen ein unentgeltliches Nutzungsrecht daran, um es anschließend entgeltlich zurück zu mieten. Im dort zugrunde liegenden Fall hatte der Vater das Alleineigentum an der als Familienwohnung und Praxis genutzten Immobilie zunächst unentgeltlich auf seine Frau übertragen. Beide Eltern räumten in derselben Urkunde dem Sohn einen zeitlich befristeten Nießbrauch an dem Grundstück ein, und der Vater mietete das Haus von dem Sohn zurück. Dadurch wollte er den Abzug der Praxismiete als Werbungskosten erreichen; außerdem sollte die Nutzungswertbesteuerung der Wohnung entfallen.

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Ein Gestaltungsmissbrauch liegt dagegen nicht vor, wenn das minderjährige Kind als Nießbraucher die ihm zur Nutzung überlassene Immobilie an fremde Dritte vermietet. Dann sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Kind zuzurechnen. Es handelt sich nicht um einen Fall des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten5. Nach dieser Rechtsprechung ist die auch nur befristete Übertragung der Einkunftsquelle nicht missbräuchlich, wenn sie beim Übertragenden nicht (zugleich) dazu dient, nicht abziehbare Unterhaltsleistungen in den Einkünftebereich zu verlagern. Unschädlich ist, wenn die Übertragung zugleich der Erfüllung einer Unterhaltspflicht dient. Die Entscheidung der Eltern, ob sie ihren Kindern Barunterhalt leisten oder ihnen (vorübergehend) eine Einkunftsquelle zuwenden, ist steuerlich grundsätzlich zu beachten6. Gleiches gilt, wenn Eltern ihren Kindern einen Vorteil zuwenden wollen, ohne zum Unterhalt in Geld verpflichtet zu sein.

Nach diesen Grundsätzen, an denen unter der Neufassung des § 42 AO festzuhalten ist, liegt ein Gestaltungsmissbrauch nicht vor.

Die Begründung des Nießbrauchs bewirkt im Streitfall lediglich eine Übertragung der Einkunftsquelle. Die Vermietungseinkünfte werden nicht mehr vom Eigentümer (den Eltern), sondern von den Nießbrauchern, den Kinder, erzielt. Ergibt sich daraus bei einer Gesamtbetrachtung ein steuerlicher Vorteil, so ist dies die Folge des steuerlich anzuerkennenden Sachverhalts und insofern gesetzlich „vorgesehen“7.

Ein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht nicht. Insbesondere werden nicht steuerlich unbeachtliche Unterhaltsaufwendungen in den Einkünftebereich verlagert. Die GmbH konnte die Geschäftsraummiete auch vor Begründung des Nießbrauchs als Betriebsausgabe abziehen. Durch die Zuwendung der Einkunftsquelle erwächst den Eltern der Kinder, von der Verlagerung der Einkünfte abgesehen, gegenüber der Zuwendung von versteuertem Einkommen kein steuerlicher Vorteil.

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Vor diesem Hintergrund bedarf die vom Finanzgericht aufgeworfene Frage keiner Vertiefung, ob die GmbH im Verhältnis zu den Kinder oder den Eltern eine fremde Dritte war. Der Sachverhalt unterscheidet sich auch insoweit maßgeblich von dem im BFH-Urteil vom 18.10.19908 zugrunde liegenden Sachverhalt, als die Kinder keinen Mietvertrag abgeschlossen, sondern einen bestehenden Mietvertrag übernommen und erfüllt haben. Soll die Einkunftsquelle Mietvertrag zugewendet werden, ist die Einräumung eines zeitlich befristeten Nießbrauchs der vom Gesetz vorgesehene Weg.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kinder keine Möglichkeit hatten, das Grundstück aktiv zu verwalten. Darauf kommt es nicht an. Es kann offenbleiben, ob die vom Finanzgericht zitierte ältere Rechtsprechung9 im Hinblick auf das Kriterium der „Verwaltung“ des Grundstücks durch den Nießbraucher mehr oder anderes zum Ausdruck bringen wollte, als dass der Nießbraucher im Außenverhältnis als Vermieter in Erscheinung treten muss. Die Verwaltungstätigkeit kann sich nur in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen entfalten. Dass die ordentliche Kündigung des Mietvertrags für die Laufzeit des Nießbrauchs ausgeschlossen war, der Nießbraucher also nicht aktiv eine anderweitige Vermietung ins Werk setzen konnte, spricht nicht gegen die steuerliche Anerkennung des Nießbrauchs, sondern gehört zu den rechtlichen Gegebenheiten. Denn der Nießbraucher tritt in das bestehende Mietverhältnis ein und ist daran gebunden. Mehr ist ihm nicht zugewandt worden.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Juni 2023 – IX R 8/22

  1. vgl. BFH, Urteile vom 19.11.2003 – IX R 54/00, BFH/NV 2004, 1079; und vom 06.09.2006 – IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406, unter II. 1.[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 24.10.2012 – IX R 24/11[]
  3. BFH, Urteil vom 13.05.1980 – VIII R 75/79, BFHE 131, 208, BStBl II 1981, 297[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 18.10.1990 – IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205[]
  5. BFH, Urteil vom 25.04.1995 – IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122, unter 1.c, m.w.N.[]
  6. zutreffend FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2016 – 11 K 2951/15, EFG 2017, 965[]
  7. vgl. auch BFH, Urteil vom 23.04.2021 – IX R 8/20, BFHE 272, 328, BStBl II 2021, 743, Rz 27[]
  8. BFH, Urteil vom 18.10.1990 – IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205[]
  9. z.B. BFH, Urteil vom 11.03.1976 – IV R 119/72, BFHE 118, 356, BStBl II 1976, 421[]