Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG haben Arbeitnehmer nicht nur Löhne und Gehälter sondern alle geldwerten Vorteile, die sie als Arbeitsentgelt erhalten, zu versteuern. Dagegen sind Vorteile, die der Arbeitgeber nicht als Entlohnung, sondern aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, nicht steuerbar. Ermöglicht ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die kostenlose Einahme von Mahlzeiten, so unterliegt daher diese Verpflegung durch den Arbeitgeber der Lohnsteuerpflicht. Mit einer Ausnahme von diesem Grundsatz hatte sich jetzt der Bundesfinanzhof zu befassen, der entschied, dass der Vorteil aus einer unentgeltlichen Verpflegung durch den Arbeitgeber bei Bordpersonal von Flusskreuzfahrtschiffen ausnahmsweise nicht der Lohnsteuer unterliegt. Dies gilt allerdings nur, wenn die Verpflegung an Bord wegen der besonderen betrieblichen Abläufe im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegt.

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall führte die Klägerin mit gemieteten Schiffen grenzüberschreitende Flusskreuzfahrten durch. Dabei stellte sie auf den Schiffen das gesamte technische und überwiegend auch nichttechnische Personal, das während der Kreuzfahrten freie Unterkunft sowie freie Verpflegung erhielt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die dem Personal jeweils unentgeltlich gewährte Gemeinschaftsverpflegung an Bord der Schiffe als geldwerter Vorteil der Lohnsteuer unterliege, und erließ einen entsprechenden Lohnsteuernachforderungsbescheid.
Die hiergegen gerichtete Klage des Arbeitgebers wurde vom Finanzgericht Nürnberg zurückgewiesen1. Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil nun jedoch auf:
Der Bundesfinanzhof bestätigte zwar, dass die unentgeltliche Zuwendung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber in der Regel Arbeitslohn darstellt. Wegen der besondereren betrieblichen Abläufe an Bord eines Flusskreuzfahrtschiffes könne es sich jedoch im Streitfall bei der unentgeltlichen Gemeinschaftsverpflegung der Besatzungsmitglieder ausnahmsweise auch um eine von der Arbeitsleistung losgelöste betriebliche und damit steuerfreie Maßnahme des Arbeitgebers handeln. Ob dies in dem Fall des Klägers tatsächlich so ist, muss allerdings das Finanzgericht Nürnberg noch prüfen.
Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind2.
Die Mahlzeit als steuerpflichtiger Arbeitslohn oder als Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen
Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für“ seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche, in erster Linie vom FG als Tatsacheninstanz vorzunehmende Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen.
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer wiegt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber –neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers– ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung3. Diese Grundsätze kommen auch zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Speisen und Getränke unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellt4, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass Verpflegungsaufwendungen grundsätzlich den für die Einkünfteermittlung unbeachtlichen Bereich der Lebensführung betreffen5.
Besonderheiten der Flusskreuzfahrt
Nach diesen Grundsätzen hält die Gesamtwürdigung des Finanzgerichts Nürnberg, dass die Gewährung kostenloser Verpflegung an Bord der Schiffe nicht in erster Linie durch das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst gewesen sei, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar hat das Finanzgericht zu Recht im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt, dass in der Regel in der unentgeltlichen Zuwendung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber Arbeitslohn anzunehmen ist. Im Streitfall geht es aber darum, ob durch den mit der Unentgeltlichkeit verbundenen Vorteil die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zusätzlich entgolten werden soll oder ob es sich um eine von der Arbeitsleistung losgelöste betriebliche Maßnahme des Arbeitgebers handelt.
Soweit das Finanzgericht im Übrigen bei seiner Gesamtwürdigung eine der Hochseeschifffahrt vergleichbare betriebsfunktionale Zwangslage verneint hat, weil die Besatzungsmitglieder zumindest in ihrer Freizeit das Schiff jeweils für Besorgungsgänge verlassen könnten, beruht diese Einschätzung nicht auf Tatsachenfeststellungen. Das Finanzgericht hat insoweit die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin, das Personal dürfe während der Reisen nicht an Land gehen, nicht überprüft, sondern das Gegenteil angenommen. Es hat damit seine Würdigung insoweit ohne hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage vorgenommen. Fehlt die nachvollziehbare Ableitung der Folgerungen aus den tatsächlichen Feststellungen, so liegt entweder ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung zu beachten ist, oder ein gleichermaßen beachtlicher Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO6.
Darüber hinaus hat das Finanzgericht zu Unrecht auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Räumlichkeiten auf den Schiffen eine Selbstversorgung der Arbeitnehmer zuließen. Es hat dazu lediglich ausgeführt, dass die von der Klägerin behaupteten räumlich engen Verhältnisse eher gegen als für eine aus betrieblichen Gründen gewährte gemeinschaftliche Verpflegung des Schiffspersonals sprächen. Nähere Einzelheiten zu der Frage, ob die Arbeitnehmer Lebensmittel aufbewahren und selbst zubereiten konnten, hat das Finanzgericht nicht festgestellt.
Im zweiten Rechtsgang wird das Finanzgericht Nürnberg die Umstände neu würdigen und insbesondere dazu Feststellungen treffen müssen, ob aufgrund der besonderen Situation auf einem Flusskreuzfahrtschiff ein arbeitsablaufbedingtes Interesse der Klägerin an der unentgeltlichen Gewährung der Verpflegung bestand7. In diesem Zusammenhang wird das Finanzgericht dem genannten Aspekt der Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin und dem Ausmaß der Bereicherung des einzelnen Arbeitnehmers Beachtung schenken müssen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung kann auch von Bedeutung sein, ob die Arbeitnehmer auf die Gestellung von Verpflegung einen arbeitsrechtlichen Anspruch hatten und ob die Klägerin eine Brutto- oder Nettolohnvergütung schuldete.
Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen
Sollte das Finanzgericht Nürnberg im zweiten Rechtsgang erneut zu der Auffassung kommen, dass die kostenlose Verpflegung Arbeitslohn darstellt, wird es nach dieser Entscheidung weiter zu berücksichtigen haben, dass der betreffende Arbeitslohn gemäß § 3 Nr. 16 EStG nur insoweit steuerbar ist, als der Vorteil aus der unentgeltlichen Verpflegung die steuerlichen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen überschreitet8.
Nach § 3 Nr. 16 EStG sind die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber u.a. zur Erstattung von Reisekosten erhalten, steuerfrei, soweit sie bei Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht überschreiten. Nach der Rechtsprechung des Senats greift die Steuerfreiheit auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht einen Geldbetrag, sondern die damit zu erbringende Leistung unmittelbar zuwendet9.
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG wird ein erwerbsbedingter Mehraufwand an Verpflegung typisierend in Form gestaffelter Pauschbeträge und lediglich unter der Voraussetzung steuerlich berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer sich aus beruflichen Gründen auf einer Auswärtstätigkeit befunden haben. Der Bundesfinanzhof verweist insoweit auf seine geänderte Rechtsprechung10. Danach ist eine Auswärtstätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer entweder vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (Tätigkeitsmittelpunkt) entfernt beruflich tätig wird (Satz 2 der genannten Vorschrift) oder dass der Arbeitnehmer typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird und damit über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit nicht verfügt (Satz 3 der genannten Vorschrift)11. Davon ist hier auszugehen. Denn ein Arbeitnehmer übt auf einem Schiff eine Fahrtätigkeit aus12.
Rabattfreibetrag
Darüber ist zu prüfen, ob auf die Gemeinschaftsverpflegung der Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 EStG) Anwendung findet. Ein Belegschaftsrabatt käme hier in Betracht, wenn Passagiere und Besatzungsmitglieder aus derselben Küche verpflegt worden sind.
Erhält ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind unter Waren und Dienstleistungen solche aus dem Liefer- und Leistungsangebot des Arbeitgebers zu verstehen13. Der Formulierung, dass die Waren oder Dienstleistungen vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht sein dürfen, ist zu entnehmen, dass sie überwiegend oder zumindest in gleichem Umfang für bzw. an andere Abnehmer als die Belegschaft hergestellt, vertrieben oder erbracht sein müssen14. Danach sind allein für den Arbeitnehmerbedarf hergestellte, vertriebene Waren und erbrachte Dienstleistungen außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs des Arbeitgebers von der Vergünstigung ausgenommen15. Dies trifft grundsätzlich etwa auf die Gewährung von verbilligten Mahlzeiten in fremden Gaststätten oder in der eigenen Kantine zu16.
Im Streitfall wurden die Speisen vorrangig nur für die Passagiere zubereitet und dargeboten. Die Bewertungsregelung des § 8 Abs. 3 EStG könnte deshalb zum Zuge kommen, wenn von der Arbeitgeberin hergestellte Speisen auch den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt wurden. Dabei ist es, so der Bundesfinanzhof weiter, nicht entscheidend, ob die den Passagieren gereichten Speisen in gleicher Weise auch den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt wurden. Da nämlich mit der einschränkenden Voraussetzung des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG lediglich die Begünstigung eines überbetrieblichen Belegschaftshandels ausgeschlossen werden soll17, kommt es nur darauf an, dass die Leistung der streitigen Art –hier die Zubereitung von Speisen– überhaupt zur Produktpalette des Arbeitgebers gehört.
§ 8 Abs. 3 EStG kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn die Klägerin ihren Antrag auf Pauschalierung gemäß § 40 EStG vor Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Bescheids zurücknimmt. Denn § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG hat auch zur Voraussetzung, dass die für den geldwerten Vorteil zu erhebende Lohnsteuer nicht nach § 40 EStG pauschaliert wird.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Januar 2010 – VI R 51/08
- FG Nürnberg, Urteil vom 17.04.2008 – K 106/2007[↩]
- BFH, Urteil vom 30.04.2009 – VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 22.06.2006 – VI R 21/05, BFHE 214, 252, BStBl II 2006, 915; und vom 22.07.2008 – VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151[↩]
- BFH, Urteile vom 05.05.1994 – VI R 55-56/92, BFHE 174, 425, BStBl II 1994, 771; vom 07.12.1984 – VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164; vom 04.08.1994 – VI R 61/92, BFHE 175, 271, BStBl II 1995, 59; und vom 19.11.2008 – VI R 80/06, BFHE 223, 410, BStBl II 2009, 547[↩]
- BFH, Urteil vom 18.08.2005 – VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30[↩]
- BFH, Urteil vom 28.08.2008 – VI R 35/05, BFHE 223, 1, BStBl II 2009, 108[↩]
- siehe dazu BFHE 174, 425, BStBl II 1994, 771[↩]
- vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 175, 271, BStBl II 1995, 59; in BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 223, 410, BStBl II 2009, 547[↩]
- u.a. in BFH, Urteil vom 11.05.2005 – VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789[↩]
- BFH, Urteil vom 18.07.2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59[↩]
- BFH, Urteil vom 19.12.2005 – VI R 30/05, BFHE 212, 218, BStBl II 2006, 378; Schmidt/ Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 19 Rz 60, Stichwort Fahrtätigkeit; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach –HHR–, § 9 EStG Rz 287[↩]
- BFH, Urteil vom 27.08.2002 – VI R 63/97, BFHE 200, 243, BStBl II 2002, 881[↩]
- BFH, Urteil vom 16.02.2005 – VI R 46/03, BFHE 209, 214, BStBl II 2005, 529[↩]
- Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 8 Rz 69[↩]
- HHR/Birk/Kister, § 8 EStG Rz 160[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 200, 243, BStBl II 2002, 881[↩]