Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen – und die Einheitsbewertung

Der von Bausparkassen gebildete „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ war bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht abziehbar.

Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen – und die Einheitsbewertung

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. umfasst das Betriebsvermögen bewertungsrechtlich alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören; § 92 Abs. 5 und § 99 BewG a.F. bleiben unberührt.

Danach richtet sich der Umfang des Betriebsvermögens für Zwecke der Einheitsbewertung für die Stichtage vom 01.01.1993 bis 1.01.1997 weitgehend danach, was ertragsteuerrechtlich dem Betriebsvermögen zugerechnet wird1. Einen Gewerbebetrieb bilden nach § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG a.F. insbesondere alle Wirtschaftsgüter, die einer Kapitalgesellschaft gehören, wenn diese ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat.

Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden -wie z.B. einer AG- sind für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze, die der Ertragsbesteuerung zugrunde gelegt wurden, dem Grunde und der Höhe nach maßgebend (§ 109 Abs. 1, § 109a BewG a.F.). Soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht, besteht Bestands- und Wertidentität zwischen der Steuerbilanz und der Vermögensaufstellung2.

Soweit das Gesetz für Zwecke der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte anordnet, sind damit diejenigen Werte gemeint, die sich aus der Steuerbilanz, d.h. derjenigen Bilanz ergeben, die der Ertragsbesteuerung bzw. der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zugrunde gelegen hat. Die Bindung an die Steuerbilanz ist eine rein formale. Sie besteht unabhängig davon, ob die Bilanzansätze nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zutreffend sind. Eine eigenständige bewertungsrechtliche Prüfung, ob und mit welchem Wert aktive und passive Wirtschaftsgüter des ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögens anzusetzen sind, erfolgt nicht3.

Der Grundsatz der Bestandsidentität zwischen der Steuerbilanz und der Vermögensaufstellung wird durch § 103 Abs. 3 BewG a.F. eingeschränkt. Danach sind Rücklagen nur insoweit abzugsfähig, als ihr Abzug bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist.

In der Handelsbilanz gebildete Rücklagen sind somit bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht nur dann nicht abzuziehen, wenn sie bereits in der Steuerbilanz nicht angesetzt wurden, sondern grundsätzlich auch, wenn sie in der Steuerbilanz berücksichtigt wurden. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Regelung für eine Unterscheidung zwischen Ertragsteuerrecht einerseits und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens andererseits entschieden. Darin liegt kein Widerspruch, der durch eine Gesetzesauslegung beseitigt werden könnte. Vielmehr handelt es sich um eine vom Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums getroffene Differenzierung. Dies schließt es aus, eine Rücklage wegen der Ziele, die der Gesetzgeber mit ihrer ertragsteuerrechtlichen Abziehbarkeit verfolgt, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zum Abzug zuzulassen.

§ 103 Abs. 3 BewG a.F. gilt sowohl für Kapital- und Gewinnrücklagen, die Eigenkapital darstellen4, als auch für andere Rücklagen, die zulasten des steuerpflichtigen Gewinns gebildet werden (steuerfreie Rücklagen), auch wenn sie nicht zur Gänze Bestandteile des Eigenkapitals darstellen5. Diese steuerfreien Rücklagen werden dadurch gekennzeichnet, dass ihre Auflösung in späteren Jahren zu einer Erhöhung des Gewinns führt6.

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Der Klassifikation einer Rücklage nach Handelsrecht kommt für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens keine Bedeutung zu. Ob die Rücklage handelsbilanzrechtlich zu den Gewinnrücklagen gehört oder nicht und ob ein für die Rücklage in der Handelsbilanz gebildeter Sonderposten teilweise Fremdkapitalcharakter hat, ist für die Anwendung des § 103 Abs. 3 BewG a.F. unerheblich. Allein entscheidend ist, dass § 103 Abs. 3 BewG a.F. in seiner jeweils auf den Feststellungszeitpunkt (§ 106 Abs. 2 BewG a.F.) bezogenen Anwendung ein einheitliches Abzugsverbot für Rücklagen ohne Rücksicht auf eine spätere möglicherweise steuerwirksame Auflösung anordnet7. Steuerrechtlich ist eine Rücklage eine Gewinnrücklage, wenn sie sich auf einen Teilbetrag des ohne Rücklagenbildung realisierten Gewinns bezieht8.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BausparkG a.F. müssen die Erträge, die die Bausparkasse aus einer Anlage der Zuteilungsmittel erzielt, die vorübergehend nicht zugeteilt werden können, weil Bausparverträge die Zuteilungsvoraussetzungen nicht erfüllen, einem zur Wahrung der Belange der Bausparer bestimmten Sonderposten „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ zugeführt werden, soweit sie die Zinserträge übersteigen, die sich bei Anlage der Zuteilungsmittel in Bauspardarlehen ergeben hätten. Die Bausparkasse darf gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BausparkG a.F. am Ende eines Geschäftsjahres den Sonderposten auflösen, soweit er zu diesem Zeitpunkt 3 % der Bauspareinlagen übersteigt. Die Einzelheiten über die Zuführung von Mehrerträgen zu dem Sonderposten sind in § 8 der Bausparkassen-Verordnung vom 19.12 19909 -BausparkV a.F.- geregelt. Die vorübergehend nicht zuteilbaren Zuteilungsmittel werden als Schwankungsreserve bezeichnet (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BausparkV a.F.).

Die Mittel des „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BausparkV a.F. einzusetzen, soweit die Zuteilung mit einer Zielbewertungszahl, die für Regelsparer zu einem individuellen Sparer-Kassen-Leistungsverhältnis von 1, 0 führt (vgl. § 7 Abs. 1 BausparkV a.F.), ohne Zuführung außerkollektiver Mittel zur Zuteilungsmasse nicht aufrechterhalten werden kann (obere Einsatz-Bewertungszahl). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BausparkV a.F. gilt für alle Bauspartarife einer Zuteilungsmasse eine in den Allgemeinen Geschäftsgrundsätzen zu nennende einheitliche obere Einsatz-Bewertungszahl, die nach den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge desjenigen Bauspartarifs zu ermitteln ist, der im nicht zugeteilten Vertragsbestand summenmäßig den größten Anteil hat. Die Bausparkasse kann nach § 9 Abs. 4 BausparkV a.F. dem Fonds den Betrag entnehmen, der sich ergibt, wenn auf die der Zuteilungsmasse zugeführten außerkollektiven Mittel ein Zinssatz angewendet wird, der dem Unterschiedsbetrag aus dem effektiven Jahreszins für die zugeführten außerkollektiven Mittel und dem kollektiven Zinssatz (§ 8 Abs. 2 BausparkV a.F.) entspricht. Weitere Möglichkeiten für den Einsatz der Mittel sieht § 9 Abs. 2 und 3 BausparkV a.F. vor.

Bausparkassen i.S. des § 1 Abs. 1 BausparkG können nach § 21a Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der u.a. für die Jahre 1995 und 1996 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 13.12 1990, BGBl I 1990, 2770) -KStG a.F.- Mehrerträge i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 BausparkG a.F. in eine den steuerlichen Gewinn mindernde Zuteilungsrücklage einstellen. Diese Rücklage darf gemäß § 21a Satz 2 KStG a.F. 3 % der Bauspareinlagen nicht übersteigen. Die Voraussetzungen für eine gewinnerhöhende Auflösung der Zuteilungsrücklage sind in § 21a Satz 3 KStG a.F. geregelt.

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§ 21a KStG a.F. wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags in den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen in das KStG eingefügt10. Zur Begründung führte der Finanzausschuss aus11, § 21a KStG lasse zu, dass die Mehrerträge, die in der Handelsbilanz der Bausparkasse dem Sonderposten „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ zugeführt werden müssen, in eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage eingestellt werden. Damit werde erreicht, dass die von den Bausparkassen erzielten Mehrerträge bis zur Verwendung ohne ertragsteuerliche Belastung zur Sicherung der Ansprüche der Bausparer eingesetzt werden können. Die Gewährung einer steuerfreien Zuteilungsrücklage sei zur Unterstützung des mit § 6 Abs. 1 BausparkG verfolgten Ziels einer dauerhaften Sicherstellung des Bausparkassensystems gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 21a KStG a.F. durch Art. 5 Nr. 8 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 StEntlG 1999/2000/200212 in § 21b KStG übernommen und zugleich in § 54 Abs. 8f KStG (Art. 5 Nr. 17 Buchst. e StEntlG 1999/2000/2002) bestimmt, dass eine den steuerlichen Gewinn mindernde Zuteilungsrücklage für Wirtschaftsjahre, die nach 1998 enden, nicht (mehr) gebildet werden darf sowie eine Rücklage, die am Schluss des letzten vor dem 1.01.1999 endenden Wirtschaftsjahrs zulässigerweise gebildet ist, in den folgenden fünf Wirtschaftsjahren mit mindestens je einem Fünftel aufzulösen ist.

Die Klage einer Bausparkasse gegen die teilweise Auflösung der Zuteilungsrücklage und die dadurch bewirkte Erhöhung des Gewinns für das Jahr 1999 blieb vor dem Bundesfinanzhof ohne Erfolg13 als unzulässig.

Der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ ist dem Wortlaut des für seine ertragsteuerrechtliche Berücksichtigung maßgebenden § 21a Satz 1 KStG a.F. entsprechend eine Rücklage i.S. des § 103 Abs. 3 BewG a.F. und nicht eine Rückstellung oder ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten. Diese Rücklage ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gemäß § 103 Abs. 3 BewG a.F. nicht abziehbar, da ihr Abzug nicht durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist14.

Der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ hat nicht ohne weitere Voraussetzungen den Charakter einer Rückstellung, die steuerbilanzrechtlich unabhängig von § 21a KStG a.F. zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Dieses Passivierungsgebot gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gegebenenfalls i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für die Steuerbilanz gelten15, soweit im Gesetz nichts anderes vorgesehen ist16.

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach -deren Höhe zudem ungewiss sein kann- sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen17. Das Vorhandensein der Belastung muss nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt werden18.

Das Bestehen einer Verbindlichkeit setzt den Anspruch eines Dritten im Sinne einer Außenverpflichtung voraus, die erzwingbar ist19. Außenverpflichtung i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB meint grundsätzlich eine Schuld gegenüber einer dritten Person. Der Dritte als Gläubiger muss das Recht haben; vom Steuerpflichtigen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Ausreichend ist allerdings auch ein faktischer Leistungszwang, dem sich der Steuerpflichtige aus sittlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, obwohl keine Rechtspflicht zur Leistung besteht20.

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Diese Voraussetzungen gelten auch für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht, die auf ein bestimmtes Handeln in Form einer Geldzahlung oder eines anderen Leistungsinhalts gerichtet sind, sofern diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung bereits konkretisiert, d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt ist21. Konkretisiert wird eine solche öffentlich-rechtliche Verpflichtung regelmäßig durch einen gesetzeskonkretisierenden Rechtsakt (Verwaltungsakt, Verfügung oder Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung), kann sich aber auch allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben; dies setzt allerdings einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus22.

Da die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ebenso wie die Passivierung einer Verbindlichkeit in Befolgung des Vorsichts- und Gläubigerschutzprinzips der Antizipation künftiger Belastungen des betrieblichen Ergebnisses dient, setzt sie voraus, dass der Eintritt der Verbindlichkeit zu einer Ertragsminderung führen würde. Wäre das Ergebnis hingegen neutral, scheidet die Bildung einer Rückstellung aus23.

Diese Voraussetzungen einer Rückstellung erfüllt der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ nicht.

Es besteht nicht generell eine inhaltlich hinreichend bestimmte, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllende öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Verwendung der dem Fonds zugeführten Mittel. § 6 Abs. 1 Satz 2 BausparkG a.F. begründet keine Pflichten der Bausparkassen zu einer bestimmten Verwendung der Mittel des Fonds. Die sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 BausparkV a.F. ergebende Pflicht zum Einsatz der Mittel ist zeitlich nicht bestimmt24, sondern hängt vom Eintritt der in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ab. Eine Rückstellung ist jedoch nur anzusetzen, soweit am jeweiligen Bilanzstichtag im Einzelfall hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Mittel des Fonds in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag für den in der Vorschrift bestimmten Zweck aufwandswirksam verwendet werden müssen24.

Privatrechtliche, zu einer Ertragsminderung führende Ansprüche hinsichtlich des „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ räumen weder das BausparkG a.F. noch die BausparkV a.F. den Bausparern ein. Die Gewährung von Bauspardarlehen belastet als solche das betriebliche Ergebnis nicht; denn dadurch wird ein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens begründet (§ 607 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB- in der in den Jahren 1995 und 1996 geltenden Fassung, jetzt § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Antizipation künftiger Belastungen des betrieblichen Ergebnisses liegt daher insoweit nicht vor. Die bloße Möglichkeit, dass unter bestimmten Umständen zur Erfüllung des vertraglichen Anspruchs der Bausparer auf Gewährung von Bauspardarlehen die Aufnahme von Fremdmitteln, die höher verzinslich sind als die Bauspardarlehen, und somit die Inanspruchnahme von Mitteln des Fonds erforderlich werden könnte, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Rückstellung.

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Der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ kann bilanzrechtlich nicht der Schwankungsrückstellung bei Versicherungen gleichgestellt werden. Zum einen bestehen zwischen Versicherungen und Bausparkassen wesentliche Unterschiede. Während der Eintritt von Versicherungsfällen und die darauf beruhende, bei der Versicherung zu Betriebsausgaben führende Erbringung von Versicherungsleistungen für Versicherungen typisch und daher zu erwarten sind, kann der in § 9 Abs. 1 Satz 1 BausparkV a.F. genannte Fall zwar eintreten, muss es aber nicht. Zum anderen lässt § 20 Abs. 1 KStG die Bildung der Schwankungsrückstellung unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen ausdrücklich zu, während die Zuteilungsrücklage wie bereits dargelegt nicht mehr gebildet werden darf.

Der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ hat auch nicht den Charakter eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens, der steuerbilanzrechtlich unabhängig von § 21a KStG a.F. zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, der gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer gilt, sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag anzusetzen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt wird hierdurch entsprechend dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 und Nr. 5 HGB) erst dann -durch Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens- erfolgswirksam, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat25. Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, Einnahmen dem Jahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Die Ertragswirkung der Einnahmen soll in die Periode verlagert werden, in der die korrespondierenden Aufwendungen anfallen26.

Der Anwendungsbereich der Rechnungsabgrenzung betrifft in erster Linie typische Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. BGB. Er ist zwar nicht auf synallagmatische schuldrechtliche Leistungen beschränkt27. Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellt, muss aber eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen28.

Diese Voraussetzungen eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens erfüllt der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ nicht. Es geht nicht um den Ansatz von bereits vereinnahmten Zinsen, für die die Bausparkasse nach dem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch eine Gegenleistung in Form der Überlassung des Darlehenskapitals zu erbringen hat. Der Anspruch auf Zinsen entsteht laufend für die Zeit der Nutzung des überlassenen Kapitals29. Werden Zinsen erst bei Ablauf der jeweiligen Zinsperiode gezahlt, ist die Leistung des Darlehensgebers vollzogen. Der Ansatz eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens scheidet aus.

Der Gesetzgeber ist ersichtlich ebenfalls davon ausgegangen, dass der „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ als solcher weder den Charakter einer Rückstellung noch eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens hat. Der Finanzausschuss ist ausweislich der Begründung für die Einführung des § 21a KStG a.F.11 davon ausgegangen, dass der Fonds ohne diese Sondervorschrift ertragsteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden könnte. Zudem hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 21a KStG a.F. die den steuerlichen Gewinn mindernde Bildung der Zuteilungsrücklage lediglich zugelassen, aber nicht vorgeschrieben. Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten müssen dagegen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in der Steuerbilanz berücksichtigt werden.

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Für die Beurteilung des „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ als Rücklage durch den Gesetzgeber spricht auch, dass nach § 54 Abs. 8f KStG (Art. 5 Nr. 17 Buchst. e StEntlG 1999/2000/2002) eine den steuerlichen Gewinn mindernde Zuteilungsrücklage für Wirtschaftsjahre, die nach 1998 enden, nicht (mehr) gebildet werden darf sowie eine Rücklage, die am Schluss des letzten vor dem 1.01.1999 endenden Wirtschaftsjahrs zulässigerweise gebildet ist, in den folgenden fünf Wirtschaftsjahren mit mindestens je einem Fünftel aufzulösen ist.

Die vom Gesetzgeber mit der Zuteilungsrücklage bei Bauspar-kassen verfolgte Zielsetzung rechtfertigt es nicht, die Rücklage entgegen dem Wortlaut des § 103 Abs. 3 BewG a.F. bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum Abzug zuzulassen. Wie bereits dargelegt, kommt es nach dieser Vorschrift nicht auf ertragsteuerrechtliche Wertungen, sondern darauf an, ob der Abzug einer Rücklage bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens durch Gesetz ausdrücklich zugelassen wurde.

Die handelsrechtliche Klassifikation des „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ und dessen aufsichtsrechtliche Beurteilung spielen im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls keine Rolle. Unerheblich ist auch, ob der Fonds handelsbilanzrechtlich teilweise Fremdkapitalcharakter hat. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei der Rücklage steuerrechtlich um eine Gewinnrücklage handelt, weil sie sich auf einen Teilbetrag des ohne Rücklagenbildung realisierten Gewinns bezieht30.

Ob ein Teil der ertragsteuerrechtlich für die Jahre 1995 und 1996 als „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ berücksichtigten Beträge als Rückstellung hätte angesetzt werden müssen, kann wegen der formalen Bindung an die Steuerbilanzen, die der Ertragsbesteuerung der Bausparkasse zugrunde gelegt wurden, im vorliegenden Verfahren nicht geprüft werden. Davon abgesehen gibt es dafür auch keine Anhaltspunkte. Die Bausparkasse muss im vorliegenden Fall über eine beträchtliche Schwankungsreserve verfügt haben, die sie bei Bedarf zur Gewährung von Bauspardarlehen hätte verwenden können. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie allein im Jahr 1996 der Zuteilungsrücklage einen Mehrertrag von 9.490.990 DM zugeführt hat und somit über erhebliche Mittel verfügt haben muss, die sie nicht zur Gewährung von Bauspardarlehen verwendet hatte. Die Bausparkasse hat auch nicht vorgetragen, sie habe an den Bewertungsstichtagen damit rechnen müssen, dass in absehbarer Zeit eine Inanspruchnahme der Mittel des von ihr gebildeten „Fonds zur bauspartechnischen Absicherung“ erforderlich werden würde.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. November 2016 – II R 65/14

  1. BFH, Urteil vom 13.12 2011 – II R 2/11, BFH/NV 2012, 714, Rz 11[]
  2. BFH, Urteile vom 16.06.2009 – II R 23/07, BFH/NV 2009, 1786, und in BFH/NV 2012, 714, Rz 13[]
  3. BFH, Urteile vom 25.10.2000 – II R 58/98, BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92; und vom 11.03.2008 – II R 84/05, BFH/NV 2008, 1454[]
  4. vgl. im Einzelnen Dötsch in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 103 BewG Rz 448 bis 450, 458 bis 471[]
  5. Dötsch, a.a.O., § 103 BewG Rz 451, 477 bis 479[]
  6. Dötsch, a.a.O., § 103 BewG Rz 451, 477[]
  7. BFH, Urteil vom 17.03.2004 – II R 64/01, BFHE 205, 489, BStBl II 2004, 766, zur Rücklage für Ersatzbeschaffung[]
  8. BFH, Urteile vom 24.06.1999 – IV R 46/97, BFHE 189, 128, BStBl II 1999, 561, und in BFHE 205, 489, BStBl II 2004, 766[]
  9. BGBl I 1990, 2947[]
  10. BT-Drs. 11/8322, S. 11 f.[]
  11. BT-Drs. 11/8322, S. 18[][]
  12. vom 24.03.1999, BGBl I 1999, 402[]
  13. BFH, Beschluss vom 05.11.2014 – I B 107/13, BFH/NV 2015, 352[]
  14. zutreffend Abschn. 41 Abs. 4 Satz 4 der Vermögensteuer-Richtlinien 1995, BStBl I 1995 Sondernummer 2, 23; ebenso bereits der im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ergangene Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 19.10.1993 S 3232 – 23 – VA 4, DStR 1993, 1784[]
  15. BFH, Urteil vom 16.12 2014 – VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759, Rz 21, m.w.N.[]
  16. vgl. z.B. § 5 Abs. 3, 4 und 4b EStG[]
  17. BFH, Urteil in BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759, Rz 22[]
  18. BFH, Urteil in BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759, Rz 23, m.w.N.[]
  19. BFH, Urteile vom 05.06.2014 – IV R 26/11, BFHE 246, 160, BStBl II 2014, 886, Rz 24; und vom 05.11.2014 – VIII R 13/12, BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, Rz 34, jeweils m.w.N.[]
  20. BFH, Urteile in BFHE 246, 160, BStBl II 2014, 886, Rz 24, und in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, Rz 34, jeweils m.w.N.[]
  21. BFH, Urteile vom 17.10.2013 – IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, Rz 18, und in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, Rz 35, m.w.N.[]
  22. BFH, Urteil in BFHE 248, 296, BStBl II 2015, 523, Rz 36 f., m.w.N.[]
  23. BFH, Urteil vom 03.08.2005 – I R 36/04, BFHE 211, 112, BStBl II 2006, 369, unter II. 3.[]
  24. BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 352[][]
  25. BFH, Urteile vom 07.03.2007 – I R 18/06, BFHE 216, 572, BStBl II 2007, 697; und vom 28.05.2015 – IV R 3/13, BFH/NV 2015, 1577, Rz 14[]
  26. BFH, Urteile vom 24.06.2009 – IV R 26/06, BFHE 225, 144, BStBl II 2009, 781, m.w.N., und in BFH/NV 2015, 1577, Rz 14[]
  27. BFH, Urteile vom 23.02.2005 – I R 9/04, BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481, und in BFH/NV 2015, 1577, Rz 15[]
  28. BFH, Urteile in BFHE 216, 572, BStBl II 2007, 697; in BFHE 225, 144, BStBl II 2009, 781, und in BFH/NV 2015, 1577, Rz 15[]
  29. BFH, Urteil vom 17.02.2010 – II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641, Rz 10[]
  30. BFH, Urteil in BFHE 205, 489, BStBl II 2004, 766[]
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