Die Vermögensanlage in „gebrauchte“ Lebensversicherungen ist kein Gewerbebetrieb. Erwirbt eine Anlagegesellschaft auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt „gebrauchte“ Lebensversicherungen, um die Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, unterhält sie damit auch bei hohem Anlagevolumen und der Einschaltung eines Vermittlers beim Erwerb der Versicherung keinen Gewerbebetrieb.
In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine deutsche Personengesellschaft, hatte auf Vermittlung einer US-amerikanischen Gesellschaft sog. „gebrauchte“ Lebensversicherungen auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt erworben. Dort bieten Versicherungsnehmer ihre Lebensversicherungen zum Kauf an, wenn sie diese weder fortführen noch kündigen wollen. Die Klägerin bezahlte für die erworbenen Lebensversicherungen während der Restvertragslaufzeit die Versicherungsprämien und zog bei Fälligkeit die Versicherungssummen ein. Ein Weiterverkauf der aus Eigenmitteln erworbenen Lebensversicherungen erfolgte nicht. Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich an, was ertragsteuerlich u.a. zur Folge gehabt hätte, dass die eingezogenen Versicherungssummen ungeachtet einer Spekulationsfrist bei der Klägerin zu Betriebseinnahmen geführt hätten.
Der Bundesfinanzhof folgte der Auffassung des Finanzamts nicht: Unter den im Streitfall vorliegenden Umständen sei nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit der Klägerin über eine private Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Das Finanzamt könne sich zur Begründung seiner Auffassung weder allein auf das Anlagevolumen oder den Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte noch auf die Einschaltung eines Vermittlers stützen. Vielmehr sei im Streitfall entscheidend, dass sich die Klägerin weder wie ein gewerblicher Händler, dessen Tätigkeit die planmäßige Umschichtung von Vermögenswerten kennzeichne, noch wie ein gewerblicher Dienstleister verhalte.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Eine Personengesellschaft erzielt –insoweit als Steuerrechtssubjekt bei der Ermittlung der Einkünfte1– gewerbliche Einkünfte, wenn die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG) betreiben2. Des Weiteren gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).
Die Klägerin ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft. Die Komplementärin der Klägerin ist von der Geschäftsführung gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen. Diese wird stattdessen von einer als Kommanditistin beteiligten GmbH wahrgenommen. Eine gewerbliche Prägung der Klägerin i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG scheidet daher aus. Für die Qualifikation der wirtschaftlichen Aktivität der Klägerin als Gewerbebetrieb sowie für eine Gewerbesteuerpflicht kommt es somit ausschließlich darauf an, ob die Klägerin originär gewerblich tätig war (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG).
Auch ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG liegt im Streitfall nicht vor.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH im Übrigen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet3.
Hinsichtlich der Abgrenzung des Gewerbebetriebs von privater Vermögensverwaltung werden für den Erwerb „gebrauchter“ Lebensversicherungen auf dem US-amerikanischen Sekundärmarkt durch Anlagegesellschaften von der Finanzverwaltung und jedenfalls in Teilen der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der Verwaltungsauffassung4 ist ein derartiger Erwerb ertragsteuerlich als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren, während im Schrifttum weitgehend von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit ausgegangen wird5.
Zur Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung hat der Bundesfinanzhof u.a. die nachfolgend ausgeführten Rechtsgrundsätze entwickelt, die für am Zweitmarkt erworbene Lebensversicherungen um wirtschaftsgutspezifische Gesichtspunkte zu ergänzen sind.
Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt6. Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird „die Vermögensverwaltung“ gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des BFH letztlich negativ danach bestimmt, „ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht“7.
Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist8. Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die –selbständig und nachhaltig ausgeübten– Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler9.
Das „Bild des Handels“ ist durch die Ausnutzung substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der „Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung“ durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten10. Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten11.
Das „Bild des gewerblichen Dienstleisters“ ist durch ein Tätigwerden für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde Rechnung geprägt12. Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung im Regelfall darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird13. Im Zusammenhang mit der gewerblichen Dienstleistung hat das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung in Gestalt einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (vgl. § 14 Satz 3 AO) keine rechtliche Bedeutung. Gewerblicher Dienstleister kann auch sein, wer keinerlei „Früchte aus Substanzwerten zieht“14.
Nach den vorgenannten Maßstäben gehen der Erwerb und das Halten „gebrauchter“ Lebensversicherungen sowie der Einzug der Versicherungssumme im Regelfall nicht über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinaus, wenn diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei Erwerb und Veräußerung beweglicher Sachen im Rahmen der Vermietung einzelner beweglicher Gegenstände; stellen diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit dar, so kann eine gewerbliche Vermietungstätigkeit –ausnahmsweise– erst in Betracht gezogen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Vermietungsleistung insgesamt das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Gegenstandes in den Hintergrund tritt15. Zwischen Erwerb und Verwertung einer „gebrauchten“ Lebensversicherung ist die Tätigkeit des Erwerbers regelmäßig in gleicher Weise auf Fruchtziehung ausgelegt wie die des ursprünglichen Versicherungsnehmers. Eine gewerbliche Tätigkeit des Erwerbers kommt daher auch hier nur in Betracht, wenn sich dieser „wie ein Händler“ oder „Dienstleister“ verhält; auch hier ist das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend.
Die gesetzlichen Regelungen über die Besteuerung der Leistungen aus Lebensversicherungen und der Gewinne aus ihrer Veräußerung sprechen gleichfalls dafür, dass der Zweiterwerb einer Lebensversicherung und die zeitlich spätere (möglicherweise gewinnbringende) Einziehung der Versicherungsleistung allein noch keine gewerbliche Tätigkeit begründen. Denn bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2008 waren derartige Veräußerungsvorgänge allenfalls als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. Dies verdeutlicht die Grundentscheidung des Gesetzgebers, derartige Vorgänge grundsätzlich dem privaten Bereich zuzuordnen. Die gleiche Grundentscheidung kommt in § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 200816 zum Ausdruck. Denn diese Norm qualifiziert Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf eine Versicherungsleistung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Dies vorausgesetzt, hat das Finanzgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Tätigkeit der Klägerin den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten hat. Das Finanzgericht hat seine Beurteilung –unter gleichzeitiger Ablehnung der nach Ansicht des Finanzamt vermeintlich für die Gewerblichkeit sprechenden Kriterien– maßgeblich darauf gestützt, dass die Klägerin keinen Handel mit erworbenen Versicherungsansprüchen betreibt. Diese Würdigung des Finanzgericht lässt keine Rechtsfehler, insbesondere keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen.
Der Erwerb, das Halten sowie der Einzug der Versicherungsleistungen „gebrauchter“ Lebensversicherungen gehen (auch) im Streitfall nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Bei der gebotenen wirtschaftsgutspezifischen Betrachtung entspricht die Tätigkeit der Klägerin nicht dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Insbesondere ist die Tätigkeit der Klägerin nicht mit den vorgenannten Berufsbildern, die dem Bild des Gewerbebetriebs entsprechen, vergleichbar. Auf der Grundlage der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Finanzgericht (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Klägerin einen gewerblichen Handel mit den erworbenen Lebensversicherungen betrieben oder gewerbliche Dienstleistungen erbracht hätte.
Handelbare Lebensversicherungen können zwar grundsätzlich Gegenstand händlertypischen Umschlags sein. Ein händlertypischer marktmäßiger Umschlag der im Streitfall erworbenen Lebensversicherungen findet jedoch –zumindest planmäßig– nicht statt. Denn die Klägerin erwirbt die („gebrauchten“) Versicherungsansprüche, um diese im Zeitpunkt des Versicherungsfalls einzuziehen. Dies entspricht nicht dem Bild des „Handels“, weil es bereits an einer für den Handel typischen „Veräußerung“ der erworbenen Ware fehlt.
Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Urteil des BFH vom 13.12.196117 die Einziehung einer Forderung zum Nennwert den Veräußerungstatbestand i.S. des § 23 Abs. 1 EStG erfüllt. Ob daran festzuhalten ist18, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn der Veräußerungstatbestand des § 23 EStG orientiert sich nicht an dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht, insbesondere nicht an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern. Folglich kann jene Rechtsprechung auch nicht zur Begründung eines händlertypischen Verhaltens der Klägerin herangezogen werden.
Zu keiner anderen Beurteilung führt auch, dass die Klägerin nach dem Gesellschaftsvertrag befugt ist, erworbene Lebensversicherungen weiter zu veräußern. Im Streitjahr fanden solche Veräußerungen nicht statt. Nach den Feststellungen des Finanzgericht ist die Geschäftstätigkeit der Klägerin auch nicht auf Veräußerungen ausgerichtet. Die gesellschaftsvertragliche Befugnis zur Weiterveräußerung ist vielmehr als Ausnahmeregelung für den Fall zu verstehen, dass die Klägerin vor Eintritt des Versicherungsfalls aufgelöst und liquidiert wird. Damit fehlt es aber an der Planmäßigkeit eines marktmäßigen Umschlags. Insgesamt ist die Teilnahme der Klägerin am Marktgeschehen demnach auf die Abnahme gehandelter Ware in Form von Lebensversicherungen beschränkt. Nicht festgestellt oder sonst ersichtlich ist dagegen, dass die Klägerin als Anbieterin am Markt auftritt.
Der Tätigkeit der Klägerin liegt auch keine gewerbliche Dienstleistung zu Grunde. Für eine Dienstleistungstätigkeit fehlt es bereits an einem Tätigwerden für Andere, denn hierzu zählen nicht die an der Klägerin beteiligten Kommanditisten bzw. Treuhandkommanditisten. Zudem erfolgen die Weiterzahlung der Versicherungsbeiträge sowie das Einziehen der Versicherungssummen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausschließlich für eigene Rechnung. Schließlich wird das Fehlen eines Tätigwerdens für fremde Rechnung auch durch den Gesellschaftszweck unterstrichen. Danach sind Tätigkeiten nach § 34c der Gewerbeordnung, Bankgeschäfte sowie Finanzdienstleistungen im Sinne des deutschen Kreditwesengesetzes ausdrücklich ausgeschlossen.
Schließlich führt auch der Vergleich mit dem Berufsbild eines Factors im Streitfall nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin.
Beim Factoring-Geschäft wird regelmäßig ein Rahmenvertrag zwischen dem Factor und dem sog. Anschlusskunden als längerfristiges Schuldverhältnis geschlossen. Dabei verpflichtet sich der Anschlusskunde, Forderungen eines bestimmten Geschäfts dem Factor anzudienen, während sich der Factor verpflichtet, die vom Factoringvertrag erfassten Forderungen zu erwerben, was sodann durch die jeweils konkreten Andienungsverträge geschieht. Zivilrechtlich wird zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden. Beide Ausgestaltungen haben den Finanzierungsaspekt als gemeinsamen Nenner, also die Liquidierung der Außenstände des Anschlusskunden19.
Beim echten Factoring erwirbt der Factor die Forderungen seines Anschlusskunden endgültig (Forderungskauf i.S. der §§ 433, 453 BGB) und trägt demzufolge das Risiko des Forderungsausfalls, während der Anschlusskunde den Kaufpreis, den der Factor für die Forderung bezahlt, endgültig behalten darf (endgültige Finanzierung der Forderung). Wegen der Übernahme der Delkredere-Funktion durch den Factor treten beim echten Factoring etwaige Dienstleistungsfunktionen gegenüber dem Anschlusskunden regelmäßig in den Hintergrund. Der Forderungseinzug geschieht auf eigene Rechnung und im eigenen Interesse des Factors. Beim echten Factoring betreibt der Factor folglich keinen Handel mit Forderungen, und auch Dienstleistungen gegenüber Dritten werden grundsätzlich nicht erbracht. Ob seine Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt, ist daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Hieraus lassen sich jedoch keine allgemeinen Vergleichsmaßstäbe entwickeln, die auch im Streitfall zur Anwendung kommen könnten.
Auch beim unechten Factoring übernimmt der Factor die Forderung seines Anschlusskunden gegen Vergütung und wird zum Einzug im eigenen Namen ermächtigt. Wird die Forderung uneinbringlich, muss jedoch der Anschlusskunde die vorschussweise erhaltene Vergütung zurückbezahlen. Das Risiko des Forderungsausfalls verbleibt demnach beim Anschlusskunden, weshalb es sich wirtschaftlich um eine vorläufige Finanzierung der erworbenen Forderung handelt20. Da der Factor keine Delkredere-Funktion übernimmt, treten regelmäßig Dienstleistungspflichten der Factors (z.B. Buchhaltung, Inkasso und Mahnwesen) in den Vordergrund. Der Forderungseinzug geschieht wirtschaftlich für fremde Rechnung.
Danach ist die Tätigkeit der Klägerin mit der eines unechten Factors nicht vergleichbar. Denn das Ausfallrisiko geht mit dem Versicherungsanspruch endgültig auf die Klägerin über. Die beim unechten Factoring typischerweise in den Vordergrund tretenden Dienstleistungspflichten sind mit der Tätigkeit der Klägerin nicht verbunden.
Der Würdigung der Tätigkeit der Klägerin als Vermögensverwaltung steht schließlich nicht entgegen, dass sich die Fruchtziehung nicht in einem laufenden (wiederkehrenden) Ertrag (Zinsen oder Dividenden) charakterisiert, sondern in der Differenz zwischen der vereinnahmten Versicherungssumme und dem geleisteten Kaufpreis. Denn die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Ertragserwartung in der Anspruchsrealisierung liegt21.
Das im Streitfall entwickelte Anlagevolumen (Fondskapital) ist kein ausschlaggebendes Indiz für eine gewerbliche Betätigung der Klägerin. Der Einsatz umfangreicher finanzieller Mittel kommt bei Kapitalanlagen sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre vor. Dabei ist kein Rechts- oder Erfahrungssatz ersichtlich, dass mit steigendem Kapitaleinsatz (zwingend) ein Übergang zur gewerblichen Betätigung einhergeht. Die „Höhe des Anlagevolumens“ ist schon wegen ihrer Unbestimmtheit kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Ohne Bedeutung für den Streitfall ist daher auch der Umfang der von der Klägerin getätigten Rechtsgeschäfte22. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem BFH-Beschluss vom 4. Juli 200223 und dem BFH-Urteil in BFHE 218, 18324 entnehmen. Soweit der Bundesfinanzhof in jenen Entscheidungen auf eine quantitative Größe („große Anzahl“) abgestellt hat, bezog sich dies auf die Würdigung des Umfangs von Verkäufen zur Erzielung eines Totalgewinns. Verkäufe der von ihr erworbenen Wirtschaftsgüter, deren Zahl den händlertypischen marktmäßigen Umschlag von Sachwerten indizieren könnte, hat die Klägerin indes nicht getätigt.
Das Finanzgericht hat dem Umstand, dass die Klägerin eine Settlement-Gesellschaft eingeschaltet hat, zu Recht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Denn allein die Nutzung fremder (Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertise sowie die Inanspruchnahme fremder Dienste (z.B. Bewertung der auf dem Markt angebotenen Lebensversicherungsverträge, Vermittlung der Verträge, Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls, Einziehung der Versicherungssumme für die Klägerin) begründen noch kein hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb25; dies gilt selbst dann, wenn Dienstleistungen in erheblichem Umfang in Anspruch genommen werden. In Ermangelung einer Rechtsgrundlage ist die Tätigkeit der Settlement-Gesellschaft auch nicht der Klägerin mit der Folge zuzurechnen, dass eine möglicherweise gewerbliche Tätigkeit oder geschäftsmäßige Organisation jener Gesellschaft auf die Tätigkeit der Klägerin abfärbt.
Auch der Hinweis darauf, dass sich eine Anlagegesellschaft wie die Klägerin eines Marktes bediene (Zweitverwertungsmarkt in den USA), den sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg genau beobachten müsse, zeigt keinen Umstand auf, der die Gewerblichkeit der Tätigkeit der Klägerin begründen könnte. Unabhängig davon, ob eine genaue Marktbeobachtung beim Zweiterwerb von Lebensversicherungen für einen wirtschaftlichen Erfolg überhaupt erforderlich ist, wenn diese –wie im Streitfall– nicht weiterveräußert werden26, ist die Marktbeobachtung sowohl im betrieblichen als auch im privaten Bereich dazu bestimmt, wirtschaftliche Tendenzen zu erkennen und ggf. darauf zu reagieren. Deshalb bildet auch eine etwa erforderliche Marktbeobachtung allein kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit. Zudem wurde nach dem Vortrag des Finanzamt die Marktbeobachtung im Streitfall weitestgehend durch die Settlement-Gesellschaft und nicht durch die Klägerin durchgeführt.
Schließlich ist dem Finanzgericht darin beizupflichten, dass die Übernahme eines „unternehmerischen Risikos“, verstanden als wirtschaftliche Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg einer Investition, ebenfalls kein für die Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung geeignetes Kriterium bildet. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit, insbesondere aufgrund ihrer Anlagestrategie, einen wirtschaftlichen Totalverlust erleiden könnte. Jedenfalls kann ein derartiges Risiko sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre auftreten27. Es beeinflusst daher nicht die hier zu beurteilende Qualifikation der Einkünfte der Klägerin als Personengesellschaft. Ob den Kommanditisten der Klägerin eine gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens, also ein Mitunternehmerrisiko28, vermittelt wird, ist vorliegend nicht von Bedeutung; im Übrigen setzte dies eine gewerblich tätige Personengesellschaft voraus.
Überschreitet im Streitfall die Tätigkeit der Klägerin schon nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung, braucht nicht entschieden zu werden, ob bzw. welche der in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Merkmale durch die Betätigung der Klägerin erfüllt werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Oktober 2012 – IV R 32/10
- z.B. BFH, Urteil vom 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 2246, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.b aa (1) der Gründe; seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 31.05.2007 – IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2. der Gründe[↩]
- BMF, Schreiben vom 22.09.2005 – IV B 2 -S 2240- 55/05, nicht veröffentlicht; OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 28.05.2004 – S 2240 A – 32 – St – II 2.02, DStR 2004, 1386, geändert durch Verfügung in DStR 2006, 1458; OFD Hannover,Verfügung vom 09.06.2004 – S 2240-346-StH 241, S 2240-176-StO 221[↩]
- vgl. Biagosch/Greiner, DStR 2004, 1365 ff.; Fleischer/Karten, BB 2004, 1143; Lohr, DB 2004, 2334, 2335; Bader/Weidinger, NWB Fach 3, 12947 ff. –Heft 30/2004–; Meyer-Scharenberg, DStR 2006, 1437; Hensell/Reibis, DStR 2008, 87, 90; Hartrott, Finanz-Rundschau 2008, 1095, 1101 ff.; Böhm, Besteuerung von auf dem Zweitmarkt erworbenen deutschen Lebensversicherungen, 87, 105 ff.; offengelassen: Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 154; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1170; Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 15 Rz 92[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1. der Gründe, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 25.07.2001 – X R 55/97, BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809, unter II.2.d der Gründe, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II. der Gründe, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15.03.2005 – X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II.1.b der Gründe[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.b der Gründe, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.a der Gründe[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 29.10.1998 – XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II.2.b der Gründe; vom 20.12.2000 – X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.3.f der Gründe[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2008, 774, unter II.2.e bb der Gründe, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.2.e aa der Gründe[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.c der Gründe[↩]
- vom 14.08.2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630[↩]
- BFH, Urteil vom 13.12.1961 – VI 133/60 U, BFHE 74, 331, BStBl III 1962, 127[↩]
- ausdrücklich offengelassen im BFH, Urteil vom 18.10.2006 – IX R 7/04, BFHE 215, 193, BStBl II 2007, 258, unter II.2.b der Gründe, mit Nachweisen zum Diskussionsstand[↩]
- von Westphalen in Röhricht/von Westphalen, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Besondere Handelsverträge, Factoring Rz 2[↩]
- von Westphalen in Röhricht/von Westphalen, a.a.O., Besondere Handelsverträge, Factoring Rz 13[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.2.b der Gründe; vom 30.07.2003 – X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II.2.c der Gründe[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II.3.a cc der Gründe[↩]
- BFH, Beschluss vom 04.07.2002 – IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559, unter 1.b cc der Gründe[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.f der Gründe[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 10.04.2006 – X B 209/05, BFH/NV 2006, 1461, unter 3. der Gründe[↩]
- vgl. Meyer-Scharenberg, DStR 2006, 1437, 1443[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 – Verluste aus dem Handel mit Wertpapieren waren dort der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 31.05.2012 – IV R 40/09, BFH/NV 2012, 1440[↩]










