Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

Die Rechnungsberichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück, sofern sie noch vor Ergehen einer Einspruchsentscheidung vorgenommen wird.

Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.02.2005 kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG muss eine Rechnung u. a. die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG muss in der Rechnung zudem der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung genannt sein. Diese Anforderungen stehen im Einklang mit den Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 (Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSysRL)1. Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhof dient das Abrechnungspapier (Rechnung oder Gutschrift) für den Vorsteuerabzug als Belegnachweis. Deshalb müssen die Abrechnungspapiere Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Die den Leistungsgegenstand betreffenden Angaben müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen, denn aus der Funktion des Abrechnungspapiers als Belegnachweis folgt, dass der Aufwand zur Identifizierung der Leistung begrenzt sein muss. Es ist jedoch zulässig, zur Identifizierung der abgerechneten Leistungen über die im Abrechnungspapier enthaltenen Angaben tatsächlicher Art hinaus weitere Erkenntnismittel heranzuziehen. Sofern auf andere Erkenntnismittel verwiesen wird, ist es erforderlich, dass die in Bezug genommenen Unterlagen in der Rechnung eindeutig bezeichnet werden2.

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Gemäß § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i. V. m. § 31 Abs. 5 UStDV kann eine fehlerhafte Rechnung durch Übermittlung eines Dokuments berichtigt werden, wenn es spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist. Dabei braucht es nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben enthalten. Diesem ist die Rechnungsausstellerin im vorliegenden Fall in ausreichendem Maße dadurch nachgekommen, dass sie in tabellarischer Form unter Bezugnahme auf die jeweiligen Rechnungen mit Datum und Rechnungsnummer nunmehr hinsichtlich der Leistungsbeschreibung ausdrücklich auf den Bauvertrag, die Leistungsbeschreibung des Architekten sowie das Angebot Bezug nimmt. Der Leistungszeitraum wird ausreichend durch die Nennung des Monats der Leistung beschrieben, vgl. § 31 Abs. 4 UStDV.

Die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Pannon Gép3 und Petroma Transports4 lässt jedenfalls bei summarischer Prüfung eine Rückwirkung dieser Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zu.

Das EuGH-Urteil in Sachen Pannon Gép wurde von Teilen der Literatur und einigen Finanzgerichten dahingehen verstanden, dass der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für den Fall zulassen wollte, in dem den Steuerbehörden vor Erlass des (ablehnenden) Steuerbescheids die berichtigte Rechnung bereits vorgelegen hat5.

Teilweise wird hingegen davon ausgegangen, dass einer Rechnungsberichtigung auch unter Berücksichtigung des EuGH, Urteils Pannon Gép keine Rückwirkung zukomme, da sich der EuGH nicht ausdrücklich zur Frage der Rückwirkung geäußert habe6. Es wird darauf hingewiesen, dass nach der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2004 in Sachen Terra-Baubedarf7, der Vorsteuerabzug davon abhängig ist, dass dem Steuerpflichtigen eine ordnungsgemäße Rechnung mit Umsatzsteuerausweis vorliegt. Obgleich die Ausführungen des EuGH in Sachen Pannon Gép im Ergebnis eine rückwirkende Anerkennung des Vorsteuerabzugs in dem konkreten Fall bedeuteten, sei damit keine generelle Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Sachen Terra Baubedarf, verbunden, da er sich dafür mit Art. 179 MwStSystRL bzw. Art. 18 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie sowie seiner Entscheidung in Sachen Pannon Gép hätte auseinandersetzen müssen8.

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Der BFH hat in Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz unter Würdigung der EuGH, Entscheidungen Terra Baubedarf und Pannon Gép ernstliche Zweifel geäußert, ob der Vorsteuerabzug aus einer zunächst fehlerhaften Rechnung auch dann versagt werden kann, wenn diese Rechnung später berichtigt wird, sofern das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt, gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) an eine Rechnung erfüllt9.

Mit der Entscheidung Petroma Transports4 hat der EuGH nunmehr seine Ausführungen zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung im Urteil Pannon Gép präzisiert. Rn. 34 und 35 dieses Urteils lassen jedenfalls für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz den Schluss zu, dass der EuGH tatsächlich die rückwirkende Berichtigung anerkennen wollte10. Denn er verweist auf die Rn. 43 bis 45 des Urteils Pannon Gép und wiederholt die Aussage, dass einem Steuerpflichtigen bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs und Einreichung einer korrigierten Rechnung bei der Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung der Vorsteuerabzug nicht mit Hinweis auf die ursprünglich fehlerhafte Rechnung versagt werden kann. Eine Berichtigung oder Ergänzung von Rechnungsangaben nach diesem Zeitpunkt reicht dagegen nicht aus.

Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung scheidet vorliegend jedenfalls im summarischen Verfahren auch nicht deshalb aus, weil die Rechnungsberichtigung auch den Leistungsgegenstand und damit eventuell eine Mindestanforderung an eine Rechnung im Sinn der Rechtsprechung des BFH11 betrifft. Zumindest für den vorliegenden Fall, in dem der Leistungsgegenstand in der ursprünglichen Rechnung rudimentär umrissen wurde und mit der Rechnungsberichtigung lediglich die ausdrückliche Nennung von Bezugsdokumenten zur Präzisierung nachgeholt wird, ist eine solche Einschränkung nicht geboten. Es handelt sich nicht um einen Fall einer fehlenden Rechnung. Dieses ergibt sich wiederum aus dem EuGH, Urteil Petroma Transports. Berichtigt wurde in diesem Fall gerade die unzureichende Bezeichnung des Leistungsgegenstands im weiteren Sinn. Eine Einschränkung hinsichtlich der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung machte der EuGH indes nicht.

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Die Rechnungsberichtigung erfolgte vorliegend auch „vor Erlass“ der Behördenentscheidung, da das Einspruchsverfahren beim Antragsgegner noch nicht abgeschlossen ist. Jedenfalls bei der in diesem Verfahren gebotenen summarische Betrachtung ist das Urteil Petroma Transports des EuGH dahingehend auszulegen, dass zumindest kein Zeitpunkt vor Erlass der Einspruchsentscheidung gemeint ist, da die Behörde bis zu diesem Zeitpunkt als Herrin des Verfahrens die ursprünglichen Rechnungen und Rechnungsberichtigungen auf die Richtigkeit hin überprüfen kann12.

Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 2 V 214/14

  1. vgl. BFH, Urteil vom 02.09.2010, – V R 55/09, BStBl II 2011, 235 zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG – Sechste Richtlinie[]
  2. BFH, Urteile vom 10.11.1994, – V R 45/93, BStBl II 1995, 395; vom 21.01.1993, – V R 30/88, BStBl II 1993, 385; vom 24.09.1987, – V R 50/85, BStBl II 1988, 688, 691 f.; Beschlüsse vom 29.11.2002, – V B 119/02, BFH/NV 2003, 518; vom 14.10.2002, – V B 9/02, BFH/NV 2003, 213; vom 22.07.2014, – XI B 29/14; Hessisches FG, Beschluss vom 16.09.2005 – 6 – V 2616/05[]
  3. EuGH, Urteil vom 15.07.2010, – C-368/09, Pannon Gép, Slg. 2010, I-7467[]
  4. EuGH, Urteil vom 08.05.2013, – C-271/12, BB 2013, 1365[][]
  5. FG Nürnberg, Beschluss vom 07.10.2010, 2 – V 802/2009, EFG 2011, 1113; FG Saarland, Beschluss vom 16.02.2012, 2 – V 1343/11, EFG 2012, 1115; Martin, BFH/PR 2010, 388; Sterzinger, UR 2010, 700; Wäger, DStR 2010, 1478; Wagner, UVR 2010, 311[]
  6. Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.10.2010 – 5 K 425/08, DStRE 2011, 1337; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.02.2011 – 5 – V 5004/11, EFG 2011, 1295; FG Köln, Urteil vom 13.07.2011 – 2 K 2695/10; FG Hamburg, Beschluss vom 06.12.2011, 2 – V 149/11, DStRE 2013, 93; Huschens, UVR 2010, 333; Meurer, DStR 2010, 2442[]
  7. EuGH, Urteil vom 29.04.2004, – C-152/02, DStRE 2004, 830[]
  8. FG Hamburg, Beschluss vom 06.12.2011, 2 – V 149/11, DStRE 2013, 93[]
  9. BFH, Beschlüsse vom 20.07.2012, – V B 82/11, BStBl II 2012, 809; und vom 10.01.2013, – XI B 33/12, BFH/NV 2013, 783[]
  10. so auch Niedersächsisches FG, Beschluss vom 01.10.2013, 5 – V 217/13, EFG 2013, 2049; Prätzler, jurisPR-SteuerR 26/2013 Anm. 5; Grune/AktStR 2013, 467 f.; Streit/Rust, BB 2014, 1239, 1249; Bunjes/Leonard, UStG, 13. Auflage 2013, § 13 Rz. 9a[]
  11. vgl. BFH, Beschluss vom 20.07.2012, – V B 82/11, BStBl II 2012, 809, ebenso Niedersächsisches FG, Beschluss vom 01.10.2013, 5 – V 217/13 EFG 2013, 2049[]
  12. ebenso Widmann in Schwarz, UStG, § 14 Rz. 156b; weitergehender Sterzinger, UR 2014, 596, 597[]
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