Die Leistungen eines Mitglieds eines Wohlfahrtverbandes kommen dem begünstigten Personenkreis auch dann unmittelbar i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG zugute, wenn es Fahrdienstleistungen ohne Zwischenschaltung Dritter an Menschen mit Behinderung erbringt und dabei aufgrund eines mit einer anderen Person abgeschlossenen Vertrages tätig wird.

Für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG kommt es nicht auf die Zweckbetriebsvoraussetzungen des § 66 AO an.
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG „die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn
- diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
- die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und
- die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben“.
Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG. Steuerfrei sind danach „die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“.
Die Behandlung der Leistungen des Klägers als gemäß § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei, ist für den Bundesfinanzhof nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Finanzamt die gemäß § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG erforderliche Unmittelbarkeit vor.
Das Merkmal der Unmittelbarkeit i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs leistungsbezogen auszulegen. Daher muss die Leistung dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis selbst unmittelbar und nicht nur mittelbar zugute kommen1. Daher liegt keine steuerfreie Leistung vor, wenn ein unter § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a UStG fallender Unternehmer in seiner Krankenhauswäscherei Wäsche für ein fremdes Krankenhaus wäscht2 oder aus seiner Krankenhausapotheke Arzneimittel an ein fremdes Krankenhaus liefert3.
Als unschädlich wird dagegen beurteilt die Aufnahme von Personen in ein Obdachlosenheim, wenn die Personen durch das Sozialamt einer Gemeinde zugewiesen werden oder wenn ein Wohlfahrtsverband Personal für die Führung eines fremden Studenten- und Schullandheims abstellt, weil es sich um personenbezogene Leistungen handelt, die unmittelbar den begünstigten Personen zugutekommen4.
Im Streitfall hat das Finanzgericht sein Urteil darauf gestützt, dass die Leistungen des Fahrdienstes den in der Satzung des Klägers begünstigten Personen (Menschen mit Behinderungen) unmittelbar zugute kamen, obwohl der Kläger Vertragsbeziehungen nicht zu diesen, sondern zu den beauftragenden gemeinnützigen Körperschaften begründet habe, da es für das unmittelbare Zugutekommen nicht darauf ankomme, wer Vertragspartner sei. Entscheidend sei, dass der Kläger durch seine Hilfspersonen die Fahrdienstleistungen ohne Zwischenschaltung Dritter tatsächlich- an die Menschen mit Behinderung selbst erbracht habe. Dies entspricht der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des BFHs.
Entgegen der Auffassung des Finanzamt kommt es nicht darauf an, ob die Zweckbetriebsvoraussetzungen nach § 66 AO vorliegen. Wie der BFH bereits ausdrücklich entschieden hat, wird das Merkmal der Unmittelbarkeit durch die jeweiligen Leistungsbeziehungen bestimmt, so dass Erwägungen des Gemeinnützigkeitsrechts der AO zur Auslegung des § 4 Nr. 18 UStG insoweit nicht heranzuziehen sind5. Denn § 4 Nr. 18 UStG schließt wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nicht von der Steuerfreiheit aus, so dass es für die Steuerfreiheit anders als für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG- auch nicht entsprechend § 64 Abs. 1 AO auf eine Zweckbetriebseigenschaft ankommt. Soweit sich aus Abschnitt 103 Abs. 12 UStR 1996/2000 (jetzt Abschn. 4.18.1 Abs. 12 USt-AE) Abweichendes ergeben sollte, schließt sich der Bundesfinanzhof dem nicht an.
Auch auf die vom Finanzamt behauptete Wettbewerbsverzerrung kommt es nicht an. Denn § 4 Nr. 18 UStG ist es im Hinblick auf in der Person des leistenden Unternehmers zu erfüllende Voraussetzungen wesensimmanent, dass Wettbewerber, die dieselben Leistungen erbringen, ohne die personellen Voraussetzungen dieser Vorschrift zu erfüllen, benachteiligt werden. Dies ist im Anwendungsbereich des § 4 Nr. 18 UStG als gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen, die insbesondere im Hinblick auf das im Streitfall nicht streitige Abstandsgebot gemäß § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG auch nicht zu beanstanden ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. September 2011 – V R 16/11
- BFH, Urteile vom 07.11.1996 – V R 34/96, BFHE 181, 532, BStBl II 1997, 366, und vom 18.03.2004 – V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798, jeweils Leitsatz 1[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.10.1990 – V R 35/85, BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter II.02.c[↩]
- BFH, Urteil vom 18.10.1990 – V R 76/89, BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268, Leitsatz 1[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 181, 532, BStBl II 1997, 366, unter II.02.c; vom 23.07.2009 – V R 93/07, BFHE 226, 435, BFH/NV 2009, 2073, unter II.03.b[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter II.02.c[↩]