Steuersatzermäßigungen für Holzhackschnitzel – und der Neutralitätsgrundsatz

Ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 MwStSystRL einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, kann dessen Anwendungsbereich anhand der KN auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird1.

Steuersatzermäßigungen für Holzhackschnitzel – und der Neutralitätsgrundsatz

Daher können Holzhackschnitzel auch dann nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG der Steuersatzermäßigung unterliegen, wenn sie bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 122 MwStSystRL Brennholz im Sinne der Warenbeschreibung der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG sind. Dem steht das Fehlen der hierfür erforderlichen zolltariflichen Voraussetzung nicht entgegen, wenn die Holzhackschnitzel und das die zolltarifliche Voraussetzung erfüllende Brennholz austauschbar sind.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat der Bundesfinanzhof das Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt2:

  1. Ist der Begriff des Brennholzes in Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist?
  2. Kann ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich entsprechend Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen?
  3. Falls die zweite Frage zu bejahen ist: Darf ein Mitgliedstaat die ihm durch Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG und Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG eingeräumte Befugnis, den Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für Lieferungen von Brennholz anhand der Kombinierten Nomenklatur abzugrenzen, bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität so ausüben, dass die Lieferungen verschiedener Formen von Brennholz, die sich nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unterscheiden, aber aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung demselben Bedürfnis (hier: Heizen) dienen und somit miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen?

Hierauf hat der EuGH in seinem Urteil „Finanzamt A“ wie folgt geantwortet3:

  1. Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG … ist dahin auszulegen, dass der Begriff ‚Brennholz‘ im Sinne dieses Artikels jegliches Holz bezeichnet, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist.
  2. Art. 122 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der in Anwendung dieser Bestimmung einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich anhand der Kombinierten Nomenklatur auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen kann, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird.
  3. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Lieferung von Holzhackschnitzeln nach dem nationalen Recht von dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausgeschlossen ist, obwohl dieser nach den nationalen Rechtsvorschriften den Lieferungen anderer Formen von Brennholz zugutekommt, sofern Holzhackschnitzel und diese anderen Formen von Brennholz für den Durchschnittsverbraucher nicht austauschbar sind. Dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Auf der Grundlage der Vorabentscheidung änderte der Bundesfinanzhof nun seine bisherige Rechtsprechung und entschied, dass die Lieferung der Holzhackschnitzel dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt:

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§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ordnet i.V.m. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG eine Steuersatzermäßigung für die Lieferung von Brennholz entsprechend den dort in der zweiten und dritten Spalte genannten Bedingungen an. Danach bezieht sich die Steuersatzermäßigung entsprechend der Warenbezeichnung der zweiten Spalte auf „Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen“, das entsprechend der Verweisung auf den „Zolltarif“ in der dritten Spalte in die „Unterposition 4401 10 00“ der KN einzureihen ist.

Unionsrechtliche Grundlage für diese Steuersatzermäßigung ist Art. 122 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten auf die Lieferungen von Brennholz einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Der BFH legt die Steuersatzermäßigungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG i.V.m. der Anlage 2 zum UStG in ständiger Rechtsprechung richtlinienkonform entsprechend dem jeweiligen Ermächtigungstatbestand der MwStSystRL aus4, so dass vorliegend Art. 122 MwStSystRL zu berücksichtigen ist.

Bei richtlinienkonformer Auslegung der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG ist das im Streitfall ergangene EuGH-Urteil „Finanzamt A“5 zu beachten. Danach kann ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 MwStSystRL einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich anhand der KN auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird6.

An der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der einer zolltariflichen Einreihung Vorrang gegenüber dem Neutralitätsgrundsatz zukam, da Gegenstände, die in unterschiedliche Unterpositionen der KN einzureihen sind, als „nicht gleichartig“ angesehen wurden, auch wenn sie über einen „identischen Anwendungsbereich“ und „Verwendungszweck“ verfügen und die „gleiche … Wirkung haben“ und „zum gleichen Zweck … verwendet“ werden7 ist daher nicht festzuhalten (Änderung der Rechtsprechung). In Bezug auf das BFH, Urteil in BFHE 261, 569 sieht der Bundesfinanzhof von einer Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO ab, da nach der Spruchpraxis des Bundesfinanzhofs ein Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits bindet8.

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Holzhackschnitzel können auch dann nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG der Steuersatzermäßigung unterliegen, wenn sie bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 122 MwStSystRL Brennholz im Sinne der Warenbeschreibung der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG sind. Dem steht das Fehlen der hierfür erforderlichen zolltariflichen Einreihung in die Unterposition 4401 10 00 KN nicht entgegen, da die (nach dem BFH-Urteil in BFHE 261, 569 in Unterpositionen 4401 21 und 4401 22 KN einzureihenden) Holzhackschnitzel und das diese zolltarifliche Voraussetzung erfüllende Brennholz nach den Verhältnissen des Streitfalls austauschbar sind.

Die sich aus dem Neutralitätsgrundsatz ergebenden Anforderungen sind im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Auslegung der in der Anlage 2 zum UStG enthaltenen Warenbezeichnungen zu berücksichtigen.

Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des VII. Bundesfinanzhofs des Bundesfinanzhofs, nach der es für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG und seiner Anlage 2 „allein“ auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe ankommt9. Denn dies bezieht sich auf die „zollrechtliche Tarifierung von Waren“ im Rahmen der Anlage 2 zum UStG10 und gilt daher nur im Umfang der Verweisung auf den Zolltarif11. Demgegenüber geht es vorliegend um die den Neutralitätsgrundsatz wahrende umsatzsteuerrechtliche Prüfung des sich zolltariflich ergebenden Ergebnisses. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof bereits in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass die in der zweiten Spalte der Anlage 2 zum UStG enthaltenen Begriffe einer umsatzsteuerrechtlichen Auslegung zugänglich sind, ohne dass dabei auf das Vorliegen einer sog. Exposition abgestellt wurde12.

Ist umsatzsteuerrechtlich die Warenbezeichnung der zweiten Spalte der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG entsprechend Art. 122 MwStSystRL auszulegen, umfasst der Begriff des Brennholzes im Sinne der zweiten Spalte der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG jegliches Holz, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist13, wobei es um ein Verbrennen „zum Heizen öffentlicher oder privater Räumlichkeiten“ geht und es in Bezug auf die objektiven Eigenschaften auf den „im Voraus festgelegten Trocknungsgrad“ ankommt14.

Danach hat im vorliegenden Fall das erstinstanzlich tätige Finanzgericht München zutreffend entschieden15, dass die Holzhackschnitzel Brennholz i.S. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG sind. Denn die Holzhackschnitzel sind nach ihren objektiven Eigenschaften und dabei nach ihrem Trocknungsgrad ausschließlich zum Verbrennen bestimmt, wie sich aus den bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) ergibt16. Der Bundesfinanzhof berücksichtigt dabei insbesondere, dass die Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG auch Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln „oder ähnliche Formen“ erfasst, wodurch die Vorschrift einer erweiternden Auslegung zugänglich wird.

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Liegt somit Brennholz in der von der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG erfassten Art vor, kann es von einer auf bestimmte Formen von Brennholz beschränkten Steuersatzermäßigung nur ausgeschlossen werden, wenn die beiden Arten des Brennholzes für den Durchschnittsverbraucher nicht austauschbar sind17. Diese Austauschbarkeit hat das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß bejaht.

Nach dem EuGH-Urteil „Finanzamt A“5 hat der nationale Gesetzgeber den Neutralitätsgrundsatz zu beachten, wenn er sich dafür entscheidet, den ermäßigten Steuersatz selektiv auf Leistungen anzuwenden, auf die nach der MwStSystRL ein solcher Satz angewendet werden kann18, wobei es dieser Grundsatz nicht zulässt, gleichartige Gegenstände, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln19. Dabei ist für die Gleichartigkeit nach Maßgabe der Sicht des Durchschnittsverbrauchers darauf abzustellen, ob die Gegenstände ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der „Vergleichbarkeit in der Verwendung“ denselben Bedürfnissen dienen, wenn (gleichwohl) bestehende Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen nicht erheblich beeinflussen20. Maßgeblich ist somit die Austauschbarkeit der Gegenstände21.

Im Streitfall hat das Finanzgericht die erforderliche Austauschbarkeit der Holzhackschnitzel mit dem die zolltarifliche Voraussetzung erfüllenden Brennholz zutreffend damit bejaht, dass es einem Verbraucher in erster Linie auf den jeweiligen Brennwert des Holzes und somit auf den gleichartigen Inhalt der verschiedenen Brennholzformen ankommt. Diese mögliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Somit dienten die Holzhackschnitzel und das nach der nationalen Regelung begünstigte Brennholz aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers gleichermaßen dem Heizen und standen miteinander in Wettbewerb. Hierfür spricht insbesondere die sich aus dem Trocknungsgrad ergebende Beschaffenheit.

Demgegenüber ist es aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers unerheblich, dass zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Steuersatzermäßigung angeführt wird, dass die Regelung finanzielle Nachteile gewerblicher Anbieter im Vergleich zu forstwirtschaftlichen Erzeugern, die die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden, vermeiden soll22.

Die Bejahung der Steuersatzermäßigung für Holzhackschnitzel nach Maßgabe des Neutralitätsgrundsatzes führt nicht zu einer unzulässigen Ausweitung des Geltungsbereichs einer Steuerbegünstigung „ohne eindeutige Bestimmung“23. Denn die Steuersatzermäßigung ergibt sich vorliegend aus dem richtlinienkonform auslegbaren Wortlaut der zweiten Spalte der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG („oder ähnlichen Formen“) und beruht damit auf einer „eindeutigen Bestimmung“.

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Bei seiner Entscheidung berücksichtigt der Bundesfinanzhof auch, wie er bereits entschieden hat24, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte bei einem Widerspruch zwischen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und den Bestimmungen des Unionsrechts gehalten sind, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne dass die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragt oder abgewartet werden müsste. Es ist alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften „auszuschalten“, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden25. In Übereinstimmung hiermit kann sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insbesondere auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber richtlinienwidrigen Regelungen des nationalen Rechts berufen26.

Dem gleichzustellen ist die Befugnis, zur Wahrung des unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes eine Vorschrift des nationalen Rechts im Rahmen ihres möglichen Wortsinns in der Weise unionsrechtskonform auszulegen, dass einem ihrer Tatbestandselemente im Hinblick auf einen Widerspruch zum Unionsrecht -im Rahmen der Auslegung des nationalen Rechts- keine Bedeutung beigemessen wird. Dies erfasst auch die Ausübung einer durch das Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber eingeräumten Ermächtigung, wenn das nationale Recht hiervon unter Verstoß gegen unionsrechtliche Rechtsgrundsätze Gebrauch macht. Im Hinblick hierauf sieht der Bundesfinanzhof davon ab, eine Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Anlage 2 zum UStG einzuholen.

In einem Fall hatte die vorliegende Klage keinen Erfolg: 

Im Rahmen eines Vertrags über das „Betreiben einer Hackschnitzelheizungsanlage einschließlich Wartung und Reinigung“ mit der Gemeinde C lieferte die Händlerin im Dezember 2015 Holzhackschnitzel als Brennstoff (Waldhackschnitzel, denen ein unter 50 % liegender Anteil an Pukets beigemischt gewesen sein konnte) und übernahm die Rücknahme der Asche, den Festbrennstoffkesselbetrieb einschließlich der Kesselreinigung, die Wartung und den Betrieb von Holzheizkessel- und Brennstoffbeschickungsanlage mit der Erstellung von Messungen. Diese  gegenüber der Gemeinde C erbrachte Leistung unterliegt dem Regelsteuersatz. 

Nach ständiger Rechtsprechung von EuGH und BFH ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre27.

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Auf dieser Grundlage hat das Finanzgericht zutreffend entschieden, dass sich vorliegend eine wirtschaftlich einheitliche Leistung aus der Bezeichnung des Leistungsgegenstands im Vertrag ergab, wobei neben der Abrechnung nach der produzierten Wärmemenge auch die Menge der gelieferten Hackschnitzel dokumentiert werden sollte. Das Finanzgericht konnte hierfür weiter anführen, dass die Händlerin den Gesamtpreis in Abhängigkeit von der vereinbarten Wärmeabgabemenge kalkuliert hatte, und dass Betrieb, Wartung und Reinigung der Anlage nicht nur Nebenleistungen zum Bezug des Brennstoffs waren, da diese zur Gewinnung von Wärme unverzichtbar und damit nicht nur ein Mittel waren, um eine Holzlieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, zumal nach der Preisgleitklausel nicht nur die Entwicklung des Holzpreises, sondern auch die der Lohnkosten und die des Heizölpreises Berücksichtigung finden sollten. Zudem sei es der Gemeinde C darauf angekommen, dass gerade die Händlerin die Wartung schuldete und die Verantwortung für den optimalen Betrieb ihrer Heizung, der sowohl von der Qualität des Brennstoffs als auch der ordnungsgemäßen Beschickung, Wartung und Reinigung abhing, in einer Hand lag.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Händlerin greifen nicht durch. Soweit sie geltend macht, dass die Nebenleistungen wie Ascheentsorgung, Betrieb, Wartung, Kesselreinigung nur einen geringen Anteil ausmachten und es sich nicht sagen lasse, dass der Heizungsbetrieb gegenüber der Brennstofflieferung nur akzessorischen Charakter gehabt habe, wendet sie sich nur gegen die Tatsachenwürdigung des Finanzgericht, ohne dass dies einen für das Revisionsverfahren erheblichen Rechtsverstoß erkennen lässt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. April 2022 – V R 2/22

  1. Folgeentscheidung zu EuGH, Urteil „Finanzamt A“ vom 03.02.2022 – C-515/20, EU:C:2022:73 – Änderung der Rechtsprechung[]
  2. BFH, Beschluss vom 10.06.2020 – V R 6/18, BFHE 268, 560, BStBl II 2021, 890[]
  3. EuGH, Urteil „Finanzamt A“ vom 03.02.2022 – C-515/20, EU:C:2022:73[]
  4. BFH, Urteile vom 08.10.2008 – V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II. 3.c cc; und vom 03.12.2015 – V R 43/13, BFHE 252, 171, BStBl II 2016, 858, Rz 17[]
  5. EU:C:2022:73[][]
  6. EuGH, Urteil Finanzamt A, zweite Antwort, EU:C:2022:73[]
  7. BFH, Urteil vom 09.02.2006 – V R 49/04, BFHE 213, 88, BStBl II 2006, 694, unter II. 5.c und d zu Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs; ebenso BFH, Urteil in BFHE 261, 569, Rz 22 f. zu Holzhackschnitzeln[]
  8. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.12.2019 – XI R 23/19 (XI R 23/15), BFHE 267, 571, Rz 21[]
  9. BFH, Urteile vom 05.05.2015 – VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449, Rz 9; vom 07.07.2015 – VII R 65/13, BFH/NV 2015, 1605, Rz 9; vom 18.09.2018 – VII R 9/17, BFH/NV 2019, 210, Rz 4; und vom 27.02.2019 – VII R 1/18, BFH/NV 2019, 848, Rz 7[]
  10. BFH, Urteil vom 30.03.2010 – VII R 35/09, BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74, Rz 7[]
  11. BFH, Urteil vom 14.06.2016 – VII R 12/15, BFH/NV 2016, 1594, Rz 11; vgl. auch BFH, Urteil vom 24.08.2010 – VII R 10/10, BFH/NV 2011, 322, Rz 8[]
  12. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 02.07.2014 – XI R 4/13, BFH/NV 2014, 1913, Rz 32 zur Warenbezeichnung Pferd in der zweiten Spalte der früheren Nr. 1 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG[]
  13. EuGH, Urteil Finanzamt A, erste Antwort, EU:C:2022:73[]
  14. EuGH, Urteil Finanzamt A, EU:C:2022:73, Rz 28 und 30[]
  15. FG München, Urteil vom 19.012.2017 – 2 K 668/16[]
  16. vgl. auch BFH, Vorlagebeschluss in BFHE 268, 560, BStBl II 2021, 890, Rz 23[]
  17. EuGH, Urteil Finanzamt A, dritte Antwort, EU:C:2022:73[]
  18. EuGH, Urteil Finanzamt A, EU:C:2022:73, Rz 42[]
  19. EuGH, Urteil Finanzamt A, EU:C:2022:73, Rz 43[]
  20. EuGH, Urteil Finanzamt A, EU:C:2022:73, Rz 44[]
  21. EuGH, Urteil Finanzamt A, EU:C:2022:73, Rz 45[]
  22. vgl. z.B. Langer in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, §  12 Abs.  2 Nr.  1, Rz 7, und zutreffend ablehnend Lippross, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 212, 214[]
  23. EuGH, Urteil Deutsche Bank vom 19.07.2012 – C-44/11, EU:C:2012:484, Rz 45; vgl. auch EuGH, Urteil Oxycure Belgium vom 09.03.2017 – C-573/15, EU:C:2017:189, Rz 29 ff.[]
  24. BFH, Urteil vom 24.10.2013 – V R 17/13, BFHE 243, 456, BStBl II 2015, 513, Rz 13[]
  25. EuGH, Urteil Fransson vom 26.02.2013 – C-617/10, EU:C:2013:105, Rz 45 f.[]
  26. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – V R 9/10, BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279, Leitsatz 2[]
  27. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 14.02.2019 – V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 15 ff.[]
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