§ 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind. Unerheblich ist, ob die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen gehalten wird. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft auf eine natürliche Person als herrschendes Unternehmen verschmolzen wird.

Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an der verschmolzenen abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) muss in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann.
Der durch die Verschmelzung bewirkte Übergang des Eigentums an den Grundstücken der GmbH auf die herschende Unternehmerin (hier: eine eingetragene Kauffrau, e.K.) unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Es handelte sich um gesetzliche Eigentumswechsel, bei denen kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war und es auch keiner Auflassung bedurfte.
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG sind erfüllt.
Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) die Steuer nicht erhoben. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG die Vermögensübertragung. Die Nichterhebung der Steuer setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
§ 6a GrEStG verstößt nicht gegen Unionsrecht. Die Regelung stellt keine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar [1]. Die Vorschrift wirkt zwar selektiv, weil sie bestimmte Gesellschaften im Hinblick auf die bei einem Rechtsträgerwechsel anfallende Grunderwerbsteuer begünstigt; dies ist jedoch durch die Natur und den Aufbau des Systems der Grunderwerbsteuer gerechtfertigt [2]. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Anwendung des § 6a GrEStG im Einzelfall eine doppelte Besteuerung innerhalb des Konzerns vermieden wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Vorschrift generell einer im System angelegten, möglichen übermäßigen Besteuerung bei Umwandlungsvorgängen innerhalb eines Konzerns entgegenwirkt.
Der EuGH hat die Nichteinstufung des § 6a GrEStG als Beihilfe vor allem damit begründet, dass die Vermeidung einer Doppelbesteuerung und damit einer übermäßigen Besteuerung es rechtfertigen kann, dass die Steuerbefreiung auf Umwandlungsvorgänge zwischen Gesellschaften beschränkt wird, die während eines ununterbrochenen Mindestzeitraums von fünf Jahren vor und fünf Jahren nach diesem Vorgang durch eine Beteiligung von mindestens 95 % miteinander verbunden sind [3]. Aus dieser Begründung ist jedoch nicht zu folgern, dass § 6a GrEStG nur im Falle einer Doppelbesteuerung keine verbotene Beihilfe, also unionsrechtskonform ist und im Falle einer fehlenden Doppelbesteuerung dem Unionsrecht widerspricht. Eine solche Differenzierung ist in der Vorschrift nicht angelegt. Deshalb ist nach der Entscheidung des EuGH die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sind; insoweit bedarf es keiner Feststellung einer Doppelbesteuerung im konkreten Einzelfall.
Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist nicht auf Unternehmen i.S. des Umsatzsteuergesetzes beschränkt [4]. Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind [5].
Der weite Anwendungsbereich betrifft auch die Rechtsform des Unternehmens. Zwar spricht der Wortlaut der Vorschrift von einem herrschenden „Unternehmen“ und von diesem abhängigen „Gesellschaften“. Daraus lässt sich aber z.B. nicht der Schluss ziehen, dass das herrschende Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform organisiert sein muss. Herrschendes Unternehmen können folglich auch Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind [6].
Aus dem Begriff „Unternehmen“ lässt sich nicht herleiten, dass für die Anwendung des § 6a GrEStG die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten werden müsste. Eine solche Anknüpfung an bilanzielle oder ertragsteuerrechtliche Begriffe ist der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer fremd. So entsteht die Grunderwerbsteuer aufgrund der in § 6a Satz 1 GrEStG geregelten Erwerbstatbestände unabhängig davon, ob die jeweilige Beteiligung im Betriebs- oder Privatvermögen gehalten wird. Die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG von der Vermögenszugehörigkeit abhängig zu machen, findet im Gesetz keinen Anhaltspunkt. § 6a GrEStG ist folglich auch anwendbar, wenn die Beteiligung im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten wird [7].
Dies gilt selbst dann, wenn ‑wie § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG es ausdrücklich vorsieht- eine Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter verschmolzen wird und dieser das Vermögen der Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger übernimmt. Der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann herrschendes Unternehmen i.S. des § 6a GrEStG sein. Er ist über seine Beteiligung an der Gesellschaft wirtschaftlich tätig. Eine Einschränkung des Tatbestands dahingehend, dass nur bestimmte Verschmelzungsvorgänge von § 6a GrEStG erfasst sein sollen, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. § 6a Satz 1 GrEStG erfasst alle Umwandlungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG, folglich auch Verschmelzungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Welche Rechtsträger verschmelzungsfähig sind, regelt § 3 UmwG. Natürliche Personen können nur als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernehmen. Eine Verschmelzung von einer natürlichen Person auf einen anderen Rechtsträger sieht § 3 UmwG nicht vor. Hätte der Gesetzgeber bestimmte, nach dem UmwG zulässige Verschmelzungen vom Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausnehmen wollen, hätte dies im Wortlaut des § 6a GrEStG einen Anklang finden müssen.
Nach diesen Grundsätzen ist Grunderwerbsteuer im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall nach § 6a GrEStG nicht zu erheben. Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sind erfüllt.
Die Klägerin ist „herrschendes Unternehmen“ i.S. des § 6a GrEStG, denn dieser Begriff erfasst alle Rechtsträger i.S. des Grunderwerbsteuerrechts und gilt selbst für natürliche Personen, die die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privatvermögen halten und über die Beteiligung am Markt wirtschaftlich tätig sind.
§ 6a Satz 4 GrEStG schließt die Steuerbegünstigung im Streitfall nicht aus. An dem Umwandlungsvorgang sind ‑wie § 6a Satz 3 GrEStG voraussetzt- ausschließlich die Klägerin als herrschendes Unternehmen und die GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt. Die Klägerin war vor dem Umwandlungsvorgang mehr als fünf Jahre zu 100 % an der GmbH beteiligt. Unerheblich ist, dass die Klägerin nach dem Umwandlungsvorgang nicht an der GmbH beteiligt blieb, weil die GmbH aufgrund der Verschmelzung erloschen ist. Die Nichteinhaltung der Nachbehaltensfrist beruht auf umwandlungsbedingten Gründen.
Ebenso unerheblich für die Anwendung des § 6a GrEStG ist der Umstand, dass durch den Umwandlungsvorgang das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der GmbH beendet wurde. Eine Einschränkung dahingehend, dass solche Umwandlungsvorgänge aus dem Anwendungsbereich des § 6a GrEStG herausfallen, lässt sich ‑wie ausgeführt- weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Norm entnehmen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. August 2019 – II R 15/19 (II R 50/13)
- vgl. EuGH, Urteil A-Brauerei, EU:C:2018:1024[↩]
- vgl. EuGH, Urteil A‑Brauerei, EU:C:2018:1024, Rz 44 ff.[↩]
- EuGH, Urteil A‑Brauerei, EU:C:2018:1024, Rz 50; vgl. hierzu Schmid, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2019, 75[↩]
- BFH, Beschluss vom 25.11.2015 – II R 63/14, BFHE 251, 509, BStBl II 2016, 170, Rz 12 ff., m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 30.05.2017 – II R 62/14, BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916, Rz 29[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916, Rz 29; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 6a Rz 85[↩]
- Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 6a Rz 85; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 6a Rz 44; a.A. gleich lautende Erlasse in BStBl I 2012, 662, Tz.02.2[↩]
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