Eine Leistung in das Nennkapital einer AG liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum Erlöschen bringt. Im Fall der wirtschaftlichen Neugründung lebt die durch die Einlageleistung der Gründer bereits erloschene Einlageforderung der AG nicht wieder auf. Eine im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Neugründung erbrachte Einlage ist nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG im steuerlichen Einlagekonto auszuweisen, sofern sie nicht zur Erfüllung noch nicht eingeforderter ausstehender Einlagen erbracht worden ist.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte eine mit einem Grundkapital in Höhe von 50.000 € errichtete Aktiengesellschaft geklagt. Nach dem Jahresabschluss zum 31.12.2017 verfügte die Aktiengesellschaft über ein Bankguthaben in Höhe von 187, 50 €. Auf der Passivseite der Bilanz wurden ein Fehlbetrag in Höhe von 854, 24 € und ein Verlustvortrag in Höhe von 14.229, 84 € ausgewiesen. Vom gezeichneten Kapital in Höhe von 50.000 € standen 37.500 € noch aus. Mit notariellem Vertrag vom 20.07.2018 wurden die 50 000 nennwertlosen Stückaktien der Aktiengesellschaft an einen neuen Alleingesellschafter veräußert. Am 25.07.2018 beschloss die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft eine neue Satzung, änderte die Firma in A AG und verlegte den Sitz nach H und änderte den Unternehmensgegenstand. Der neue Alleinaktionär wurde Vorstand. Am 10.09.2018 überwies er 12.500 € unter dem Verwendungszweck „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ auf das Girokonto der Aktiengesellschaft. Mit der Anmeldung zum Handelsregister gab die Aktiengesellschaft an, es habe eine wirtschaftliche Neugründung stattgefunden. Die Anmeldung enthielt die Versicherung, dass die Aktiengesellschaft mindestens über ein Gesellschaftsvermögen in Höhe von einem Viertel der Grundkapitalziffer (also mindestens 12.500 €) verfüge und dass das Vermögen endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehe.
Mit Erklärung vom 08.01.2020 zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 gab die Aktiengesellschaft den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs mit 0 € und im Wirtschaftsjahr geleistete Einlagen von 2.827 € und 12.500 € an. Im Jahresabschluss zum 31.12.2018 wies die Aktiengesellschaft auf der Passivseite ein gezeichnetes Kapital in Höhe von 50.000 € aus (37.500 € ausstehende Einlagen und 12.500 € Kapitalrücklage). Das Finanzamt folgte dem nicht. Die Einzahlung von 12.500 € im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung sei in das Nennkapital geleistet worden. Mit Bescheid zum 31.12.2018 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 es im Streitzeitraum anzuwendenden Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom 08.04.2020 stellte das Finanzamt den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 2.827 € fest.
Das Finanzgericht Münster hat der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage stattgegeben und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 mit 15.327 € festgestellt; die Einzahlung in Höhe von 12.500 € vom 10.09.2018 sei nicht in das Nennkapital geleistet worden und erhöhe deshalb den Bestand des steuerlichen Einlagekontos1. Die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen:
Ohne Rechtsfehler hat das Finanzgericht erkannt, dass die im Streitjahr geleistete Einlage von 12.500 € den Bestand des steuerlichen Einlagekontos auf 15.327 € erhöht hat, da sie nicht in das Nennkapital geleistet worden ist.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto bezweckt, die im Fall der Einlagenrückgewähr (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht steuerbaren Bezüge von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren2. Ausgenommen sind in das Nennkapital geleistete Einlagen. Sie werden nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst. Dabei handelt es sich um das durch Einlagen aufgebrachte (echte) Nennkapital. Zwar ist auch dessen Rückzahlung nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG), es bedarf insoweit aber keiner gesonderten Feststellung, weil das Nennkapital bereits in der Bilanz gesondert ausgewiesen wird.
Eine Leistung in das Nennkapital einer AG liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum Erlöschen bringt.
Nennkapital einer AG ist das in der Satzung bestimmte Grundkapital (§§ 5, 6 AktG). Nach der Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 29 AktG) im Zuge der Errichtung muss die Gesellschaft vor der Anmeldung zum Handelsregister einen Teil der Einlage von den Aktionären einfordern, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind (§ 36 Abs. 2, § 36a Abs. 1 AktG). Die Aktionäre müssen die geschuldete und eingeforderte Einlage zur freien Verfügung des Vorstands einzahlen (§ 54 Abs. 3 AktG). Geschieht dies, bewirken die Aktionäre eine Einzahlung in das Nennkapital. Sie bringen dadurch in Höhe der geleisteten Einlage die Einlageforderung der Gesellschaft durch Erfüllung zum Erlöschen (§ 362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs); in Höhe der noch nicht eingeforderten und noch nicht erbrachten Einlage bleiben sie zur Leistung verpflichtet.
In der Handelsbilanz wird das Grundkapital der Gesellschaft als gezeichnetes Kapital ausgewiesen (§ 266 Abs. 3 HGB), wobei die ausstehenden (noch nicht eingeforderten und noch nicht geleisteten) Einlagen auf das gezeichnete Kapital von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen sind (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB). Aus der Bilanz ist mithin ersichtlich, in welcher Höhe Einzahlungen in das Nennkapital erbracht worden sind und in welcher Höhe das Nennkapital noch als Forderung gegen die Gesellschafter fortbesteht (ausstehende Einlagen).
Mit der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister ist unter anderem nachzuweisen, dass der auf die eingeforderte Einlage eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AktG); bei Einzahlung auf ein Bankkonto der Gesellschaft ist der Nachweis durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu führen (§ 37 Abs. 1 Satz 3 AktG).
Im Fall einer wirtschaftlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden3. Das bedeutet, dass die wirtschaftliche Neugründung beim Registergericht anzumelden ist, um diesem eine (erneute) Gründungsprüfung zu ermöglichen und sicherzustellen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Neugründung über ein Vermögen in Höhe der auf das Grundkapital geleisteten Einlagen tatsächlich noch verfügt4. Unterbleibt die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung, haftet der Gesellschafter begrenzt auf eine Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung getreten ist5.
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung der Aktiengesellschaft, wie vom Finanzgericht zutreffend entschieden, nicht in das Nennkapital der Gesellschaft geleistet.
Bei der Überweisung vom 10.09.2018 in Höhe von 12.500 € auf das Girokonto der Aktiengesellschaft handelte es sich unstreitig um eine Einlage6.
Der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft hat im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung nicht auf die ausstehenden Einlagen geleistet. Das hat das Finanzgericht in tatsächlicher Hinsicht und für den Bundesfinanzhof bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt. In der Bilanz der Aktiengesellschaft zum 31.12.2018 sind die ausstehenden Einlagen unverändert mit 37.500 € ausgewiesen. Der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft wollte mit der Einzahlung von 12.500 € zudem erkennbar nur die Voraussetzungen für die Eintragung der wirtschaftlichen Neugründung erfüllen. Insofern bestand keine Veranlassung, auf die ausstehenden Einlagen zu leisten. Weder hatte die Aktiengesellschaft diese eingefordert noch wäre eine Zahlung auf die ausstehenden Einlagen geeignet gewesen, die bis zur wirtschaftlichen Neugründung entstandene Unterbilanz zu beseitigen.
Der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft hat auch nicht (erneut) auf die bei Gründung der Aktiengesellschaft bereits eingezahlte Einlage geleistet. Im Streitfall war bei Gründung der Aktiengesellschaft entsprechend § 36a Abs. 1 AktG ein Viertel des gezeichneten Kapitals eingezahlt worden. Insoweit ist die ursprüngliche Einlageforderung der Aktiengesellschaft durch Erfüllung erloschen. Eine erneute Leistung auf diese bereits erloschene Forderung war nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung. Zu Recht hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, dass bereits eingezahltes Nennkapital bilanziell unverändert auszuweisen ist, solange nicht eine Kapitalherabsetzung erfolgt oder das Nennkapital nach Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt wird. Der Rechtsprechung des BGH ist nicht zu entnehmen, dass eine durch Einlageleistung der Gründer bereits erloschene Einlageforderung der Kapitalgesellschaft im Fall der wirtschaftlichen Neugründung wiederauflebt. Insofern erscheint die Formulierung des Finanzgerichtes, wonach das Nennkapital „wiederaufgefüllt“ werden müsse, zumindest missverständlich. „Wiederaufgefüllt“ werden muss -zur Vermeidung einer Unterbilanzhaftung- das Vermögen der Gesellschaft, soweit es den Betrag der bei der Gründung nachzuweisenden Mindesteinzahlung auf das Grundkapital im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung unterschreitet7. Diese Einzahlung dient dem Gläubigerschutz und soll gewährleisten, dass im Fall der wirtschaftlichen Neugründung die Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung wie im Fall der Gründung beachtet werden8. Das bedeutet nicht, dass (erneut) in das Nennkapital geleistet werden muss oder geleistet werden kann. Dem Gläubigerschutz ist in gleicher Weise genügt, wenn die Einzahlung bei der Gesellschaft als Kapitalrücklage erfasst wird.
Unerheblich ist, dass der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft als Verwendungszweck der Einzahlung „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ angegeben hat. Dabei handelte es sich, wie das Finanzgericht zu Recht ausgeführt hat, um eine unschädliche Falschbezeichnung. Der Sache nach handelt es sich um eine Einzahlung in die Kapitalrücklage, die den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erhöht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. Februar 2025 – VIII R 22/22
- FG Münster, Urteil vom 28.09.2022 -9 K 1869/20 F[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 06.10.2009 – I R 24/08, BFH/NV 2010, 248, unter B.I. 1., m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, unter III. 1.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2007 – II ZR 302/05, BGHZ 171, 293, unter II. 1.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2012 – II ZR 56/10, BGHZ 192, 341, unter II. 3.b bb[↩]
- zum Begriff BFH, Urteil vom 30.11.2005 – I R 26/04, BFH/NV 2006, 616, unter B.I. 3.b, m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, Rz 12[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 07.07.2003 – II ZB 4/02, BGHZ 155, 318, unter III. 2.[↩]
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