Der Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung des Unternehmers ist nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG ausgeschlossen, soweit es sich bei den hierfür aufgewendeten Beträgen um unverzichtbare Aufwendungen für die private Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handelt1. Es bleibt offen, ob das Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ist streitig, ob die klagenden Trauerredner den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Anschaffungs- und Reinigungskosten von Kleidung beanspruchen können oder ob dem das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG entgegensteht. Die in den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) miteinander verheirateten Eheleute waren als Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Die Ehefrau übte diese Tätigkeit bis einschließlich September 2008 unternehmerisch aus. Danach war sie im Unternehmen des Ehemanns als Angestellte nichtselbständig tätig. Die Ehefrau zog in ihren Anmeldungen für das Streitjahr 2008 und der Ehemann in seinen Anmeldungen für alle Streitjahre die in Rechnungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) ausgewiesene Steuer als Vorsteuer ab.
Im Anschluss an bei ihnen durchgeführte Außenprüfungen gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass diese Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien. Auf Grund der Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt entsprechende Umsatzsteuer-Änderungsbescheide. In dem sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren anschließenden Klageverfahren machten die beiden Trauerredner die streitigen Vorsteuerbeträge jeweils nur noch zur Hälfte geltend. Die Klage wies das Finanzgericht Berlin-Brandenburg ab2, weil es sich um Kosten der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handele. Die hiergegen gerichteten Revisionen der beiden Trauerredner wies der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück:
Nicht abziehbar sind nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG gilt. Nach dem durch die Verweisung des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG in Bezug genommenen § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG erfasst das Abzugsverbot Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Bei den Aufwendungen der Ehemann handelt es sich um derartige Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Denn nach dem zwischen den Beteiligten zur Einkommensteuer ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs3 sind Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbar. Anderes gilt nur für „typische Berufskleidung“, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann. Letzteres ist im Streitfall zu verneinen, wobei der Bundesfinanzhof zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses BFH, Urteil verweist.
Der hieran geäußerten Kritik4, wonach Aufwendungen für bürgerliche Kleidung nur dann vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum zu berücksichtigen seien5, zumal schwarze Anzüge außerhalb einer beruflichen Tätigkeit kaum getragen würden, ist nicht zu folgen. Denn unter Berücksichtigung der vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs vorgenommenen Wertungen ist davon auszugehen, dass der Begriff der typischen Berufskleidung nur Kleidungsstücke umfasst, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet sind, woran es fehlt, wenn ihre Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt6.
Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, ob das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist7. In Betracht kommt dabei, dass das Abzugsverbot entweder gegen die sog. Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) verstößt, wonach bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen i.S. des Art. 176 Abs. 1 MwStSystRL die Mitgliedstaaten (nur) alle Ausschlüsse des Vorsteuerabzugs beibehalten können, die (bereits) am 01.01.1979 vorgesehen waren, oder dass die Nichtabziehbarkeit der Vorsteuerbeträge Art. 176 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL entspricht, wonach in jedem Fall diejenigen Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben (wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen).
Denn die Trauerredner haben sich nicht auf die Bestimmungen der MwStSystRL berufen. Dies wäre jedenfalls nach den Verhältnissen des Streitfalls erforderlich gewesen, da im Trennungs- und Verweisungsbeschluss vom 13.12.2021 – VIII R 33/18 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG zumindest in Teilen des Schrifttums für unionsrechtswidrig gehalten wird. Bei dieser Sachlage ist es dem Bundesfinanzhof verwehrt, eine Berufung der Ehemann auf das für sie unter Umständen günstigere Unionsrecht zu unterstellen8.
Der Ehemann ist auch nicht insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er der Ehefrau als seiner Arbeitnehmerin schwarze Kleidung zur Ausübung ihrer Tätigkeit überließ.
Soweit der Ehemann Leistungen bezogen hat, um seiner Arbeitnehmerin neben dem Barlohn auch Sachlohn zuzuwenden, liegt kein tauschähnlicher Umsatz i.S. des § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG vor, bei dem die Arbeitsleistung der Ehefrau durch Lohnzahlung und zusätzlich durch eine Sachzuwendung vergütet wurde. Denn es handelt sich vorliegend um einseitige Sachzuwendungen, die ohne Bezug zum Umfang der durch den Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und unabhängig von dem hierfür bezogenen Lohn erfolgten, und die daher kein Entgelt für eine Arbeitsleistung sind9. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht ist im Streitfall der für einen tauschähnlichen Umsatz erforderliche Bezug zur Arbeitsleistung der Ehefrau10 auszuschließen.
Liegt somit eine unentgeltliche Abgabe der Bekleidung an die Ehefrau vor, die der Ehemann bereits beim Leistungsbezug beabsichtigte, handelt es sich um eine Verwendung i.S. von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG für den privaten Bedarf seines Personals, die dem Vorsteuerabzug entgegensteht11. Die unternehmerischen Gründe des Ehemannes für die Überlassung wie auch sein eigenbetriebliches Interesse12, BFHE 272, 240, Rz 38)) ändern daran nichts, weil der Vorteil der Ehefrau nicht als nebensächlich oder untergeordnet erscheint.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. August 2022 – XI R 3/22
- Anschluss an BFH, Urteil vom 16.03.2022 – VIII R 33/18, BFHE 276, 120, BStBl II 2022, 614[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.08.2018 – 3 K 3278/15, EFG 2018, 1940[↩]
- BFH, Urteil vom 16.03.2022 – VIII R 33/18, BFHE 276, 120, BStBl II 2022, 614, Rz 12 bis 23[↩]
- vgl. Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe 2022, 1823[↩]
- BFH (GrS), Beschluss vom 21.09.2009 – GrS 1/06 ((BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, unter C.III. 4.a[↩]
- zutreffend Schiffers, DStZ 2022, 496, 497; vgl. auch Kanzler, Finanz-Rundschau 2022, 844[↩]
- vgl. hierzu FG München vom 23.02.2006 – 14 K 3585/03, EFG 2006, 1018; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 639; Heinrichshofen in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 15 Abs. 1a Rz 162[↩]
- zum Berufungsrecht vgl. z.B. EuGH, Urteil Becker vom 19.01.1982 – C 8/81, EU:C:1982:7, Rz 49; BFH, Urteile vom 19.02.2004 – V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, Rz 45; vom 10.02.2005 – V R 76/03, BFHE 208, 507, BStBl II 2005, 509, Rz 46; vom 11.10.2007 – V R 69/06, BFHE 219, 287, Rz 34; vom 20.03.2014 – V R 25/11, BFHE 245, 286, BStBl II 2020, 821, Rz 23; vom 17.03.2022 – XI R 23/21, BFH/NV 2022, 1016, Rz 15[↩]
- vgl. hierzu EuGH, Urteil Fillibeck vom 16.10.1997 – C-258/95, EU:C:1997:491, Rz 16 f.; BFH, Urteile vom 09.12.2010 – V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Rz 34; vom 29.01.2014 – XI R 4/12, BFHE 244, 131, Rz 51[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 30.06.2022 – V R 25/21, BFH/NV 2022, 1258, Rz 18 und 27[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Rz 17, 20, 22; in BFHE 244, 131, Rz 52[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 06.06.2019 – V R 18/18, BFHE 265, 538, BStBl II 2020, 293; vom 16.12.2020 – XI R 26/20 ((XI R 28/17[↩]