Vorsteuerabzug aus der Insolvenzverwaltervergütung

Die Umsatzsteuer aus der Rechnung eines Insolvenzverwalters kann auch dann in vollem Umfang zugunsten der Insolvenzmasse als Vorsteuer abgezogen werden, wenn im Rahmen des Insolvenzverfahrens erhebliche steuerfreie Umsätze erzielt wurden.

Vorsteuerabzug aus der Insolvenzverwaltervergütung

Maßgeblich für den Vorsteuerabzug und eine eventuelle Vorsteuerkürzung sind nicht die Umsätze, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erbracht werden, sondern die bis zur Insolvenzeröffnung insgesamt getätigten Umsätze.

Klägerin in dem hier vom Finanzgericht Köln entschiedenen Fall war eine Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH & Co. KG. Sie hatte für ihre Verwaltungstätigkeit gegenüber der Insolvenzmasse eine Vergütung unter Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet. In der Steuererklärung für die Insolvenzmasse hatte sie die Umsatzsteuer in vollem Umfang als Vorsteuer abgezogen. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nur anteilig zu 42 % an, weil von den Verwertungsumsätzen von insgesamt 459.000 € nur ein Anteil von 192.000 € umsatzsteuerpflichtig gewesen sei. So veräußerte die Verwalterin u.a. ein Grundstück für ca. 270.000 € umsatzsteuerfrei. Das Finanzgericht Köln gab der Klage der Insolvenzverwalterin statt und gewährte der Insolvenzverwalterin den vollen Vorsteuerabzug:

Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die in einer Rechnung ordnungsgemäß ausgewiesene gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die Unternehmereigenschaft endet, wenn der Unternehmer keine Umsätze mehr tätigt. Unternehmerisch tätig ist aber auch noch derjenige, der sein Unternehmen abwickelt1. Eine Insolvenzeröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners grundsätzlich keinen Einfluss. Der Insolvenzschuldner bleibt daher zum Vorsteuerabzug berechtigt und kann offen in Rechnung gestellte Vorsteuer bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von der Umsatzsteuerschuld abziehen.

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Ein Insolvenzverwalter übt mit seiner Geschäftsführung eine sonstige Leistung zugunsten der Masse aus und erbringt damit eine Tätigkeit für das Unternehmen des Schuldners. Für seine Geschäftsführung hat er Anspruch auf eine aus der Masse zu entrichtende Vergütung, so dass er seine Leistung gegen Entgelt erbringt. Er ist selbst Unternehmer und betreibt ein eigenes, von der Insolvenzmasse getrenntes (Insolvenzverwalter-) Unternehmen2. Daher ist er auch berechtigt, für seine Leistung Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen.

Danach gehört die Umsatzsteuer auf die Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters – generell und auch im Streitfall – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen grundsätzlich zu der für die Insolvenzmasse abziehbaren Vorsteuer3.

Ausgeschlossen ist ein Vorsteuerabzug jedoch gem. § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für solche von dem Unternehmer für sein Unternehmen bezogenen Leistungen (Lieferungen oder sonstige Leistungen), die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Dazu gehören auch nach § 4 Nr. 9 lit. a UStG steuerfreie Grundstücksverkäufe.

Verwendet der Unternehmer eine für sein Unternehmen bezogene Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist laut § 15 Abs. 4 S. 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Die nicht abziehbaren Teilbeträge können im Wege einer sachgerechten Schätzung ermittelt werden; dabei ist eine Aufteilung nach dem Verhältnis der den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätze zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ausnahmsweise zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (§ 15 Abs. 4 S. 2, 3 UStG).

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Damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann, muss nach ständiger Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen,4. Bei der Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs sind nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs ist anhand des objektiven Inhalts der bezogenen Leistung zu bestimmen5. Der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes kann hierbei als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts dieses Umsatzes herangezogen werden.

Es wird jedoch auch bei Fehlen eines solchen direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen ein Recht auf Vorsteuerabzug zugunsten des Steuerpflichtigen angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und Preisbestandteile der von ihm erbrachten Leistungen sind6. Sie müssen als Kostenelemente der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze in der Regel bereits entstanden sein, bevor der Unternehmer diese besteuerten Umsätze ausführt7. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug8.

Für Dienstleistungen, die ein Unternehmer für die Abwicklung einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen in Anspruch nimmt, hat der EuGH in der Sache Abbey National mit Urteil v. 22.02.20019 den Vorsteuerabzug ebenfalls in vollem Umfang zugelassen, obwohl die Kosten für diese Leistungen nicht vor der Ausführung besteuerter Umsätze, sondern erst danach entstanden sind. Zur Begründung stellte der EuGH darauf ab, dass diese Eingangsleistungen zwar keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit vorsteuerabzugsberechtigten Ausgangsumsätzen, jedoch mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens vor der Geschäftsveräußerung aufweisen würden. Wenn auch nach der Inanspruchnahme der fraglichen Dienstleistungen keine Umsätze mehr getätigt würden, so gehörten die Kosten für die Leistungen doch zu den allgemeinen Kosten des Unternehmers und seien als Bestandteil seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit vor der Übertragung anzusehen. Anderenfalls – bei Verwehrung des Vorsteuerabzugs aus solchen Kosten – würde willkürlich unterschieden zwischen Ausgaben für Zwecke des Unternehmens, die vor und während der Unternehmenstätigkeit anfallen, und solchen, die erst der Beendigung dieser Tätigkeit dienen.

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Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ist der Vorsteuerabzug aus der Tätigkeit der Insolvenzverwalterin in vollem Umfang von 13.753, 06 € zu gewähren.

Die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG für den Vorsteuerabzug liegen vor. Ein teilweiser Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 UStG scheidet aus, da die streitgegenständliche Verwaltungsleistung der Insolvenzverwalterin für Zwecke der zum Vorsteuerabzug berechtigenden, umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit der KG verwendet wurde und nicht im Zusammenhang mit vorsteuerschädlichen Ausgangsumsätzen steht. Denn die Eingangsleistung und die daraus resultierende Vorsteuer sind der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der KG vor der Insolvenzeröffnung zuzuordnen, und diese Tätigkeit hat nahezu ausschließlich Umsätze hervorgebracht, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen.

Das Finanzgericht ist der Auffassung, dass die Leistung eines Insolvenzverwalters im Allgemeinen und der Insolvenzverwalterin im Besonderen – entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung – nicht allein zur Erzielung der im Rahmen des Insolvenzverfahrens getätigten steuerbaren Verwertungsumsätze verwendet wurde und dass mithin nicht nur diese Verwertungsumsätze als Maßstab für eine etwaige Aufteilung der Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG herangezogen werden dürfen10. Vielmehr ist eine solche von dem Insolvenzschuldner bezogene Eingangsleistung vergleichbar mit Dienstleistungen, die für die Abwicklung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen in Anspruch genommen werden, und entsprechend zu beurteilen. Die Kosten dafür gehören zu den allgemeinen Kosten des Unternehmers und sind Bestandteil seiner gesamten unternehmerischen Tätigkeit.

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Denn die von der Insolvenzverwalterin bezogene Leistung hatte nicht nur die Erzielung von Verwertungsumsätzen zum Gegenstand, sondern zahlreiche weitere Teilaspekte, die nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen der KG bzw. der Insolvenzverwalterin für die KG stehen. Der in Rede stehende Eingangsumsatz umfasst seinem objektiven Inhalt nach mehr als die bloße Verwertung einiger Vermögensgegenstände der KG, nämlich die Abwicklung der gesamten – ehemaligen – wirtschaftlichen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin im Wege des dafür vorgeschriebenen Insolvenzverfahrens. Gem. § 1 S. 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem im Rahmen der Unternehmensabwicklung das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Der Insolvenzverwalter erhält seine Vergütung für die gesamte Durchführung des Verfahrens (vgl. §§ 1, 63 InsO). Dazu gehört nicht nur die Erzielung umsatzsteuerlich relevanter Einnahmen zugunsten der Masse durch Verwertung des Schuldnervermögens, vorliegend die Veräußerung des Grundstücks, des Werbepylons sowie die Vermietung des vorhandenen Vermögens. Die Leistung der Insolvenzverwalterin bestand vielmehr in einer Fülle von Tätigkeiten zur Abwicklung des Unternehmens, etwa dem Einzug von Forderungen der Insolvenzschuldnerin, der Prüfung und Zusammenstellung der angemeldeten Insolvenzforderungen und deren Feststellung zur Insolvenztabelle, der Anfechtung von Zahlungen, der Verwertung und Verteilung der Masse, dem Erstellen des Insolvenzgutachtens und der Fortführungsprognose, der Prüfung der Kostendeckung sowie der Vermögenssicherung und -verteilung. Dies lässt der Beklagte außer Acht, indem er bei der Bestimmung der Verwendung des Leistungsbezuges nur auf den Verkauf einiger Vermögensgegenstände abstellt.

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Der Finanzgericht gelangt demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Eingangsleistung der Insolvenzverwalterin – berücksichtigt man wie der EuGH in seiner Rechtsprechung auch deren Entstehungsgrund – zu den allgemeinen Aufwendungen der Insolvenzschuldnerin gehört. Sie hängt mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Insolvenzschuldnerin vor Beginn der Abwicklung ihres Unternehmens, also vor der Insolvenzeröffnung zusammen. Die Tätigkeit der Insolvenzverwalterin ist naturgemäß ein der aktiven Unternehmenstätigkeit nachgelagerter Akt, der nicht aktuellen oder künftigen besteuerten Umsätzen zugeordnet werden kann, weil die KG solche nicht mehr ausführt. Die Leistung ist jedoch auf die Gesamttätigkeit der KG, deren Abwicklung sie letztendlich dient und in der sie ihre Ursache hat, rückführbar. Sie muss daher in gleichem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigen wie andere, vor und während der Unternehmenstätigkeit angefallene Eingangsleistungen. Die Verwaltungsleistung der Insolvenzverwalterin ist dabei vergleichbar mit der in der EuGH-Entscheidung „Abbey National“11 zu beurteilenden Leistung zur Durchführung einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung. Hier wäre ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen gewesen, hätte man als maßgeblichen Verwendungsumsatz nur auf die nicht besteuerte Geschäftsveräußerung abgestellt.

Da die KG im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit ausschließlich steuerpflichtige bzw. zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerfreie Ausgangsumsätze erbracht hat, steht der Insolvenzverwalterin ein vollständiger Vorsteuerabzug aus der streitgegenständlichen Insolvenzverwaltervergütung zu. Die einige Jahre vor der Insolvenzeröffnung erbrachten steuerfreien Ausschlussumsätze haben einen nach Ansicht des Finanzgerichts so geringen Umfang, dass sie zu vernachlässigen sind und nicht zu einer Vorsteuerkürzung nach § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 UStG – in einem Ausmaß von ohnehin allenfalls weit unter 1 % – führen.

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Finanzgericht Köln, Urteil vom 29. Januar 2015 – 7 K 25/13

  1. BFH, Urteil vom 25.06.1998 – V R 25/97, BFH/NV 98, 1533; Klenk in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 210[]
  2. vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl.2005, S. 183[]
  3. BFH, Urteil vom 20.02.1986 – V R 16/81, BStBl II 1986, 579[]
  4. z.B.EuGH, Urteile v. 21.02.2013 – C-104/12, DStR 2013, 411, und v.08.02.2007 – C-435/05 Investrand BV, UR 2007, 225; BFH, Urteil v.20.12.2005 – V R 14/04, BFH/NV 2006, 1233[]
  5. EuGH, Urteil v.08.02.2007 – C-435/05 Investrand BV, UR 2007, 225[]
  6. EuGH, Urteile v. 21.02.2013 – C-104/12, DStR 2013, 411, und v. 22.02.2001 Rs. – C-408/98 Abbey National, DStRE 2001, 318[]
  7. EuGH, Urteile v.08.02.2007 – C-435/05 Investrand BV, UR 2007, 225, und v. 22.02.2001 Rs. – C-408/98 Abbey National, DStRE 2001, 318[]
  8. zum Ganzen BFH, Urteil v. 11.04.2013 – V R 29/10, BStBl II 2013, 840 m.w.N.[]
  9. EuGH, Urteil vom 22.02.2001 – C-408/98, Abbey National, DStRE 2001, 318[]
  10. gl. A. FG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2010 – 2 K 1513/2008, EFG 2010, 1843[]
  11. EuGH, Urteil vom 22.02.2001 – C-408/98, Abbey National, DStRE 2001, 318[]