Die wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG entnommene Blutprobe darf nicht nur auf das berauschende Mittel (hier: THC), sondern auch auf dessen Abbauprodukte (hier: 11-Hydroxy-THC und THC-Carbonsäure) untersucht werden.

Die Entnahme einer Blutprobe war vorliegend grundsätzlich zulässig (§ 81a Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Das Ziel der Maßnahme darf allein in der Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen bestehen1. Eine solche Verfahrenserheblichkeit ist bei allen Tatsachen gegeben, die wenigstens mittelbar zum Beweis der Straftat (bzw. Ordnungswidrigkeit), der Täterschaft oder der Schuld des Beschuldigten (bzw. Betroffenen) geeignet oder für die Bestimmung der Rechtsfolgen erheblich sind; Tatsachen dieser Art sind auch die Bestandteile des Blutes2.
Hiervon ausgehend ist beim Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht nur das „berauschende Mittel“ an sich (hier: Cannabis mit der Substanz Tetrahydrocannabinol; vgl. Anlage zu § 24a StVG) für die Einordnung von Bedeutung, sondern sind es auch die Abbauprodukte (Metaboliten) 11-Hydroxy-THC (bzw. OH-THC) und THC-Carbonsäure (bzw. THC-COOH). Aufgrund wissenschaftlicher Studien ist nämlich davon auszugehen, dass die festgestellten Werte der THC-Abbauprodukte Rückschlüsse nicht nur auf das allgemeine Konsumverhalten und den Umfang des konsumierten Cannabis, sondern insbesondere auch auf die seit Konsumende verstrichene Zeit ermöglichen3. Mithin haben diese Werte eine Bedeutung bereits dafür, ob eine vorsätzliche oder nur eine fahrlässige Begehungsweise in Betracht kommt. Dabei kommt es insoweit noch nicht auf die Frage an, ob überhaupt und ggf. unter welchen zeitlichen Verhältnissen eine auch nur fahrlässige Begehungsweise in Zweifel zu ziehen ist.
Die Beweiswürdigung bezüglich der Bewertung des maßgeblich herangezogenen toxikologischen Sachverständigengutachtens genügt in dem hier entschiedenen Fall jedoch den Darstellungsanforderungen nicht. Die Urteilsgründe erschöpfen sich letztlich in dem Satz, „der Sachverständige habe festgestellt, dass ein THC-Gehalt von 4, 5 ng/ml bei einem relativ geringen Gehalt von THC-Carbonsäure von 8, 4 ng/ml nur erklärbar sei, wenn der Konsum nur wenige Stunden vor Entnahme der Blutprobe stattgefunden habe“.
Bedient sich der Tatrichter der Hilfe eines Sachverständigen, muss er dabei die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen zur fachlichen Begründung für die Schlussfolgerungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstigen Rechtsfehlerfreiheit durch das Rechtsbeschwerdegericht erforderlich ist4. Eine – wie hier – ausschließlich auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung kann nur in Ausnahmefällen ausreichen, wenn sich das Gutachten auf eine allgemein anerkannte und standardisierte Untersuchungsmethode gründet und von keiner Seite Einwände gegen die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben werden. In anderen Fällen sind neben den wesentlichen tatsächlichen Grundlagen und den daraus vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) vor allem auch die das Gutachten tragenden fachlichen Begründungen auszuführen5. Dies gilt umso mehr, wenn die zur Ermittlung der Befundtatsachen zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden wissenschaftlich in Zweifel gezogen oder als wenig zuverlässig betrachtet werden. Will das Tatgericht – wie hier – seine Überzeugung vom Zeitpunkt des Cannabiskonsums auf ein Sachverständigengutachten stützen, hat es zu berücksichtigen, dass beachtliche Zweifel angebracht sind, ob nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft überhaupt eine zuverlässige Methode der Rückrechnung existiert, die es erlaubt, den Konsumzeitpunkt für einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu bestimmen. Den Urteilsgründen muss in diesen Fällen zu entnehmen sein, welche konkrete Methode der Sachverständige zur Bestimmung des Konsumzeitpunkts angewandt hat und inwieweit gegen diese Methode erhobene wissenschaftliche Einwände durch den Sachverständigen entkräftet wurden6. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, da es sich ausschließlich darauf beschränkt, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens mitzuteilen. Auf welche Weise der Sachverständige und mit ihm das Gericht zu der – immerhin die Einlassung widerlegenden – Schlussfolgerung gelangt ist, der Cannabiskonsum liege lediglich wenige Stunden zurück, erschließt sich nicht.
Das Amtsgericht legt seiner Entscheidung, ohne dass dies allerdings ausdrücklich erwähnt wurde, offensichtlich die jedenfalls bis vor kurzem überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung zugrunde, wonach gerade bei einer nur geringen Überschreitung des Grenzwertes von 1, 0 ng/ml7 ein längerer Zeitraum zwischen Konsum und Fahrtantritt eine auch nur fahrlässige Begehungsweise entfallen lassen kann8.
Zwischenzeitlich wird diese bisherige überwiegende Rechtsprechung durch obergerichtliche Entscheidungen mit beachtlichen Erwägungen zunehmend in Frage gestellt9. Danach lässt ein bloßer längerer Zeitablauf zwischen Konsum und Fahrtantritt den Fahrlässigkeitsvorwurf nur noch bei Vorliegen ganz besonderer zusätzlicher Umstände entfallen10. Einen Kraftfahrer trifft nämlich die Pflicht, sich vor oder nach erfolgtem Cannabiskonsum Gewissheit von seiner Fahrtüchtigkeit und Kenntnis darüber zu verschaffen, wie lange die Wirkung der von ihm eingenommenen Droge dauern kann, um das Erreichen des Grenzwertes bei Fahrtantritt auszuschließen11.
Sollte das Amtsgericht zu den zeitlichen Verhältnissen erneut gleiche Feststellungen wie bisher treffen, wird es auf die Auffassung in der neueren Rechtsprechung nicht ankommen. Insoweit dürfte im Rahmen der Beweiswürdigung allerdings angezeigt sein, die dargelegten erheblicheren Auffälligkeiten des Betroffenen bei der polizeilichen Kontrolle zusätzlich einer ergänzenden Würdigung durch einen rechtsmedizinischen Sachverständigen zu unterziehen und sie hierbei in den Kontext mit einem möglichen vorangegangenem Konsum von Betäubungsmitteln zu stellen.
Vorsorglich weist das Oberlandesgericht Karlsruhe darauf hin, dass bei der Verhängung einer Geldbuße über der nunmehr bei 250 EUR festzusetzende Geringfügigkeitsgrenze des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG12 genauere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen als Bemessungskriterium für die Höhe der Geldbuße zu treffen sind13. Vorliegend wurde lediglich ausgeführt, der Betroffene sei „gelernter Maurer“. Feststellungen, wovon der zwischenzeitlich in der Schweiz wohnhafte Betroffene seinen Lebensunterhalt bestreitet, sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Dies gilt im Übrigen ebenso für die möglicherweise zumessungsrelevante Frage, ob er bereits straßenverkehrsrechtlich vorgebüßt wurde.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 19. Januar 2015 – 2 (5) SsBs 720/14; 2 (5) SsBs 720/14 – AK 177/14
- SK-StPO/Rogall, 4. Aufl., § 81a Rn. 10[↩]
- LR-Krause, StPO, 26. Aufl., § 81a Rn. 16; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 81a Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 81a Rn. 6; SK-StPO, aaO, Rn. 11; MünchKomm-StPO/Trück, 1. Aufl., § 81a Rn.20; HK-StPO/Brauer, 5. Aufl., § 81a Rn. 5; Radtke/Hohmann/Beukelmann, StPO, 1. Aufl., § 81a Rn. 4[↩]
- Möller/Kauert/Thönnes u.a., Blutalkohol 2006, 361; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., Vorbem. § 29 Rn. 254f; Eisenmenger NZV 2006, 24[↩]
- KK-Senge, OWiG, 4. Aufl., § 71 Rn. 119; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn. 43d[↩]
- BGHSt 39, 291 [296][↩]
- KG, VRS 126, 109 12; OLG Karlsruhe VRS 124, 304; KG, Beschluss vom 21.03.2012 – 3 Ws (B) 116/12[↩]
- vgl. BVerfG NJW 2002, 2378[↩]
- OLG Karlsruhe NZV 2007, 248; NZV 2011, 413; Blutalkohol 49, 108; StV 2014, 622; OLG Hamm StraFo 2012, 287; KG Berlin VRS 126, 109; OLG Bremen Blutalkohol 51, 26; Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 599[↩]
- vgl. bereits König NStZ 2009, 425[↩]
- OLG Hamm Blutalkohol 48, 288; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 47; OLG Koblenz Blutalkohol 51, 351 [NStZ-RR 2014, 322 LS]; OLG Bremen NStZ-RR 2014, 257; KG Berlin, Beschluss vom 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14; ebenso Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 24a StVG Rn. 25b[↩]
- OLG Bremen NStZ-RR 2014, 257 31[↩]
- KK-Mitsch, aaO, § 17 Rn. 91[↩]
- vgl. OLG Karlsruhe NStZ 2007, 182[↩]